Ultrafeinstaub:Schlechte Luft in Attaching

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Abgase der Turbinen lassen die Belastung durch ultrafeine Partikel im Flughafenumland deutlich steigen. Dies gefährde die Gesundheit von Anwohnern und Beschäftigten am Flughafen, kritisiert der Bürgerverein Freising. (Foto: Johannes Simon)

Der Bürgerverein Freising misst weiterhin die Ultrafeinstaub-Belastung im Flughafenumland. Die Ergebnisse hält er für alarmierend, weil die winzigen Partikel laut mehrerer Studien die Gesundheit gefährden. Der Politik wirft er Untätigkeit vor.

Von Petra Schnirch, Freising

Der Bürgerverein Freising schlägt Alarm. Neue Messungen in Attaching hätten ergeben, dass mit der Zunahme des Flugverkehrs im Nach-Corona-Jahr 2023 um 50 Prozent auch die Ultrafeinstaub-Werte erheblich gestiegen seien, sagte Vorsitzender Wolfgang Herrmann am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Als Maßstab für eine hohe Belastung gilt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Tagesmittelwert von 10 000 ultrafeinen Partikeln (UFP) pro Kubikzentimeter Luft. In Attaching wurde diese Grenze an zwei Dritteln der Messtage überschritten.

Der Bürgerverein hält das für besorgniserregend. Seit Jahren macht er auf das Problem aufmerksam, die Mitglieder lesen Studie um Studie zum Thema. In jüngster Zeit häuften sich die wissenschaftlichen Publikationen, die UFP im Umfeld von Flughäfen als Ursache für schwerwiegende Erkrankungen beschreiben, sagte Herrmann. Ultrafeine Partikel seien ungefilterte Triebwerksabgase. Anwohner und am Flughafen Beschäftigte seien teils hohen Konzentrationen ausgesetzt. "Es finden sich immer mehr Bestätigungen, dass diese Menschen krank werden." Die Behörden in Bayern aber "tun seit Jahren nichts".

Die Ergebnisse ihrer Ultrafeinstaub-Messungen in Attaching halten Gerhard Müller-Starck (l.) und Wolfgang Herrmann, beide Vorsitzende des Bürgervereins Freising, für erschreckend. (Foto: Johannes Simon)

Von August bis November 2023 nahm der Bürgerverein Messungen in Attaching vor. Gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum hatte er bereits 2021 und Anfang 2022 für eine Studie der Universität Bayreuth sieben Monate lang die UFP-Werte an sechs Standorten ermittelt. Nun konzentrierten sich die Vereinsmitglieder auf einen davon. Das sei eine "schöne Vergleichsmöglichkeit", so Herrmann. Maßgeblich seien Tages- und Stundenmittelwerte.

An 66 von 100 Tagen "herrschte schlechte Luft in Attaching", weil der Tagesmittelwert die laut WHO kritische Höhe von 10 000 Partikeln zum Teil deutlich mit gemessenen Belastungen von 25 000 bis 30 000 Partikeln überschritten habe. Bei Wind aus östlicher bis südwestlicher Richtung würden die Abgase in Attaching in die Wohngebiete im Norden getragen. Stark belastet seien auch Ortschaften an den Achsen der Start- und Landebahnen wie Eitting, Schwaig oder Achering.

EU-Studie stellt ein erhöhtes Risiko für Sterbefälle fest

Die Forschung zu den Gesundheitsgefahren durch ultrafeine Partikel ist in den vergangenen Jahren intensiviert worden. Wolfgang Herrmann verwies auf mehrere Untersuchungen: Die EU stellte demnach im Zuge des Ufireg-Projekts schon 2011 bis 2014 "ein um zwei Prozent erhöhtes Risiko für Krankenhauseinweisungen und Sterbefälle aufgrund von Atemwegserkrankungen" fest - für einen Anstieg der UFP-Anzahl um 1000 Partikeln pro Kubikzentimeter im Tagesdurchschnitt.

Das Helmholtz-Zentrum sah 2023 in einer Studie insbesondere bei kleineren Partikelgrößen ein erhöhtes Sterberisiko durch Atemwegserkrankungen, und das schon nach wenigen Tagen. Bei einem Anstieg von 3223 Partikeln pro Kubikzentimeter erhöht sich das Risiko der respiratorischen Mortalität, also bei Atemwegsproblemen, demnach um 4,46 Prozent. "Das sind heftige Zahlen", sagte der Mediziner Hermann Hobmair vom Bürgerverein Freising. Diese feinen Partikel seien "lungengängig und extrem gesundheitsschädlich", ergänzte Gerhard Müller-Starck, ebenfalls Vorsitzender des Vereins. Im Umweltbericht 2023 der Flughafen München GmbH (FMG) kämen die Worte ultrafeine Partikel kein einziges Mal vor, das sei eine "Riesen-Sauerei".

Den Flughafenbetreibern und der Staatsregierung wirft der Bürgerverein Untätigkeit vor - und die Diskreditierung seiner Arbeit. "Seit sechs Jahren ist nichts passiert außer lauer Worte", monierte Wolfgang Herrmann. "Absolutes Negativbeispiel" ist für ihn die Kindertagesstätte Airport Hopser. Auch die Kinder setze man "ungeschützt den hohen Konzentrationen der Triebwerksabgase aus", obwohl die UFP-Belastungen bekannt seien. Die FMG verweigere eigene und gemeinsame Messungen mit dem Bürgerverein.

Es sei "höchste Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen", betonte Herrmann. Der Bürgerverein erneuerte seine Forderung nach dem Einsatz von schwefelfreiem Kerosin, das rückstandsfreier verbrenne. Außerdem hält er Taxibots, die Flugzeuge auf den Rollwegen schleppen, am Münchner Airport für möglich. Die FMG verweist dagegen darauf, dass dies wegen der kurzen Rollwege nichts bringe. Hermann kritisierte, dass die Staatsminister Albert Füracker, Aufsichtsratsvorsitzender der FMG, und Florian Herrmann bisher zu keinem Gespräch bereit gewesen seien. Der Bürgerverein kündigte an, am Thema Ultrafeinstaub dranzubleiben.

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