Jahrelange Recherche:Wie Hund und Katz

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Autor Tom Reger bei der Vorstellung seines Buches "Wandelzeiten" im Heimatkundlichen Archiv der Gemeinde Taufkirchen. (Foto: Renate Schmidt)

Tom Reger erzählt in seinem zweiten Buch die Zusammenlegung von Moosen und Hubenstein zwischen den Weltkriegen.

Von Thomas Daller, Taufkirchen

Die Zusammenlegung von Gemeinden verbindet man häufig mit der Gebietsreform 1972, die zu vielen unliebsamen "Zwangsehen" geführt hat. Doch bereits vor dieser Zeit gab es solche Verbindungen. Vor 100 Jahren bildeten die beiden heutigen Ortsteile Taufkirchens, Hubenstein und Moosen, eine gemeinsame Einheit. Das klingt nach einem spröden Verwaltungsakt, doch es war mehr als das. Der Taufkirchener Autor Tom Reger hat mehrere Jahre dazu recherchiert und ein Buch dazu verfasst: "Wandelzeiten - Geschichten im Vilstal der1920er Jahre und wie zwei Gemeinden gemeinsam lieber getrennt bleiben".

Mit nur 250 Hektar und lediglich 272 Einwohnern war Hubenstein ein Winzling, hatte weder eine eigene Gemeindekanzlei noch ein Standesamt, keine Schule, keine Kirche und keinen Friedhof, aber hohe Lasten durch einen Armenfonds. Die Nachbargemeinde Moosen war gar nicht erpicht auf die Zusammenlegung, es gab Zank und Streit in den Wirtshäusern.

Es zeigt, wie es 1933 zu Hitlers Machtergreifung kam

Eingebettet ist die Erzählung in die Geschichte der damaligen Zeit: Die Bevölkerung litt an den Folgen des Ersten Weltkriegs. Es herrschte Not und Elend, Hyperinflation und die Verunsicherung angesichts einer Reihe politischer Umsturz- und Putschversuche. Die Menschen konnten sich diesen Zeiten des Wandels kaum entziehen und der aufkeimende Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus zeigten sich bereits an verschiedenen Stellen.

Reger ist im Heimatkundlichen Archiv erstmals auf die Thematik gestoßen. Aber dort waren die Quellen noch spärlich. Er hat dann für sein Buch im Bayerischen Staatsarchiv recherchiert, sich Sütterlin beigebracht, Protokolle der Gemeinde gesichtet und in 170 Fußnoten auf seine Quellen und die tatsächlichen Ereignisse und Personen verwiesen. Dennoch ist es ein Roman geworden und kein Sachbuch. Er hat sich dabei die künstlerische Freiheit genommen, Namen zu ändern und Dialoge zu konstruieren, die Handlung sei so, "wie es gewesen sein könnte", sagte Reger bei der Buchvorstellung im Heimatkundlichen Gemeindearchiv in Taufkirchen.

Aus dramaturgischen Gründen wurde von einer außerordentlichen, weil so nie dagewesenen, gemeinsamen Bürgerversammlung zweier sich argwöhnisch gegenüberstehenden Gemeinden ausgegangen. Dort sollte die Bevölkerung von ihren Gemeindevertretern vom Vereinigungsvorhaben der Regierung und der staatlichen Behörden, dem Bezirksamt Erding, erfahren. Dagegen regt sich erbitterter Widerstand. Alte Wunden brechen auf. Argwohn, Misstrauen und handgreifliche Auseinandersetzungen nehmen zu. Ein Handeln in Eintracht gegen die Obrigkeit bleibt allerdings schwierig. Der Flusslauf im Vilstal wird für die nachkriegsgeplagte Bevölkerung zur natürlichen Konfliktlinie. Zu den handelnden Protagonisten zählen die beiden Bürgermeister, die beide zurückgetreten waren, um gegen die Zusammenlegung zu protestieren. Weitere Personen sind unter anderem der Pfarrer, im Krieg verwundet, dem Gott fremd geworden ist, sowie ein Lehrer, strafversetzt aus München und Sohn einer jüdischen Mutter, der deswegen angefeindet wird.

Reger taucht mit seinem Buch in die damalige Welt ein, die bereits geprägt ist durch Nationalismus, Antisemitismus, Monarchismus, Sozialismus sowie Rot- und Weißgardisten. "Das alles schwappte auch ins Vilstal über", sagte der Autor. "Und es zeigt, wie es 1933 zu Hitlers Machtergreifung kam." Es ist eine Zeit des politischen Wandels, für manche gar eine politische und gesellschaftliche Abrisskante. Das Buch spielt in den Jahren 1919 bis 1925, geht aber auch in Rückblenden weiter zurück, beispielsweise in des Pfarrers Kriegstraumata.

Nach seinem Krimi "Essigsaurer Zucker" ist es das zweite Buch von Tom Reger. Der 59-Jährige ist nahe Hubenstein und Moosen aufgewachsen und wohnt im Ortsteil Granting. Der Wirtschaftsingenieur ist von Geschichtsthemen fasziniert und bezeichnet sich als "detailverliebt". Bei der Vorstellung des Buches hatte er einen dicken Stapel Kopien der Originaldokumente dabei, die er dem Heimatkundlichen Archiv überließ. "Wandelzeiten" ist im Selbstverlag erschienen und im Buchhandel sowie beim Wirt z`Moosen erhältlich. Die Gemeinde will den Stichtag der Zusammenlegung am 31. Oktober dieses Jahres mit einem Stehempfang feiern.

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