NS-Geschichte:Blut-und-Boden-Opportunist

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Der Lokalhistoriker Schorsch Wiesmaier räumt mit seinen Recherchen über den Schriftsteller Josef Martin Bauer letzte Zweifel aus. Der Dorfener Ehrenbürger war fraglos ein nationalsozialistischer Autor

Von Florian Tempel, Dorfen

Josef Martin Bauer (2.v.l.) bei der Verleihung des "Ehrenpreis für das bäuerlich gebundene Schrifttum der Gegenwart" 1944, den er, verbunden mit einem Preisgeld in Höhe von 10 000 Reichsmark, von NS-Reichsbauernführer Herbert Backe (3.v.l.) in Goslar überreicht bekam. (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Man darf froh sein, dass nichts aus der Idee geworden ist, das Gymnasium nach Josef Martin Bauer zu benennen. Mitte der 1980er Jahre wäre das beinahe passiert. Das Ansehen des Schriftstellers war damals in Dorfen weitgehend unangetastet. War er doch nicht nur Autor des Bestsellers "So weit die Füße tragen", sondern auch Ehrenbürger der Stadt, Träger des Bayerischen Verdienstordens und des Ehrenrings des Landkreis Erding. Doch dann kamen zumindest Zweifel auf, ob sein Leben und Werk wirklich so vorbildlich war, dass man ein Gymnasium nach ihm benennen sollte.

Schorsch Wiesmaier hat in einem Aufsatz, der in der neuen Ausgabe des "Mühlrads", der Schriftreihe des Geschichtsvereins Heimatbund Mühldorf, erschienen ist, nunmehr endgültig für Klarheit gesorgt: Niemand muss sich fortan fragen, ob und wie sehr Bauer innerlich oder äußerlich in der NS-Zeit verstrickt war. Auch wenn Wiesmaier seinem Artikel den fragenden Titel "Überzeugungstäter oder Mitläufer?" gegeben hat, fällt die Antwort deutlich aus: Josef Martin Bauer war ein nationalsozialistischer Autor - ohne jeden Abstrich.

Als der Journalist Arthur Dittlmann mit einer hervorragend recherchierten Radiosendung zum 100. Geburtstag Bauers im Jahr 2001 das vollkommen schiefe Bild, das die Öffentlichkeit von diesem hatte, zurechtrückte, reagierten in Dorfen nicht wenige empört. Dittlmann sah sich wegen seines kritischen Beitrags persönlichen Angriffen ausgesetzt.

Schorsch Wiesmaier, der sich in der Geschichtswerkstatt Dorfen schwerpunktmäßig mit der Zeit der lokale NS-Geschichte beschäftigt, hat das nicht losgelassen. Als dann vor einigen Jahren am Dorfener Gymnasium eine Ausstellung gezeigt wurde, in der über einem Beitrag zu Josef Martin Bauer die fehlgeleitete Überschrift "Ein Dichter im Würgegriff" stand, gab ihm das noch einmal einen Schub, intensiver nachzuforschen. Das hat sich allerdings gelohnt.

In Vorträgen hat Wiesmaier seine Erkenntnisse zu Josef Martin Bauer schon mehrmals vorgestellt. Dass eine Textfassung nun gedruckt im "Mühlrad" erscheint ist in doppelter Hinsicht wichtig. Zum einen sind so die Ergebnisse von Wiesmaiers Forschung festgehalten. Zum anderen werden so die längst unhaltbaren Darstellungen zu Josef Martin Bauer in früheren Ausgaben des "Mühlrads" ausgeglichen. In den 1994 und 2002 veröffentlichten Artikeln von Josef Steinbichler war Bauer unglaublich gut weggekommen. Das lag vor allem an einem grundlegenden Kardinalfehler. Steinbichler hatte seine Einschätzungen - wie auch viele andere - im Wesentlichen aus den Selbstdarstellungen Bauers bezogen, die dieser nach 1945 verfasste. Das ist allerdings eine Herangehensweise, die man nur als treudoof bezeichnen kann.

Bauer hatte auch Beiträge für die Rassenwahn-Zeitschrift "Zucht und Sitte" geschrieben

Wiesmaier hat für viele Angaben Bauers, mit denen er sich zum Beispiel in seinem Entnazifizierungsverfahren reinwusch, nach Belegen gesucht. Bauer selbst hatte ein Bild von sich gezeichnet, nachdem er während der NS-Zeit im inneren Widerstand war, höchstens ein Mitläufer und selbst dazu gezwungen. Steinbichlers schreibt sogar, Bauer sei "ständig mit dem KZ bedroht" gewesen. Wiesmaier hat aber keine Bestätigungen für diese Geschichten gefunden. Ganz im Gegenteil: Bauer erscheint vielmehr als ein Opportunist, der sich als Blut-und-Boden-Autor wie als rassistischer Kriegspropagandist darauf verstand, die ganze Klaviatur des nationalsozialistischen Wahnsinns zu bedienen.

Wiesmaier weist überzeugend nach, wie Bauer nach kleinen Anfangsproblemen mit den Nazi sehr schnell zu deren großer Zufriedenheit tätig war. Bauer hatte, das zeigte sich auch nach 1945, in jedem Fall das Talent, sich nicht nur ganz rasch in die bestehenden Verhältnisse einzufinden, sondern von ihnen zu profitieren. Wiesmaier zeigt, wie erfolgreich Bauer als Autor in den NS-Zeit war und wie sehr man ihn schätzte. Er verdiente nicht nur eine Menge Geld, sondern wurde auch in Radiobeiträgen und im NSDAP-Parteiorgan "Völkischer Beobachter" als einer der besten Schriftsteller seiner Zeit gefeiert.

Zu den bereits seit Arthur Dittlmanns Radiosendung der Öffentlichkeit bekannten Textpassagen, die Bauer als rassistischen Kriegspropagandisten ausweisen, hat Wiesmaier eine besonders bezeichnende Neuentdeckung geliefert. Bauer hat drei Mal Beiträge für die Zeitschrift "Zucht und Sitte" geschrieben. Bei dieser Zeitschrift handelt es sich um ein übles Machwerk, das sich ganz der Verbreitung des Rassenwahns und nationalsozialistischer "Lebensgesetze" verpflichtet hatte.

Ein Höhepunkt der Karriere des vielfältigen NS-Autor Bauer ist aber schließlich die Verleihung des "Ehrenpreis für das bäuerlich gebundene Schrifttum der Gegenwart" im Jahr 1944, den er, verbunden mit einem Preisgeld in Höhe von 10 000 Reichsmark, von NS-Reichsbauernführer Herbert Backe in Goslar überreicht bekam. Nach 1945 wird Bauer davon nichts mehr berichten, wie über so vieles, was er in den zwölf Jahren seit 1933 getan hatte.

Am Ende schreibt Wiesmaier: "Bei meinen umfangreichen Recherchen über Bauer habe ich keinen einzigen Satz des Autors gefunden, in dem er sich selbstkritisch mit seinem Verhalten während des Nationalsozialismus auseinandersetzt. Im Gegenteil, er sah sich - entgegen aller Tatsachen - als Opfer des NS-Regimes".

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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