Lokalgeschichte:Dorfener Komödienstadl

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Georg Lohmeier wurde mit seinen Drehbüchern für das "Königlich Bayerische Amtsgericht" bekannt. Die Dorfener Stadterhebung verlegte er in einer Komödie in den fiktiven Ort Geiselbach. (Foto: Robert Haas)

Zur Stadterhebung gibt es ein bereits 1965 verfilmtes Drehbuch von Georg Lohmeier. Es erneut zum Jubiläum als Theaterstück aufzuführen, ist schwierig

Von Thomas Daller, Dorfen

Dorfen feiert heuer 70 Jahre Stadterhebung. Das war aus damaliger Sicht nicht unumstritten. Der Markt Dorfen zählte lediglich 4145 Einwohner, als am 20. November 1954 der bayerische Innenminister Wilhelm Hoegner bei einer Feierstunde im Streibl-Saal den Ort in den Kreis der Städte erhob. Der Ort war bäuerlich-handwerklich strukturiert, von urban konnte keine Rede sein. Die Erhebung hing vor allem mit Hoegner zusammen, der den Spitznamen "Wilhelm der Städtegründer" erhielt und der, salopp formuliert, in seiner Amtszeit alles zur Stadt erhob, was nicht bei drei auf den Bäumen war.

Auch in Dorfen selbst waren Bürgerschaft und Rat gespalten, ob dieses Prädikat Fluch oder Segen sei. Die politische Entscheidung fiel mit acht zu sieben Stimmen denkbar knapp aus. Die Umstände inspirierten den Dorfener Schriftsteller und Drehbuchautor Georg Lohmeier zu dem Stück "Die Stadterhebung", das 1965 für den Komödienstadl des Bayerischen Rundfunks verfilmt wurde. Zum Jubiläum war eine Neuaufführung als Theaterstück geplant, frei nach Lohmeier. Weil jedoch eine freie Interpretation mit den Urheberrechten schwierig vereinbar war, kommt nun ein neues, aber umso geschichtsträchtigeres Stück zur Aufführung.

Die alte Schwarz-Weiß-Verfilmung der Komödie kann man im Archiv des BR streamen. Toll besetzt mit den damals beliebten Volksschauspielern Maxl Graf, einer noch jungen Erni Singerl, Fritz Straßner und Ludwig Schmid-Wildy. "Die Stadterhebung" ist mit einem Romeo-und-Julia-Plot angelegt, aber mit einem Happy End: Ein Bürgermeister, der über die Kommunalpolitik seinen Friseurladen vernachlässigt, und ein reicher Brauereibesitzer bekämpfen sich aufs Äußerste. Am meisten leiden darunter die Kinder, denn die sind ineinander verliebt.

Die Geschichte ist aus heutiger Sicht ganz nett, aber schon ein bisschen angestaubt. Zudem spielt sie in einem fiktiven Ort namens Geiselbach, obwohl starke Bezüge zur Dorfener Geschichte erkennbar sind. Andreas Schweiger, Vorsitzender des Dorfener Trachtenvereins "Die Stoarösler" hatte die Idee, das Stück zum Jubiläum neu aufzuführen, aber eben "frei" nach Lohmeier, historisch genauer, mehr Dorfen, weniger Geiselbach.

Die Witwe von Georg Lohmeier legte ihr Veto ein

Für so ein Skript gibt es in Dorfen einen erfahrenen Autor: Wolfgang Lanzinger, beruflich Konrektor des Gymnasiums, ehrenamtlicher Vorsitzender des Historischen Kreises, maßgeblicher Autor des Dorfener Heimatbuches und Verfasser witziger Sketche für Faschingsveranstaltungen und Starkbier-Derblecken. Schweiger fragte an, Lanzinger sagte zu. Allerdings unter der Prämisse, dass die Stoarösler die Urheberrechte mit der Lohmeier-Witwe Eleonore klären.

Diesen Part der Vereinbarung haben die Stoarösler ein bisschen verpennt. Bis sie das Gespräch mit Eleonore Lohmeier gesucht hatten, hatte sie bereits von Dritten von dem Vorhaben erfahren und war not amused, dass das über ihren Kopf hinweg geplant wurde. Zudem pochte sie darauf, dass ihr verstorbener Mann immer auf Werktreue bestanden habe. Er wäre zu Lebzeiten nicht einverstanden gewesen. Die Witwe legte ihr Veto ein.

Lanzinger hatte unterdessen in den Weihnachtsferien das Stück bereits nach den Kriterien "frei nach Lohmeier" umgeschrieben. In den Osterferien musste er dann noch einmal ran und den Blick durch Lohmeiers Brille komplett herausnehmen.

Der Brauereibesitzer treibt eine Schafherde durch die Innenstadt

Das mag der Story nicht geschadet haben: Die Dorfener Geschichte ist unterhaltsam, wie beispielsweise die Anekdote vom Brauereibesitzer Bachmayer zeigt, der damals seine Schafherde durch die Innenstadt trieb, um den Dorfenern ihre bäuerliche Provinzialität vor Augen zu halten. Oder die Geschichte von den Unterhändlern, die beim Besuch der Gegenseite, um sie umzustimmen, böswillig betrunken gemacht wurden. Auch die entscheidende damalige Gemeinderatssitzung, die bei Lohmeier fehlt, wird erstmals nachgespielt.

Es ist dennoch ein Theaterstück, kein Geschichtsunterricht. Lanzinger betont, dass er sich künstlerische Freiheiten genommen habe. Nicht jedes Zitat sei verbürgt, weil auch die Quellenlage sehr übersichtlich sei.

Die Stoarösler ackern sich gerade durch das mittlerweile fertig gestellte Drehbuch, erörtern Kulissen und wer welche Rolle übernimmt. Im Herbst soll die Aufführung stattfinden, ein genauerer Termin steht noch nicht fest. Der Ort schon: die Grundschule am Mühlanger. Man könnte dann mal wieder die Schulbank drücken.

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