Große Hitze - kleine Knollen:Der Kartoffel setzt das Klima zu

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Georg Deischl bei der Kartoffelernte auf einem Feld bei Niederding. Die Hitze hat das Wachstum der Knollen gebremst. (Foto: Stephan Görlich)

Noch fahren die Kartoffelbauern im Landkreis gute Ernten ein, aber auch sie blicken besorgt in die Zukunft.

Von Thomas Daller, Erding

Den Landwirten im Süden Bayerns geht es gut, im trockenen Franken sieht es schon anders aus. Nach einer guten Getreideernte bangt man nun um die Kartoffel. Für sie war es eigentlich zu heiß und zu trocken. Im Landkreis Erding erwartet man dennoch eine gute Ernte, aber die exorbitant gestiegenen Preise für Düngemittel, Pflanzenschutz und Diesel schmälern den Ertrag. Und man hofft für die Zukunft auf hitzebeständigere Sorten, denn ab 28 Grad stellen die Knollen ihr Wachstum ein.

Georg Deischl hat einen Betrieb in Oberding. Er ist 34 Jahre alt und lebt dort mit seiner Frau, zwei Kindern, mit dem Opa und dessen Lebensgefährtin. Die Familie betreibt den Kartoffelanbau bereits in der fünften Generation. Sie ist die Hauptfrucht des Bauernhofs und nimmt etwa ein Drittel der gesamten Fläche ein, rund 40 Hektar.

Bei den Böden ist der Landkreis zweigeteilt: Im Osten können die tiefen, lehmgründigen Böden das Wasser gut speichern, dort wird überwiegend Mais und Getreide angebaut. Im Westen, in der Münchner Schotterebene, sind sie lockerer und luftdurchlässiger, optimal für Kartoffeln und Gemüse.

Corona hat den Pommes-Absatz deutlich verringert

Überregional haben die Kartoffelbauern schwierige Jahre hinter sich. Seit 2018 hat es jedes Jahr unterdurchschnittlich geregnet. 2020 kam auch noch Corona und die Gastronomie musste wiederholt schließen. Die Wirte sind jedoch wichtige Abnehmer für Pommes und vorgefertigten Kartoffelsalat, zuhause kochten die Konsumenten eher Nudeln. Aber mittlerweile habe sich der Markt wieder eingependelt, sagt Deischl.

Wasserhaltung und Hitze werden künftig eine zentrale Rolle spielen, wie es mit Pommes und Kartoffelsalat weiter geht. Deischl bewässert seine Kartoffeln und hat auch eine Genehmigung dafür. Aber mit Blick auf die Anbauflächen im Mittelmeerraum macht er sich Sorgen, dass seine Wasserbefugnis keine ewige Bestandsgarantie hat: "Wer entscheidet, wenn es hart auf hart kommt?"

Im Boden kann es 40 bis 60 Grad heiß werden

Und dann ist da noch die Hitze. Eine Kartoffelknolle im Boden stellt bei 28 Grad das Wachstum ein. Gemessen im Schatten. Im unbeschatteten Erdreich erreicht die Bodentemperatur dann 40 bis 60 Grad. "Dass dann nichts mehr wächst, ist auch klar", sagt Deischl. Künftig werde man hitzeresistentere Sorten benötigen, aber auch Zuchterfolge könnten keine Wunder vollbringen.

Bereits jetzt ist die Situation im Kartoffelanbau auch aus finanzieller Hinsicht schwieriger geworden. "Die Preise sollten deutlich höher sein, denn die Kosten sind immens gestiegen", sagt Deischl. Alles sei teurer geworden, Dünger, Kraftstoff, Pflanzenschutzmittel, Verpackungsmaterial oder Wartungskosten. Und das könne man nicht an den Markt weitergeben, sondern es schmälert das Betriebsergebnis.

Agrar-Photovoltaik könnte eine Lösung sein

Wie wappnet man sich, wenn die Temperaturen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch höher steigen? In der Branche wird über Agrar-Photovoltaik diskutiert: Solaranlagen auf dem Acker sollen dabei sowohl Strom erzeugen als auch Gemüse und Kartoffeln beschatten. Anfang Juli hat der Bundestag eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beschlossen. Darin steht, dass Agri-PV fortan auch auf Grünland erlaubt ist. Und für die Kombination von Kollektor und Kartoffel oder Grünland werden auch weiterhin die für Landwirte lebenswichtigen Flächenprämien ausgezahlt. Das bedeutet: Agrar-Photovoltaik ist auch juristisch als Landwirtschaft zu betrachten, nicht als Kraftwerksbau.

"Die Landwirtschaft ist immer bereit für Innovationen", sagte Deischl. "Wir haben die ersten Photovoltaikanlagen aufgestellt und Biogas geliefert." Er selbst habe auch eine PV-Anlage auf dem Dach. Er könne sich gut vorstellen, dass eine Beschattung den Kartoffeln gut tun könne, sie sei ja ein Nachtschattengewächs. Die Frage sei jedoch, ob sich Agri-PV im Landkreis Erding rentiere, denn hier seien die Äcker eher klein strukturiert. "Es muss sich auch rechnen."

Vielleicht wachsen hier bald Paprika statt Kartoffeln

Die Szenarien für die Zukunft sind vielfältig, es könnte auch sein, dass sich aufgrund des Wassermangels Anbauflächen im Mittelmeerraum erschöpfen und die Gemüseregale der Discounter mit Tomaten oder Paprika aus der Region befüllt werden müssen. Grundsätzlich kann sich auch Deischl vorstellen, hier mit einzuspringen, mit Gewächshäusern sei das ja bereits der Fall.

Aber er hegt auch die Befürchtung, dass diese Dürren der südlichen Länder mit einer temporären Verschiebung von 25 oder 30 Jahren auch in unseren Breitengraden ankommen. Ob er später einmal seinen Kindern empfehlen könne, den Hof zu übernehmen, sei daher schwierig zu sagen. "Ich möchte nicht derjenige sein, der mit der Familientradition bricht, aber die Landwirtschaft steht jetzt schon so am Pranger, obwohl wir von früh bis spät werkeln und beste Lebensmittel auf höchstem Standard erzeugen."

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