Landgericht Landshut:Flüchtling gesteht Mord mit 21 Messerstichen

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Der Angeklagte Mohammed S. sitzt im Gerichtssaal des Landgerichts in Landshut. Er hat gestanden, seinen Mitbewohner niedergestochen zu haben. (Foto: dpa)

Der Mann aus Somalia hat in Dorfen seinen Mitbewohner getötet. Im Prozess nimmt er alle Schuld auf sich. Der Tat waren schwere Konflikte vorausgegangen.

Von Mathias Weber, Landshut

Am Landgericht Landshut hat der Prozess gegen den 38-jährigen Mohamed S. begonnen, der im Februar in einer Dorfener Flüchtlingsunterkunft seinen Zimmergenossen so schwer mit einem Messer verletzt haben soll, dass er daraufhin starb. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf Mord. In der Anklageschrift heißt es, dass dem gebürtigen Somalier S. bewusst gewesen sein müsse, dass er durch einen "urplötzlichen Messerangriff" den ahnungslosen und deshalb schutzlosen Mitbewohner überraschte. Er wird daher beschuldigt, heimtückisch einen anderen Menschen getötet zu haben.

Schon bei seiner ersten Vernehmung durch die Dorfener Polizei in den frühen Morgenstunden des 21. Februars, eines Sonntags, hatte Mohamed S. die Tat zugegeben. Auch am ersten Verhandlungstag wiederholt er das Geständnis: Durch seinen Pflichtverteidiger lässt S., der nur wenig deutsch spricht und auf eine Übersetzerin angewiesen ist, eine Erklärung verlesen. S. räumt ein, für den Tod seines Zimmergenossen allein verantwortlich zu sein. Er bereue seine Tat zutiefst und wisse, was er der Familie des Opfers angetan habe. Er sei sich bewusst, dass er nun zur Rechenschaft gezogen werde.

Auch wenn kein Zweifel daran besteht, dass Mohammed S. auf seinen 20-jährigen Mitbewohner Nfally Biayes eingestochen und ihn dadurch getötet hat - der genaue Tathergang lässt sich nur schwer rekonstruieren. Einige Aussagen von S., die er kurz nach der Tat gemacht hatte, widersprechen denjenigen vom ersten Verhandlungstag. Dies könnte aber auch der Übersetzung geschuldet sein. Mithilfe der Zeugen der Dorfener Polizei, der Erdinger Kripo und Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft hat sich aber im Verlauf des Verhandlungstages ein einigermaßen klares Bild ergeben.

Mohamed S. lebte demnach seit Mitte 2015 in der Container-Flüchtlingsunterkunft am Bahndamm in Dorfen. Als junger Mann flüchtete er nach dem Tod seiner Eltern aus seiner Heimat über Äthiopien und Libyen nach Italien. Er lebte einige Jahre in Italien. Später wollte er in Belgien, Schweden und Deutschland Asyl beantragen. Bevor er nach Dorfen kam, lebte S. in einer Unterkunft in Eittingermoos.

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Von Anfang an teilte sich S. ein Zimmer mit Nfally Biayes, einem Senegalesen. Verständigt haben sie sich, wie S. sagte, "mit ein bisschen Deutsch und mit ein bisschen Englisch". Außer ihm gab es nur einen anderen Somalier in der Unterkunft, er habe keine Freunde und nur wenige Bekannte gehabt. Mit Biayes sei es in der ersten Zeit gut gegangen, später habe es aber Probleme gegeben. Sein Mitbewohner und andere Bewohner der Unterkunft hätten ihn gemobbt, ihn im Schlaf getreten. Streit hatte sich immer wieder an der Frage entzündet, ob ihr Zimmer in der Nacht abgeschlossen werden sollte. S. wollte das so, Biayes habe sowieso meistens in einem anderen Zimmer übernachtet.

Am 20. Februar, dem Samstag vor der Tat, war der Streit in den frühen Morgenstunden fast eskaliert. Die Polizei kam und versuchte zu schlichten. Biayes machte die Polizisten auf ein Messer aufmerksam, das S. gehörte. Die Beamten konfiszierten es. S. sei ruhig gewesen, sein Mitbewohner eher aufbrausend, erinnert sich ein Beamter. Schließlich wurde angeregt, das Landratsamt einzuschalten und den beiden neue Zimmer zuzuweisen. Das Fax war schon geschrieben.

Der Vorschlag kommt zu spät. In der Nacht kurz nach Mitternacht schläft Mohamed S. in seinem abgeschlossenen Zimmer, sein Mitbewohner will hinein und klopft. Er öffnet, die beiden streiten; aber Biayes verschwindet, S. legt sich wieder schlafen. Wenige Minuten später wiederholt sich der Vorfall, Biayes klopft laut. In der Zwischenzeit hat Mohamed S. sein Klappmesser aus der Hosentasche geholt; er öffnet die Tür und sticht zu. Zwei, drei Mal in den Brustbereich, Biayes fällt auf seinen Angreifer. Mohamed S. hat vor Gericht angegeben, dass er sich nach den ersten Stichen an nichts mehr erinnern könne. Später werden an dem Opfer 21 Stiche im Brust-, Hals- und Rückenbereich gezählt. Ein Stich in den Herzbeutel und die linke Herzkammer war tödlich, zwei weitere in die Lunge wären es auch gewesen. Sanitäter können das Leben des Senegalesen nicht retten. "Meine Absicht war nicht, ihn zu töten", sagt Mohamed S. vor Gericht.

Nach der Tat hat sich Mohamed S. in Boxershorts und mit einem Pulli bekleidet vor die Unterkunft begeben. In diesem Moment, gegen 0.40 Uhr, fahren die herbeigerufenen Polizisten den Schotterweg zur Unterkunft vor; im Scheinwerferlicht erkennen sie Mohamed S., mit erhobenen Händen, blutverschmiert und ein Messer in der Hand. Das Messer hat er sofort vor sich hingeworfen, er hat sich nicht gewehrt. Aber geschrien habe er etwas, wie die Beamten sagten: "It's all over, I killed you!" "Es ist vorbei, ich habe dich umgebracht!"

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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