Eigentlich sollten an jenem Abend im November 2022 "nur" 600 Gramm Marihuana, 50 Gramm Haschisch und 15 Gramm Kokain ihren Besitzer wechseln. Doch was sich dann in einem verlassenen Abbruchhaus in Dorfen ereignete, war kein bloßer Drogenhandel mehr, sondern eine Art Gewaltorgie. Vier Jugendliche, beziehungsweise junge Männer aus dem Landkreis Erding, die sich seit Freitag vor der Jugendkammer des Landgerichts Landshut unter Vorsitz von Richterin Michaela Wawerla verantworten müssen, hatten offenbar beschlossen, ihre zwei "Handelspartner" auszurauben - und richteten diese dabei laut Anklage übel zu.
Die Angeklagten - zwei heute 19-Jährige, ein 18-Jähriger und ein 17-Jähriger - waren offenbar zu viert statt wie ausgemacht nur zu zweit in dem Abrisshaus erschienen. Einer hatte einen Schlagring dabei, ein anderer ein Messer. Ziel des Quartetts war es nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft, genannte Drogen nicht zu kaufen, sondern sie einem 17-Jährigen und einem 23-Jährigen, die im Sommer bereits wegen Rauschgifthandels zu einer Jugendfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten und einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt worden sind, gewaltsam wegzunehmen.
Das hatte nicht nur für die beiden Ausgeraubten böse Folgen, sondern auch für deren Freund, der eigentlich nur als Fahrer agierte und zum Tatort eilte, als es dort zu einer körperlichen Auseinandersetzung kam und er Schreie hörte. Der Fahrer wurde, so der Vorwurf, von zwei der Angeklagten niedergeschlagen, ehe einer von ihnen, ein 18-Jähriger aus Erding, ein Messer zückte. Dieses rammte er laut Anklage seinem am Boden liegenden Opfer seitlich in den Oberkörper und verletzte den jungen Mann an der Lunge. "Die Verletzung des linken Lungenflügels stellte sich als konkret lebensbedrohlich dar", heißt es in der Anklageschrift. Der Fahrer konnte jedoch noch flüchten und seinen Vater verständigen, der ihn ins Krankenhaus brachte. Wäre er dort nicht sofort ärztlich behandelt worden, "hätte die Stichverletzung jederzeit tödlich enden können", schreibt die Staatsanwaltschaft.
Auch die beiden anderen Geschädigten erlitten bei der Schlägerei in dem verlassenen Haus erhebliche Verletzungen. Sie sollen, so der Vorwurf, von zwei der Angeklagten mit einem Schlagring, Faust- und Ellbogenschlägen sowie Fußtritten gegen den Kopf attackiert worden sein. Eines der Opfer erlitt unter anderem eine offene Fraktur des Augenhöhlenbogens und eine Fraktur an der linksseitigen Augenhöhlenwand. Der andere junge Mann trug laut Anklage "multiple Prellmarken, ein Schädelhirntrauma ersten Grades, eine nicht dislozierte, blutige Nasenbeinfraktur und nicht unerhebliche Schmerzen in den besagten Körperregionen" davon.
Die Verständigungsgespräche haben noch zu keinem Ergebnis geführt
In der Summe kommen für die Angeklagten eine ganze Menge an Vorwürfen zusammen: Besonders schwerer Raub, bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und gefährliche Körperverletzung. Dazu kommt bei zwei von ihnen noch der Besitz beziehungsweise das Weiterleiten von kinderpornografischen Inhalten, weil entsprechende Bilder auf ihren Handys gefunden wurden. Der 18-jährige Erdinger, der zur Tatzeit noch 17 war, ist zudem wegen versuchten Mordes angeklagt.
Der Prozessauftakt am Freitag war in erster Linie geprägt von einem offenbar zähen Ringen um einen so genannten "Deal". Mehr als zwei Stunden lange rangen das Gericht, die Staatsanwältin, die Verteidiger sowie die Anwälte der als Nebenkläger fungierenden Opfer hinter verschlossenen Türen um eine Verständigung. Für den 18-Jährigen etwa stellte die Kammer bei einem Geständnis für den versuchten Mord und die anderen Anklagepunkte eine Jugendstrafe zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Jahren in Aussicht, wie die Vorsitzende hinterher verkündete. Offenbar sind alle vier Angeklagten prinzipiell willig, ein Geständnis abzulegen. Bisher hätten die Verständigungsgespräche, so die Richterin, aber noch zu keinem Ergebnis geführt. Der Prozess wird fortgesetzt.