Gefährlicher Job:In der Isen blitzt und raucht es

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Industrietaucher Peter Späth schneidet die Spundwände des Mittelpfeilers der neuen B15-Isenbrücke ab, wo nächste Woche die Betonfertigteile eingehoben werden sollen. (Foto: Renate Schmidt)

Drei Industrietaucher sind an der Baustelle der B15-Brücke und schneiden unter Wasser die Spundwandbohlen des Mittelpfeilers ab. Danach können die Betonfertigteile eingehoben werden.

Von Thomas Daller, Dorfen

Ein Team von drei Industrietauchern ist seit gestern an der Baustelle der Isenbrücke im Einsatz. Sie schneiden unter Wasser die Spundwände ab. Das gehört zu den Vorbereitungen, damit nächste Woche die Betonfertigteile eingehoben werden können. Die Sicht macht den Tauchern zu schaffen, denn Schlamm und Sedimente hätte das Bauteam bereits vor Tagen wegspülen sollen. Ihren Termin können die Taucher dennoch halten: "Schlimmstenfalls hängen wir noch einen Tag dran", sagt Peter Späth.

Späth, Tobias Mario und Krauser Kristofik bilden das dreiköpfige Team der Firma Hydrowork aus Hallbergmoos. Ihr Job ist es, die Spundwandbohlen des Mittelpfeilers der neuen B15-Isenbrücke knapp oberhalb des Isenbettes abzuschneiden. Die darunterliegenden Abschnitte verbleiben im Boden. Sie sind Bestandteile der Gründung des Mittelpfeilers und schützen diesen vor Auswaschung. Die darüber liegenden Teile werden entfernt. Voraussichtlich am 30. November und 1. Dezember werden dann die 14 Beton-Fertigteile angeliefert und von einem 400-Tonnen-Autokran eingehoben.

Letzte Vorbereitungen für den Tauchgang. (Foto: Renate Schmidt)

Bei den Schneidearbeiten kommen Brennschneidelektroden und ein Schweißgerät zum Einsatz. Das Schweißgerät wird an der Spundwand kurzgeschlossen, und Sauerstoff durch die Elektroden geleitet. Die Temperatur schmilzt dann den Stahl der Spundwände. Zwei bis drei Tage sind eingeplant. Für Späth eigentlich kein Problem: "Normalerweise mache ich zehn Laufmeter in der Stunde." Doch er hat auch mit zehn Zentimeter Sicht gerechnet, aktuell ist sie aber gleich null. Das wird besser, sobald die ersten Schnitte durch sind und die Strömung dann den Schlamm wegspülen kann.

Einer steht als Reservetaucher bereit, falls ein Notfall eintritt

Bis zu acht Stunden oder zumindest bis er auf die Toilette muss, könnte Späth unter Wasser bleiben. Aber die drei Taucher wechseln sich alle zwei bis zweieinhalb Stunden ab. Die anderen beiden drehen derweil nicht Däumchen. Einer steht als Reservetaucher bereit, wenn ein Notfall eintritt. Wenn Späth beispielsweise einen Herzinfarkt erleiden sollte. Der zweite ist der Einsatzleiter, der über das Tauchtelefon mit Späth kommuniziert.

An seinem Arbeitsplatz ist das Wasser zwei bis 2,20 Meter tief. Wenn er nichts sieht, muss er sich ganz auf sein Tastgefühl verlassen. Ein Tastgefühl, das durch zwei Lagen dicker Handschuhe funktionieren muss. Einen Gummihandschuh auf der Haut, darüber noch einen aus dickem Neopren. Sein Taucheranzug ist allerdings nicht aus Neopren, sondern aus Gummi. Damit sei man beweglicher.

Neben dem Taucheranzug trägt er auch noch circa 50 Kilogramm auf den Schultern, damit er nicht auftreibt

Doch die Beweglichkeit ist relativ und die körperliche Belastung hoch. Neben dem dicken Taucheranzug trägt er auch noch eine Reserveflasche, einen Taucherhelm und 40, 50 Kilogramm auf den Schultern, damit er nicht auftreibt. Hinzu kommt der erhöhte Widerstand des Wassers.

Die Einsatzorte von Industrietauchern sind vielfältig und reichen von Kläranlagen über Trinkwasserkanäle bis hin zu Orangensafttanks. "Alles, was flüssig ist", sagt Späth. Das Hauptgeschäft sei derzeit die Sanierung von Bohrköpfen bei Tunnelbohrmaschinen, wie sie beim Bau der Stammstrecke in München zum Einsatz kommen, und wo das Grundwasser sehr hoch steht.

Nach dem Tauchgang muss er sich strikt an die Dekompressionszeiten halten

Späth darf bis zu einer maximalen Tiefe von 50 Metern tauchen, beim Auftauchen muss er sich aber dann an die Dekompressionszeiten halten, um keinen gesundheitlichen Schaden zu erleiden. Längere Aufenthalte unter Wasser nennt er "Sättigungstauchen": Dabei wird man mit einem Shuttle zu einem Container unter Wasser gebracht, der eine Druckkammer, Tisch, Betten und Toilette enthält. Von dort aus kann man dann 20 Tage arbeiten, benötigt aber danach fünf Tage Dekompression, bis man wieder an die Oberfläche darf.

Der Beruf des Tauchers sei erlernbar, Voraussetzung sei ein Handwerksberuf, gesucht seien Mechaniker oder Schweißer. Dann arbeite man in einem Tauchunternehmen und absolviere verschiedene Lehrgänge in Medizin, Technik, Ausrüstung oder Organisation. Danach könne man die IHK-Prüfung zum Taucher ablegen. Ferner gebe es noch die militärische Laufbahn. Späth war Marine- und Pioniertaucher.

Peter Späth schlüpft in seine Taucherhandschuhe. (Foto: Thomas Daller/oh)

Er ist jetzt 55 und will weiter tauchen, solange es ihm Spaß mache. Und der Spaß dabei sei die Abwechslung, "ich erlebe immer neue Situationen". Der Job sei "reisefreudig", nächste Woche ist er in Hamburg im Einsatz, dann geht es nach Doha und weiter nach China. Dieses "Trapperleben" müsse man auch mögen, sagt er. "Wir brauchen immer Personal, denn wir haben tierische Nachwuchsprobleme." Dabei sei der Job gut bezahlt. Mit Zulagen für erschwerte Arbeit komme man auch mal auf 10.000 Euro und mehr im Monat. "Wir haben auch Kolleginnen", sagt Späth. Frauen seien ebenfalls in der Branche gesucht.

Er drückt seinen Zigarillo aus und schlüpft in den Taucheranzug. Die Kollegen helfen ihm, die Handschuhe anzuziehen und den Helm aufzusetzen. Mit einem langen Schlauch wird er an eine Sauerstoffflasche angeschlossen und auch sein Werkzeug wird verkabelt. Man hört ihn noch durch das Tauchtelefon atmen, es klingt wie Darth Vader unter dem Helm. Telefon- und Luftverbindung werden noch einmal gecheckt, dann steigt er über eine Leiter in die trübe Isen. Nun sieht man nur noch Funken unter Wasser und Rauch, der nach oben steigt. Smoke on the Water.

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