Energiewende:"Wir wollen keine Investorengemeinschaft sein"

Lesezeit: 3 min

Wind und Sonne sind die Energielieferanten der Zukunft. Hier im Bild ein Windrad im Wald bei Welshofen in der Gemeinde Erdweg im Landkreis Dachau. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Bürgerenergie Isental will zur Genossenschaft werden, um mit vereinten Kräften die regionale Stromproduktion selbst in die Hand zu nehmen. Das Interesse ist groß. Mitglieder könnten später von günstigen Genossenschaftstarifen profitieren.

Von Florian Tempel, Isen

Aus der losen Siebener-Gruppe ist bereits ein richtiger Verein mit dem programmatischen Namen "Bürgerenergie Isental" geworden, nun soll möglichst bald der nächste Schritt folgen. Das präferierte Ziel, sagt der Vereinsvorsitzende Heiko Koxholt, ist die Gründung einer regionalen Genossenschaft, die den Bau von Wind- und Photovoltaik-Energieanlagen in den Gemeinden Isen, Lengdorf, Buch und Sankt Wolfgang realisiert.

Doch Koxholt ist vorsichtig, weist im Gespräch mit der SZ immer wieder darauf hin, dass es am Ende vielleicht doch eine andere Unternehmensform werde. Noch sei so viel offen, eine Menge Fragen zu klären und das Interesse und die Präferenzen der Menschen im Isental abzuwarten. "Es ist noch keine finale Entscheidung gefallen", betont Koxholt.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Das Interesse an der Idee einer Bürgerenergie-Genossenschaft scheint allerdings vielversprechend. Zur ersten öffentlichen Infoveranstaltung in Isen kamen etwa 150 Menschen. Mit so vielen hatten Koxholt und seine Mitstreiter nicht gerechnet. Den Isener Rathaussaal hatten sie mit 90 Sitzplätzen bestuhlt. Angesichts des unerwarteten Andrangs musste schnell die Trennwand zum Foyer des Rathauses geöffnet werden, damit alle Interessierten an der Veranstaltung teilnehmen konnten. Ein paar Tage darauf war man in Lengdorf zu Gast in einer Gemeinderatssitzung. Im September geht es in Sankt Wolfgang weiter und auch in Buch werden die Ideen, Berechnungen und Konzepte der Bürgerenergie Isental bald öffentlich vorgestellt.

"Es geht nicht darum, irgendwem Konkurrenz zu machen."

Die Menschen in den vier Gemeinden sind die Zielgruppe des Vereins, weil die vier Kommunen ein Stromnetz eint, das die Kraftwerke Haag betreiben. Isen, Lengdorf, Buch und Sankt Wolfgang bilden so gesehen eine gemeinsame Strom-Region. Das Ziel der Pläne ist der Aufbau einer regionalen Stromerzeugung, wobei es "nicht darum geht, irgendwem Konkurrenz zumachen, sondern darum, die Energiewende voranzubringen", sagt Koxholt.

Anderswo gibt es bereits Bürgerenergie-Genossenschaften, etwa im Landkreis Freising und in Pfaffenhofen. Koxholt räumt ein, dass das Vorbilder und Beispielgeber für seinen Verein seien. In einer Genossenschaft haben alle Mitglieder das gleiche Stimmrecht, in einer Kapitalgesellschaft hat hingegen der mehr zu sagen, der mehr Geld einbringt. Man präferiere deshalb die Genossenschaft als Unternehmensform, "weil wir nicht eine Investorengemeinschaft sein wollen".

Das Bürger-Windrad in Kammerberg im Landkreis Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Allerdings wäre es, auch nach dem Beispiel anderer Bürgerenergie-Genossenschaften, durchaus wahrscheinlich, dass man zusätzlich eine GmbH& Co KG gründen werde, an der die Genossenschaft die Mehrheit hält. Diese GmbH würde sich leichter tun, die vielen Millionen Euro etwa für den Bau einer Windkraftanlage zusammen zu bekommen.

Warum aber sollte man überhaupt Mitglied einer Bürgerenergie-Genossenschaft werden? Darauf hat Koxholt mehrere Antworten. Zum einen werde so eine breite Basis geschaffen, die positiv den Ausbau von Energieanlagen voranbringt. Es gehe auch um ideelle Unterstützung. Zum anderen können die Genossenschaftsmitglieder - das sei zumindest ein Ziel - auch direkt profitieren, wenn es zur Stromproduktion komme. Manche anderen Bürgerenergie-Genossenschaften sind selbst auch zu Stromversorgern geworden, gewissermaßen wie kleine Stadtwerke. Die Genossen würden dann zu ihren eigenen Kunden, die sich mit günstigem Strom selbst versorgten. Ein zweiter möglicher Weg sei, in Kooperation mit existierenden Versorgungsunternehmen einen eigenen Tarif speziell für Genossenschaftsmitglieder aufzulegen. Doch das alles, betont Koxholt, seien bislang nur Beispiele und Überlegungen.

"Es geht nicht mehr darum, ob Windkraftanlagen gebaut werden, sondern wer sie baut."

Das Tempo beim Ausbau von erneuerbaren Energien muss nicht nur angesichts des fortschreitenden Klimawandels erhöht werden. Auch gesetzliche Vorgaben verlangen das, wie die Verpflichtung durch das Wind-an-Land-Gesetz, laut dem in Bayern 1,1 Prozent der Landesfläche bis 2027 und 1,8 Prozent der Fläche bis Ende 2032 als Windkraftanlagen-Standorte ausgewiesen werden müssen. Der Regionale Planungsverband will bis Herbst die Vorranggebiete rund um München festlegen. Auch der Bau von großen Photovoltaik-Freiflächenanlagen schreitet aktuell voran. "Wir wollen rechtzeitig dabei sein", sagt Koxholt, "es geht nicht mehr darum, ob PV-Großflächen und Windkraftanlagen gebaut werden, sondern wer sie baut." Windräder werden zu privilegierten Bauvorhaben, gegen die Kommunen gar nichts mehr einwenden können, sofern alle formalen und inhaltlichen Bedingungen eine Genehmigung erlauben. Sobald die Vorrangflächen ausgewiesen sind, kann man ein Windrad beantragen.

Allgemein wird erwartet, dass der Planungsverband im Landkreis Erding die Flächen als Windkraft-Vorrangflächen festlegen wird, die bereits vor zehn Jahren in einer konzertierten Aktion der 26 Kommunen in einem Teilflächennutzungsplan ausgewiesen werden sollten. Auch die Bürgerenergie Isental hat mehr oder weniger genau diese Flächen unter Berücksichtigung alle nötigen und geltenden Abstände zu Bebauung und zum Beispiel zu Radaranlagen als potenzielle Standorte für große Windräder bestätigt. Neu dürften nur zwei Standorte in Isen sein, die 2013 noch ausgeschlossen waren, nun aber wegen einer Verkürzung des Abstands zur Wetterradaranlage in Schnaupping doch möglich sein sollten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Regionale Lebensmittelproduktion
:"Jeder nach seiner Façon"

Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, besucht die Metzgerei Stuhlberger in Wartenberg. Er ist angetan von der Kooperation mit einem Schweinemäster aus der Region - und wird zum Mitarbeiter des Tages.

Von Florian Tempel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: