Interview:"Meine älteren Schwestern waren sehr streng zu mir"

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Im Ruhestand kümmert sich der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Franz Obermeier mit Leidenschaft seinen Bienenvölkern. (Foto: Lukas Barth)

Franz Obermeier ist auf einem Bauernhof mit fünf Geschwistern und sechs Flüchtlingskindern aufgewachsen. Heute blickt der 70-Jährige auf eine glückliche Jugendzeit zurück und auf ein abwechslungsreiches Berufsleben, das ihn als CSU-Abgeordneten bis in den Bundestag geführt hat

Interview von Kathrina Aurich, Zolling

Die Kindheit auf einem Bauernhof am Rande des Ampertals hat ihn geprägt: Familiärer Zusammenhalt, arbeitsreiche Tage ohne Wochenenden und ein starker Wille waren die Grundlagen für Franz Obermeiers Karriere als CSU-Politiker. Dazu kam sicher noch ein bisschen Bauernschläue, Verhandlungsgeschick und vor allem war ihm der Kontakt zu den Menschen in seinen Wahlkreisen Freising, Erding und Pfaffenhofen wichtig. Heute blickt der 70-Jährige zufrieden zurück. Einzig sein Studienfach würde er anders wählen und statt Maschinenbauingenieur lieber Jura studieren. Denn ein großer Teil der Arbeit eines Politikers sei es, Gesetzesvorlagen durchzuarbeiten und ihre Auswirkungen genau zu erfassen.

SZ: Wenn Sie an Ihre Kindheit auf dem elterlichen Hof in Abersberg denken, was fällt Ihnen spontan ein?

Obermeier: Wir waren viele Kinder am Hof, neben meinen fünf Geschwistern waren noch sechs Flüchtlingskinder aus dem Sudetenland in Abersberg. Meine drei älteren Schwestern waren sehr streng mit mir, und da ich immer draußen unterwegs war, stellten sie mich abends in eine Blechwanne und wuschen mich mit eiskaltem Wasser. Ich musste viel arbeiten und schon morgens vor der Schule im Stall mithelfen. Wir brauchten nicht viel, hatten nie Hunger in der Nachkriegszeit. Und wir hatten Freiheit und Platz zum Spielen. Ich hatte eine glückliche Jugendzeit.

Was sagten Ihre Eltern zu Ihren Plänen, den Hof zu verlassen und nicht Landwirt zu werden?

Mein Vater war total dagegen, meine Mutter hat mich unterstützt. Als ich bei der Bundeswehr aufgrund einer Meniskusverletzung nicht genommen wurde, begann ich nach der Facharbeiterprüfung in Regensburg zu studieren.

Wie haben Sie das Studium finanziert?

Da ich in der Lehre 100 Mark im Monat verdiente und zu Hause mitarbeitete, konnte ich Einiges sparen. Meine Mutter hat mich immer, auch finanziell, unterstützt. In den Semesterferien konnte ich beim Kraftwerksbau in Anglberg mitarbeiten, zwölf Stunden täglich haben wir die Maschinen montiert, das war für mich als Maschinenbaustudent natürlich eine perfekte Übung.

Was hat Sie als junger Student bewogen, 1968 in die CSU einzutreten?

Meine Eltern standen der Bayernpartei nahe, ich habe als Student gegen die bayerische Bildungspolitik demonstriert. Das war die einzige Demo, an der ich teilgenommen habe. Und ich habe dafür gestreikt, dass unser Ingenieursabschluss europaweit anerkannt wird. Aber ich empfand die engagierten Studenten des ASTA (Allgemeiner Studentenausschuss), die eher links waren, nicht als ehrlich. Da ich mich politisch engagieren wollte, trat ich dann dem Kreisverband der CSU bei, dort fühlte ich mich aufgehoben. Zunächst sah Ihr Werdegang nicht nach einer Politikerkarriere aus.

Nein, gar nicht. Nach meinem Diplom entschied ich mich, in einem Münchner Ingenieurbüro zu arbeiten und konstruierte Hafen- und Containerkräne. Aber als 1978 die Bürgermeisterwahl in Zolling anstand, suchte die CSU händeringend einen Kandidaten. Hans Maier, damals CSU-Ortsvorsitzender, überredete mich schließlich zu kandidieren. Aber niemand glaubte ernsthaft an meinen Sieg, ich selbst auch nicht.

Es kam anders.

Ich wurde zum Zollinger Bürgermeister gewählt, hatte in meiner Firma aber noch einige Projekte am Laufen. So kam es, dass ich in der ersten Zeit als Bürgermeister morgens um 4 Uhr nach München in das Ingenieurbüro fuhr, um meine Projekte abzuschließen und dann ab 10 Uhr in Zolling arbeitete, um in meinem neuen Amt als Bürgermeister Fuß zu fassen.

Sie hatten ja in der ersten Zeit als Bürgermeister einige Brocken zu bewältigen.

Wir haben 1978 die Verwaltungsgemeinschaft (VG) Zolling gegründet, alle Mitarbeiter aus den vier Mitgliedsgemeinden übernommen und neue Strukturen aufgebaut. Die zweite große Herausforderung war der Streit um ein Grundstücksgeschäft, das die Gemeinde, also auch mich, bis ans Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe führte. Es ging um das Grundstück, auf dem die heutige Grund- und Mittelschule gebaut wurde. Der Verkäufer focht den Vertrag, der tatsächlich nicht rechtmäßig war, an und verklagte die Gemeinde. Es gelang mir, ihn in Gesprächen zu einem Vergleich zu bewegen. Das war auch ein Lehrstück, sich immer genau an Recht und Gesetz zu halten.

Was waren die Schwerpunkte Ihrer Arbeit als Bürgermeister?

Zunächst haben wir das Kanalsystem verbessert und Kläranlagen gebaut. Es wurden mehrere Baugebiete ausgewiesen, die Ortsumfahrung Richtung Haag wurde errichtet, Dorfsanierungen durchgeführt und der Tiefbrunnen samt Wasseraufbereitung entstand. Ab 1980 wurden in Zolling ein Ärztehaus und das neue Rathaus gebaut. Und natürlich haben wir die Angebote für Kinder und Jugendliche verbessert.

Kinderbetreuung - nicht gerade das Spezialthema der CSU.

Man sollte nicht alles abnicken, was die Partei vorgibt sondern kritisch hinterfragen. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass der Kindergarten länger als bis 11.30 Uhr öffnete, damit die Mütter zumindest einen Halbtagsjob in Freising machen konnten. Schließlich habe ich 1990 Roswitha Wiesheu unterstützt, das Kinderstüberl, den Hort in Zolling, zu gründen. Außerdem wurden das Jugendhaus, die Grund- und Hauptschule sowie die Gemeindebücherei errichtet. In Zolling wurde immer viel für Kinder, Schüler und Jugendliche getan, um die Familien zu entlasten. Meine Ansichten zur Familienpolitik unterschieden sich bei diesem Thema von der damals vorherrschenden Auffassung der CSU.

Was würden Sie einem jungen Bürgermeister heute raten?

Man muss mit den Bürgern immer ruhig und verständnisvoll reden, auch wenn sie sauer sind oder sich aufregen. Man muss wissen, wohin sich eine Gemeinde entwickeln soll und das vor allem auch immer wieder klar sagen.

Bei der Landratswahl gingen Sie dann davon aus, zu gewinnen. Aber es kam anders.

Ich unterlag in der Stichwahl Manfred Pointner und musste mir einen neuen Job suchen. So wurde ich Geschäftsführer eines Münchner Abfallentsorgers, eine völlig neue und ungemein interessante Herausforderung für mich. Ich entwickelte den Betrieb weiter. Mein Ziel war immer, keine Kündigungen auszusprechen, sondern Arbeitsplätze zu schaffen. Bis 2013 blieb ich Geschäftsführer.

Aber die Politik ließ Sie nicht mehr los, warum?

Ich wurde wieder gefragt, ob ich für den Bundestag kandidieren würde, - und stimmte schließlich zu. Meine beiden Kinder waren inzwischen groß und meine Frau Rosemarie unterstützte mich. 15 Jahre lang war ich dann Abgeordneter des Wahlkreises Freising-Erding-Pfaffenhofen und später Freising-Pfaffenhofen. Montags bis freitags war ich in Berlin, wir kauften uns eine kleine Wohnung, in der auch meine Frau oft zu Besuch war.

War dies nicht eine große Belastung für das Familienleben, denn gemeinsame Zeit ohne Öffentlichkeit gab es ja kaum mehr?

Meine Frau Rosemarie nahm großen Anteil an meiner Arbeit. Wir machten gemeinsam viele interessante Erfahrungen. Obwohl es oft sehr anstrengend war - die Arbeit als Abgeordneter trägt einen und gibt Kraft. Ich würde es wieder machen.

Wie bewältigten Sie das Tagesgeschäft als Bundestagsabgeordneter?

Ich hatte immer sehr gute Mitarbeiterinnen, die mich ergänzten. Meine Schwerpunktthemen waren die Energie-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Meine Berliner Mitarbeiterin kannte sich sehr gut in Sozialpolitik aus. Der Abgeordnetenjob ist ein Knochenjob, man sitzt oft ganze Nächte, um Gesetzestexte durchzuarbeiten. Gleichzeitig ist das Image bei den Bürgerin schlecht, weil sie im Fernsehen einen halb leeren Plenarsaal sehen - während wir Abgeordnete unsichtbar in Arbeitsgruppen und Ausschüssen sitzen. Das ist manchmal frustrierend. Was sagen Sie zu den TTIP-Verhandlungen?

Das geht alles viel zu schnell. Wir haben jahrelang für ähnliche Handelsabkommen mit kleinen südamerikanischen Ländern verhandelt. So etwas braucht Zeit und ist nicht im Hauruckverfahren durchsetzbar. Die Intransparenz der Verhandlungen ist inakzeptabel und führt dazu, dass völlig unklar ist, worum es konkret geht. Warten wir nun erst mal die Wahlen in USA ab. Mit einem Präsidenten Trump bräuchte man nicht verhandeln. Hoffen wir, dass es anders kommt.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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