Tassilo-Kulturpreis:"Dieser Zuspruch sorgt auch dafür, dass man einen Schub bekommt"

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Ein unvergesslicher Moment war für Preisträger Giulio Salvati, dass die großartige Pianistin Sophie Pacini ihm den Preis überreichte. (Foto: Stephan Rumpf)

Die beiden Tassilo-Preisträger 2021 aus dem Landkreis Erding , Hans Prockl und Giulio Salvati, sind ganz unterschiedlich und machen ganz verschiedene Sachen. Doch in einem sind sie sich einig. Der SZ-Kulturpreis ist eine ganz besondere Auszeichnung für Kulturschaffende aus der Region.

Von Florian Tempel, Erding

Vor zwei Jahren sind gleich zwei Tassilo-Kulturpreise an Kulturschaffende aus dem Landkreis Erding gegangen. Hans Prockl, der seit mehr als 50 Jahren Menschen, ihre Arbeit und ihre Ansichten in Bild und Ton festhält -aber auch die gewaltigen Veränderungen der Landschaft durch den Bau des Münchner Flughafens und der Isentalautobahn -, wurde für sein außerordentliches und außergewöhnliches Lebenswerk geehrt. Der Historiker Giulio Salvati bekam 2021 von der Jury einen Tassilo-Sozialpreis zugesprochen. Er hat mit einer öffentlich zugänglichen Datenbank den vielen Tausend Menschen, die zur Zeit des Nationalsozialismus im Landkreis Erding Zwangsarbeit leisten mussten, ein digitales Denkmal gesetzt. Salvati hatte nicht nur ein wichtiges geschichtliches Thema von gesellschaftlicher Relevanz bearbeitet, sondern sein Projekt auch in wegweisender Art und Weise als partizipatives Projekt gemeinsam mit Freiwilligen umgesetzt. Im Oktober wurde nun sogar ein richtiges, analoges Denkmal für die NS-Zwangsarbeiter in Erding enthüllt.

Hans Prockl hatte nicht im Ansatz damit gerechnet, für seine dokumentarischen Werke jemals einen wie auch immer gearteten Preis zu erhalten. Die Nominierung und die Auszeichnung mit dem Tassilopreis kamen für ihn "aus dem Nichts heraus", wie er im Rückblick immer noch etwas verwundert sagt. Er habe erst gar nicht so recht glauben können, wobei er nicht Skepsis meint, sondern echte Überraschung.

Hans Prockl im Künstlerhaus am Lenbachplatz in München, am Abend der Preisverleihung. (Foto: Stephan Rumpf)

Seine Film-und Audiodokumentationen macht er zwar schon seit Jahrzehnten. Doch Reaktionen darauf waren und sind eher selten. "Freunde und Bekannte sagen da ja nichts", sagt Prockl, "kein Mensch spricht dich darauf an". Er macht halt seine Filme, und man nimmt das so hin. Dass er mit dem Tassilopreis von ungeahnter Seite nicht nur Aufmerksamkeit, sondern Anerkennung erhalten habe, "das fand ich klasse". Hans Prockl, der selbst ein empathischer, zurückhaltender und aufmerksamer Beobachter ist, hat sich "schon sehr, sehr gefreut", dass auch mal er und sein Tun Beachtung gefunden hat. Und es sei ja nicht nur einfach Zuspruch gewesen, sondern eine öffentlich gemachte Bestätigung durch eine große Zeitung. Diese spezielle Dimension sei ihm erst mit der Zeit richtig bewusst geworden: "Es ist mir erst langsam gedämmert, was das für eine Auszeichnung ist."

Entzieht sich jeder Marktlogik

Giulio Salvati, der zweite Preisträger aus dem Landkreis Erding der vergangenen Tassilo-Runde, hat vor zwei Jahren bei Hans Prockl auf einen subtilen Aspekt hingewiesen, der das Überraschungsmoment noch einmal aus einem anderen Blickwinkel erklärt: "Das Schöne ist bei ihm auch, dass sich seine Arbeit jeder Marktlogik entzieht."

Hans Prockl hat nach dem schönen Abend der Preisverleihung weitergemacht wie eh und je. Er hat zum Beispiel den letzten Schrankenwärter in Dorfen an seinem Arbeitsplatz besucht, bevor dieser wegrationalisiert war, indem der kleine Bahnübergang zum ehemaligen Meindl-Fabrikgelände einfach dicht gemacht wurde. Der Film ist auf seinem Youtube-Kanal zu sehen, den Prockl hegt und pflegt, kontinuierlich mit neuen und älteren Dokus bestückt. Zuletzt hat er buchstäblich vor seiner Haustür im Isental gefilmt, er hat monatelang den Neubau der Isen-Brücke im Dörfchen Wörth bei Schwindegg festgehalten. Eine Staffel mit neun Folgen, die er aber eher nicht veröffentlichen wird.

Giulio Salvati im Münchner Künstlerhaus , wo die Tassilo-Preise überreicht wurden. (Foto: Stephan Rumpf)

Giulio Salvati ist weniger als halb so alt wie Prockl und führt ein ganz anderes Leben. Er war in den vergangenen zwei Jahren viel unterwegs. Er hat sein Promotionsstudium an der New York University abgeschlossen, hatte zwischendurch Forschungsaufenthalte im Deutschen Studienzentrum in Venedig und anderswo, betreute verschiedene Projekte im In- und Ausland. Das klingt toll und ist es auch. Doch Doktor Salvati steht nun vor einem neuem Lebensabschnitt, ein fester Job wäre jetzt mal recht. An die Verleihung der Tassilopreises im Künstlerhaus in München denkt er aber gerne zurück: "Der Abend war sehr besonders, weil er einem gezeigt hat, dass ein Projekt nicht nur für einen selber bedeutend ist, sondern auch für Außenstehende." Dass man Bestätigung für seine Ideen, Konzepte und Realisierungen erhalte, ist aber nicht nur schön fürs Ego, sondern "dieser Zuspruch sorgt auch dafür, dass man einen Schub bekommt". Und noch etwas hat ihn sehr beeindruckt: die Verleihung des Preises durch die großartige Pianistin Sophie Pacini. Denn "Zuspruch von Menschen, die man bewundert, das kann man nicht überbieten".

Der Tassilopreis sei doch ein sehr besondere und einzigartige Auszeichnung für Kulturschaffende, sagt Salvati, die unverzagt ihr Ding in der Region außerhalb der Großstadt machen, in Kleinstädten, Vorortgemeinden oder richtig auf dem Land. Positives Feedback zu erhalten ist nichts, mit dem man grundsätzlich rechnen dürfe. In der Region durch einen SZ-Kulturpreis Anerkennung zu erfahren, sei da aus zwei Gründen großartig: "Weil die Süddeutsche Zeitung ein so großes Renommee hat und weil der Preis aus München kommt."

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