Hochwasserschutz:Eine Frage des Geldes

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Der Mittlere Isarkanal im Gemeindebereich von Oberding. Das Archivbild zeigt den Abschnitt zwischen Aufkirchen und Eitting in Richtung Niederding. (Foto: Renate Schmidt)

Im Katastrophenfall sollen in Erding die Fluten über Itzlinger Graben und Schlotgraben in den Mittleren Isarkanal geleitet werden. Ein stationäres Pumpwerk war beschlossenen Sache. Doch jetzt kommt eine abgespeckte Version.

Von Regina Bluhme, Erding

"Am Ende ist es eine Frage des Preises" - so fasste Christian Famira-Parcsetich, Leiter der Stadtentwicklung, am Dienstag die Kehrtwende beim Hochwasserschutz am Itzlinger Graben zusammen. Um bei Hochwasser die Fluten aus dem Itzlinger Graben zunächst in den Schlotgraben und von dort weiter in den Mittleren Isarkanal einleiten zu können, sollte ein stationäres Pumpwerk auf Oberdinger Flur errichtet werden. Jetzt haben sich Erding und Oberding geeinigt, in der Nähe des Kanals drei mobile Pumpen bereitzuhalten. Das spart laut Verwaltung ein Drittel der Schätzkosten.

Im Juni 2022 hatte Erding die Planungen für den Hochwasserschutz für die vier Erdinger Gräben verabschiedet. Ein paar Monate später beschloss der Stadtentwicklungsausschuss zudem, in der Nähe des Mittleren Isarkanals ein stationäres Pumpwerk einzurichten, um im Hochwasserfall Fluten aus dem Itzlinger Graben über den Schlotgraben in den Kanal zu leiten. Erding hatte ursprünglich gleich auf eine mobile Anlage gesetzt, doch Oberding, auf deren Flur der Schlotgraben liegt, setzte sich für ein stationäres Pumpwerk ein, unter anderem wegen der höheren Betriebssicherheit. Betreiber der Anlage sollte die große Kreisstadt sein.

Im Anschluss gab es laut Famira-Parcsetich "Klärungsbedarf" bei der Frage, wie das anfallende Wasser in den Isarkanal geleitet werden sollte. Mit Oberding seien mehrere Varianten diskutiert worden mit der Erkenntnis, "dass ein stationäres Pumpwerk weder wirtschaftlich zu errichten, noch kostengünstig zu betreiben ist". Die "Vorzugslösung" sieht nun vor, in der Nähe der geplanten Überleitung in den Isarkanal dauerhaft mobile Pumpen bereitzuhalten. Ein Gebäude muss dennoch errichtet werden, um die Pumpen vor Witterung zu schützen. Die dafür anfallenden Kosten seien jedoch "deutlich geringer" als die vor eineinhalb Jahren geschätzten 3,5 bis vier Millionen Euro für eine Pumpstation, informierte Famira-Parcsetich im Ausschuss. Die jetzt beschlossene Lösung komme in etwa auf ein Drittel.

Es sei nicht nur eine Frage des Preises gewesen, erklärte der Leiter der Stadtentwicklung, sondern auch eine Frage "der Instandhaltung, des Regel- und Notbetriebs und des Testbetriebs". Die drei Pumpen in Abrollcontainern werden im Bereich der Ortschaft Niederding aufbewahrt. Wer im Hochwasserfall dann für den nötigen Anschluss zuständig ist, werde "zu gegebener Zeit entschieden", so Oberbürgermeister Max Gotz (CSU). Bauhof, Feuerwehr - "oder warum nicht eine externe Firma"?

Auch die Gemeinde Oberding ist zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss

In Oberding zeigte sich Geschäftsstellenleiter Josef Steinkirchner auf Nachfrage der SZ am Mittwoch zufrieden mit der Lösung. "In enger Abstimmung" von Erding, Oberdings Bürgermeister Bernhard Mücke und dem Gemeinderat sei die Entscheidung gefallen, erklärte Steinkirchner. Die jetzt gefundene Kompromisslösung stamme sogar aus den Reihen des Oberdinger Gemeinderats.

Bei Sitzungen in Erding zum Thema Hochwasser ist stets der Verein"Naturnaher und dezentraler Hochwasserschutz Sempt" zur Stelle, und auch diesmal waren Mitglieder ins Rathaus gekommen - auch wenn nicht explizit um die Sempt ging. Der Verein kämpft seit Jahren gegen den vom Wasserwirtschaftsamt München konzipierten linearen Hochwasserschutz durchs Erdinger Stadtgebiet. Der Verein argumentiert, Deiche und Schutzwände entlang der Sempt würden das Stadtbild verschandeln und zugleich wertvollen Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen zerstören. Stattdessen sollten die Planer auf dezentrale Rückhaltebecken, Überflutungsflächen oder Renaturierung setzen.

Die Unterlagen für den Schutz der Sempt bei Bergham liegen beim Landratsamt

Schon des Öfteren hat OB Max Gotz öffentlich betont, dass es jetzt endlich mit dem Hochwasserschutz vorangehen müsse. Die Mehrheit der Erdinger und Erdingerinnen stehe hinter den geplanten Maßnahmen an der Sempt. Wahrscheinlich galt daher das letzte Wort nach der Abstimmung zu den Pumpen am Dienstag den Vereinsmitgliedern in der letzten Besucherreihe, als er von einem nicht näher erläuterten "Gezerre" beim Hochwasserschutz sprach.

Eine Nachfrage bei Stefan Homilius, Leiter des Wasserwirtschaftsamts München, zum aktuellen Stand der Planung ergibt: Das Verfahren für den ersten Bauabschnitt im Ortsteil Bergham läuft, die Unterlagen der Planfeststellung liegen beim Landratsamt Erding. Der nächste Schritt ist ein Erörterungstermin, der noch vom Landratsamt bekanntgegeben werde. Auch beim Zeitplan für den zweiten Abschnitt im Stadtgebiet Erding hat sich laut Homilius keine Veränderung ergeben. Er gehe nach wie vor davon aus, dass im Sommer, spätestens im Herbst, dieses Jahres die Unterlagen zur Planfeststellung für den zweiten Abschnitt, also für den gesamten innerstädtischen Bereich, eingereicht werden können.

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