Erding:Land in Sicht

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So könnte es laufen: Das Wasser aus Sempt und Neuhauser Graben strömt in die Flutmulde im Baugebiet Haager Straße Ost. In der Bildmitte sind die Grundschule am Ludwig-Simmet-Anger und das BRK-Kinderhaus Wolperdinger zu sehen. Eine Bebauung des nördlichen Teils wäre möglich. Animation: TU München (Foto: N/A)

Der Investor will Bauen im Bereich der Haager Straße Ost trotz der Hochwassergefahr ermöglichen und präsentiert dazu ein mit der TU München erarbeitetes Konzept temporärer Retentionsflächen

Von Philipp Schmitt, Erding

In Altenerding ist der Bebauungsplan Haager Straße-Ost ins Stocken geraten. Nach dem Hochwasser 2013 waren die Planungen gestoppt worden. Doch nun tut sich was. Investor Lukas Sommer von Brandhuber & Sommer hat mit der Technischen Universität München (TU) einen neuen Vorschlag gemacht, um das Bauleitverfahren wieder in Gang zu bringen und eine Bebauung im nordöstlichen Teil des Areals durch eine temporäre Hochwasser-Retentionsfläche zu ermöglichen. Ein Beschluss dazu hat der Stadtentwicklungsausschuss nicht gefasst. OB Max Gotz (CSU) bezeichnete die von Markus Disse präsentierte Variante als "bemerkenswerte Perspektive".

Als temporärer Hochwasserschutz soll ein flaches Überschwemmungsbeckens für bis zu 18650 Kubikmeter Hochwasser dienen. Gotz nannte den auf private Initiative auf den Weg gebrachten Vorschlag als einen "Fingerzeig an die Stadt". Mit dem Wasserwirtschaftsamt könne nun über eine vorzeitige Bebauung im nordöstlichen Bereich des Bebauungsplans 181 Haager Straße Ost nachgedacht werden. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte das gesamte Gebiet bebaut werden. Die Überschwemmungen in Altenerding 2013 hätten aber gezeigt, dass viele Bürger Angst vor Hochwasser hätten. Eine temporäre Schutzmaßnahme entbinde die Stadt nicht davon, viel Geld für den Hochwasserschutz und die Pflege der Gräben in die Hand zu nehmen, sagte Gotz.

TU-Professor Markus Disse vom Lehrstuhl für Hydrologie und Flussgebietsmanagement hat unter dem Projektnamen "Haager Allee" für das geplante Baugebiet mit Fachbüros, Landschaftsarchitekten und in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt München die temporäre Hochwasser-Retentionsmaßnahme ausgearbeitet. Damit die Flächen zumindest im nordöstlichen Teil des Gebiets bebaut werden könnten, soll vorübergehend ein Überschwemmungsgebiet entstehen. Langfristig soll aber auch diese Fläche bebaut werden. Bis dahin könnte das Retentionsareal mit 14 350 Quadratmetern jedoch als Freizeitfläche dienen.

Untersucht wurden von der TU Auswirkungen bei einem hundertjährigen Hochwasser der Sempt und des Neuhauser Grabens. Das Überflutungsbecken lasse sich gut in die Landschaft integrieren, hieß es. Bei einem hundertjährigen Hochwasser würden etwa 18 000 Kubikmeter von der Sempt auf die Fläche strömen und 14 000 Kubikmeter vom Neuhauser Graben.

Die Retentionsfläche würde in etwa einem Tag in langsamen Wellen - nicht in einer Sturzflut - mit Wasser voll laufen. Nach zwei bis drei Tagen würde das Wasser dort versickern, der Boden sei dafür geeignet. Nachteilige Veränderungen bestehender Abflussverhältnisse sollen vermieden werden, sagte Disse.

Ohne Schutzmaßnahmen würde das Gebiet bei einem hundertjährigen Hochwasser teilweise erheblich überschwemmt, wie eine Animation der TU zeigte. Negative Auswirkungen auf das Grundwasser und überschwemmte Keller erwartet Disse bei einem Jahrhunderthochwasser jedoch nicht, wie er sagte. Er räumte aber ein, dass bei noch stärkeren Überschwemmungen auch die nahe gelegene Bundesstraße 388 langsam überflutet werden würde. Mit Gotz stimmte er überein, dass Kosten und Nutzen der Maßnahmen abgewogen werden müssten und ein Schutz für alle Fälle nicht gewährleistet werden könne.

Der CSU-Fraktionssprecher und frühere Hochwasserreferent Burkhard Köppen wies auf Ängste der Bürger und emotionale Debatten hin. Er wollte wissen, ob es einen 15-prozentigen Klimawandel-Zuschlag gibt und was bei gleichzeitigen Rekordhochwässern von Sempt und Neuhauser Graben wäre. Disse teilte dazu mit, dass ein Zuschlag von 15 Prozent zum hundertjährigen Hochwasser wegen des Klimawandels nur bei langfristigen technischen Schutzbauten wie neuen Dämmen oder Deichen vorgesehen werde, die hier aber nicht entstünden. Er hielt zudem den Fall für gleichzeitige Rekordwerte an Sempt und den Graben für sehr unwahrscheinlich: Die Sempt bräuchte dafür anhaltenden Dauerregen und der Neuhauser Graben extrem kurzen und sehr heftigen Regen, sagte der TU-Professor. Weitere Schritte seien die Abstimmung mit dem Landratsamt zur wasserrechtlichen Genehmigung und die Wiederaufnahme des Bauleitverfahrens, die Realisierung der temporären Retentionsmaßnahme und schließlich die Bebauung.

© SZ vom 22.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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