Proteste gegen Agrarpolitik:"Ich fühle mich als Biobäuerin sogar besonders betroffen"

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Ohne Traktor geht nichts in der Landwirtschaft, egal ob der Betrieb konventionell oder biologisch arbeitet. Statt auf dem Feld sieht man die Bulldogs derzeit in den Städten, wie in der vergangenen Woche bei der Demo-Fahrt in Erding. (Foto: Renate Schmidt)

In der ökologischen Landwirtschaft wird Unkraut nicht mit Pestiziden, sondern mechanisch bearbeitet. Das bedeutet mehr Stunden mit dem Traktor auf dem Acker und mehr Dieselverbrauch. Das ist nicht der einzige Grund, warum auch Biolandwirte die Pläne der Bundesregierung massiv kritisieren.

Von Florian Tempel, Erding

Bernadette Lex ist Biobäuerin im Familienbetrieb in Emling in der Gemeinde Bockhorn. Hier wird Ackerbau in großer Vielfalt betrieben: Auf 200 Hektar werden Öko-Saatgut, verschiedene Getreidesorten und viele Sonderkulturen wie etwa Lupinen, Hanf oder Bohnen angebaut. Das geht nur mit Traktoren, und die fahren mit Diesel. Für die Pläne der Bundesregierung, die Vergünstigungen beim Agrardiesel zu streichen, hat Bernadette Lex kein Verständnis: "Ich fühle mich als Biobäuerin sogar besonders betroffen."

Sie erklärt das anhand eines griffigen Beispiels. Vor ein paar Monaten war sie draußen mit einem kleinen, alten Traktor auf einem Acker bei der Unkrautbekämpfung. Hinten am Schlepper hing einen Maschinenteil, das die Pflanzen hackt und striegelt, wie das im Fachjargon heißt. Dann kam der Nachbar, ein konventionell arbeitender Landwirt, um auf seinem Feld nebenan ebenfalls Unkraut zu bekämpfen. Er klappte die Flügel an seiner Spritzmaschine aus, fuhr in schnellem Tempo übers Feld und war nach 20 Minuten fertig.

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"Ich war noch den restlichen Tag beschäftigt", sagt Bernadette Lex. Die mechanische Unkrautbekämpfung macht viel Arbeit und verbraucht mehr Traktorsprit. Hat die Regierung daran gedacht, dass mehr Diesel durchaus etwas mit "ökologischer Transformation" zu tun haben kann? Wohl kaum.

Biobäuerin Bernadette Lex in einem Hanffeld bei Bockhorn. (Foto: Renate Schmidt)

Bernadette Lex ist sauer wie die anderen Bäuerinnen und Bauern auch, findet selbst aber keine Zeit zum Demonstrieren. Sie hat Zwillinge und momentan eine Menge Büroarbeit. "Aber ich verstehe jeden Bauern, der demonstriert, egal ob er konventionell oder biologisch wirtschaftet", sagt sie, "und ich bin dankbar für jeden, der seine Meinung kundtut". Die Pläne der Bundesregierung, sich Geld bei den Landwirtinnen und Landwirten zu holen, seien schlicht ungerecht und unpassend: "Man sollte bei Flugbenzin ansetzen - die meisten Bauern können nicht mal in den Urlaub fliegen."

Toni Wollschläger ist Biobauer in Langenpreising und Grünen-Kreisrat in Freising. Auch er hält die Pläne der Bundesregierung aus mehr als einem Grund für falsch. Als Gegenargument gegen eine Kerosinsteuer werde angeführt, das wäre Wettbewerbsverzerrung. "Der Agrardiesel ist viel wettbewerbsverzerrender", sagt Wollschläger. In Luxemburg und Dänemark sind die Landwirte vollkommen befreit, in Frankreich zahlen sie 15 Cent pro Liter, aber in Deutschland sollen es 45 Cent sein. Die Abschaffung der Agrardieselrückerstattung habe keinerlei "Steuerungsfunktion", sagt Wollschläger, "der Landwirt kann nicht reagieren, er kann nicht auf etwas anderes ausweichen".

Für Bio-Landwirt und Grünen-Kreisrat Toni Wollschläger liegt die Zukunft in einer vielfältigen, grünen Landwirtschaft. (Foto: Marco Einfeldt)

Wollschläger hat nur eine Erklärung, warum die Regierungskoalition auf die Streichungen zulasten der Landwirtschaft gekommen sei. In ihrer "Zeitnot", noch im Januar einen durchfinanzierten Haushalt präsentieren zu können, habe man zwei möglichst einfache Gesetzesänderungen gesucht. Für die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung und der Agrardieselvergünstigung hätte man jeweils kaum mehr als einen Satz in bestehenden Gesetzen streichen müssen. "Ein ganz neues Gesetz zur Besteuerung von Flugbenzin zu machen, würde viel länger dauern."

Die Bauernproteste hält Wollschläger "auf jeden Fall für legitim, weil hier eine Bevölkerungsgruppe überproportional belastet wird". Dazu komme das Ungleichgewicht in der Bewertung der gesellschaftlichen Relevanz. Die aktuelle Botschaft der Regierung laute, die Lebensmittelproduktion sei nicht so wichtig wie billige Flugreisen. "So etwas schafft sehr viel böses Blut und vertieft die Spaltung." Dass die Bundesregierung das womöglich sehenden Auges in Kauf genommen habe, sei ein großer Fehler, findet Wollschläger.

Christian Meidinger baut in Neufahrn vor allem, aber nicht nur Kartoffeln an und sitzt für die Grünen im Gemeinderat. (Foto: Johannes Simon)
Amadé Billesberger bewirtschaftet einen Hof in Moosinnig und etwa 70 Hektar. (Foto: privat)

Christian Meidinger ist Biobauer in Mintraching in der Gemeinde Neufahrn und sitzt dort für die Grünen im Gemeinderat. Er meint, das Ende der Agrardieselvergünstigung, "war nur eine Frage der Zeit". Es sei nun mal "eine Subvention, die den CO₂-Ausstoß fördert". Dass die Proteste so massiv seien, habe ihn deshalb etwas überrascht. Mit der halben Rücknahme der Regierungspläne könne er sich, für seinen Teil, arrangieren. Er habe durch Direktvermarktung eine Möglichkeit, die finanziellen Einbuße zu kompensieren. Er räumt aber ein, dass andere Bauern kaum oder gar keine Kompensationsmöglichkeiten hätten. Auch er fragt sich, warum ausgerechnet der Landwirtschaft Einkommenseinbußen zugemutet werden, "die Inflation trifft uns auch - und wo bleibt die Kerosinsteuer"? An den Demos hat er nicht teilgenommen, sagt Christian Meidinger: "Ich habe das Gefühl, dass die Proteste von politischen Denkweisen gekapert werden, die ich absolut nicht teilen kann."

Der Moosinninger Biobauer Amadé Billesberger war zumindest bei der großen Demo in Erding in der vergangenen Woche dabei. "Ich finde es gut, dass die Bauern demonstrieren und protestieren", sagt er, "aber ich finde es ganz gefährlich, dass die AfD das als Sprungbrett benutzen will". Innerhalb der Landwirtschaft, ob konventionell oder ökologisch wirtschaftend, sei man sich bei der Bewertung der Problematik jedoch viel einiger, als Außenstehende glaubten. Eines mache ihm viel mehr Kopfzerbrechen. "Ich habe mit Freunden aus der Stadt geredet und die wussten so gar nicht, um was es überhaupt geht."

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