Tag der Arbeit:Maikundgebung auf zweierlei Art

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Zur Kundgebung am Unteren Markt in Dorfen, mit politischen Reden, kritischen Liedern und einer Mitmach-Kunstaktion, kamen etwa 150 Menschen. (Foto: Renate Schmidt)

In Dorfen fordern die Redner ein Ende der Aufrüstung, die Bekämpfung des Rechtsextremismus und kritisieren die Bezahlkarte als Ausgrenzung und Erniedrigung. In Erding geht es um wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, weniger Sozialstaat und gegen das Bürgergeld.

Von Florian Tempel, Erding/Dorfen

Die Geschichtswerkstatt Dorfen hat im kleinen Laden an der Marktkirche eine kleine Ausstellung zum 1. Mai im Landkreis Erding eingerichtet. Zeitungsausschnitte und Plakate erinnern daran, dass Gewerkschaften einst auch auf lokaler Ebene Bedeutung hatten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) war mit drei Ortskartellen im Landkreis präsent, in Erding, Dorfen und Taufkirchen. Dementsprechend gab es früher sogar bis zu drei gewerkschaftliche Maikundgebungen.

In Erding war damit im vergangenen Jahr Schluss. Am Nachmittag des 30. April 2023, also eh einen Tag zu früh, hatte sich bei miserablem Wetter kaum ein Dutzend Menschen auf den Schrannenplatz verirrt. Es regnete in Strömen, ein DGB-Banner mit der Aufschrift "Solidarität ist stärker" wurde mehrmals umgeweht und das Mikrofon fiel immer wieder aus. Es war ein betrübliches Trauerspiel mit endzeitlicher Symbolik.

Sozial- und Arbeitsministerin Ulrike Scharf im Gespräch mit Iva Hirth, CSA-Kreisvorsitzende, und Klaus Holetschek, Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag. (Foto: Stephan Görlich)

Doch exakt ein Jahr später kam es am Dienstagabend in Erding zu einer Reinkarnation der ganz besonderen Art. Die Christlich-Soziale Arbeitnehmerschaft (CSA), eine Untergruppierung der CSU, veranstaltete im Festsaal des Gasthauses Erdinger Weißbräu "die erste Erdinger Maikundgebung". Iva Hirth, die CSA-Kreisvorsitzende, fügte an, dass sie Werner Brombach um die Erlaubnis gebeten habe, die Veranstaltung auch künftig "Erdinger Maikundgebung" nennen zu dürfen. Der Inhaber der bekannten Erdinger Privatbrauerei habe das erlaubt.

Keine derartige Erlaubnis war und ist in Dorfen notwendig. Dort gibt es ein breites 1.-Mai-Bündnis, dem der Kreisverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), einzelne Verdi-Mitglieder, die Arbeitsgemeinschaft International und eine Kunst AG angehören. Nachdem 1995 die letzte DGB-Kundgebung in Dorfen stattgefunden hatte, kommt man seit 2019 unter freiem Himmel zusammen. Das Motto in Dorfen ist immer gleich: "Für eine solidarische Gesellschaft - überall!"

Hans Elas kritisierte Äußerungen von Roderich Kiesewetter (CDU) und Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die für eine stärkere Konfrontation mit Russland und China plädierten. Er zitierte den früheren SPD-Politiker Egon Bahr, der sagte "in der internationalen Politik geht es nie um Demokratie und Menschenrechte", sondern ganz andere Interessen. Elas sagte, "stoppt endlich die Kriege und beendet die Aufrüstung".

Hans Elas forderte ein Ende der Kriege und der Aufrüstung. (Foto: Renate Schmidt)
Christian Theis fordert ein Ende der Privatisierung und eine Rekommunalisierung von Krankenhäusern. (Foto: Renate Schmidt)

Christian Theis, Betriebsrat an der Kbo-Klinik in Taufkirchen thematisierte den "Pflegenotstand". Er forderte ein Ende der Privatisierung und eine Rekommunalisierung von Krankenhäusern. Stefan Brandhuber von der AG International sprach über das Erstarken des Rechtsextremismus. Er sagte, man sollte nicht mit Menschen, die völkische und rassistische Positionen vertreten, diskutieren - "nicht in der Arbeit, nicht im Verein und nicht in TV-Talkrunden". Rechtsextremisten müssten vielmehr "mit allen Mitteln bekämpft" werden. Michaela Meister, Abdullah Ahmadsei und Franz Leutner von der Flüchtlingshilfe Dorfen kritisierten die Bezahlkarte für Geflüchtete als Ausgrenzung und Erniedrigung.

Die Dorfener Kundgebung war bunt und links, die Veranstaltung in Erding ganz und gar anders

Die diesjährige Kunstaktion mit dem Titel "Verfügen Sie über deutsche Sprachkenntnisse?" griff harte Begriffe aus Formularen des Jobcenters und des Arbeitsamtes auf, denen die Teilnehmer der Aktion "ein lebendiges Wort" entgegensetzten sollen. Alles in allem war die Dorfener Maikundgebung eine bunte Angelegenheit und politisch klar links positioniert.

Ganz und gar anders war die CSA-Veranstaltung am Vorabend, zu der etwa 50 Frauen und Männer kamen, wobei man davon ausgehen darf, dass so gut wie alle CSU-Mitglieder waren. Als Hauptredner war Klaus Holetschek, der Fraktionsvorsitzende der CSU im Landtag, angereist. Sozial- und Arbeitsministerin Ulrike Scharf verdoppelte die CSU-Prominenz.

Iva Hirth setzte bei ihrer kurzen Begrüßungsansprache den Ton. Sie sagte, dass aktuell manche gewerkschaftlich organisierten Streiks "sehr kritisch beäugt werden", weil sie eher "politische Dauerspielchen" seien. Die Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten sei okay, "aber uns Arbeitnehmern sollte auch klar sein, von nichts kommt nichts".

Die CSA-Veranstaltung im Erdinger Weißbräu darf sich, mit Erlaubnis von Werner Brombach, weiterhin Erdinger Maikundgebung nennen. (Foto: Stephan Görlich)

Ulrike Scharf sprach über den Arbeitskräftemangel und die schwächelnde Wirtschaft in Deutschland. "Wir wissen, dass Unternehmerinnen und Unternehmer bange in die Zukunft blicken". Dass Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld bekämen, sei nicht gut. "Wir kämpfen dagegen, weil es falsche Anreize setzt (...) Aktivieren statt alimentieren, das sind die Grundsätze unseres Sozialstaats".

Klaus Holetschek knüpfte nahtlos an. Das Bürgergeld sei falsch, denn es sei "der Weg, der dieses Land an die Wand fährt." Die Bezahlkarte für Geflüchtete sei richtig, "weil die Integrationsfähigkeit eines Landes nur begrenzt ist". Es sollte mehr die "christliche Soziallehre" beachtet werden und der Paragraf 218 so bleiben, wie er ist. Er forderte außerdem, "dass Pflegekräfte vernünftige Arbeitsbedingungen haben" und der Staat die Ausbildungskosten übernehmen müsse. Gleichwohl könne der Staat nicht alles zahlen. "Wir wollen den Sozialstaat nicht aushöhlen, aber die Wirtschaft muss leistungsfähig sein", sagte Holetschek, und jeder Einzelne müsse schauen, was er beitragen könne.

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