Die Bauern sind sauer, nicht nur einige, sondern offenbar so ziemlich alle. Am Donnerstag versammelten sich Hunderte Landwirte und Landwirtinnen auf dem Volksfestplatz Erding zu einer Demo, um gegen die Pläne der Bundesregierung, die Rückerstattung beim Agrardiesel und die Befreiung von der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Maschinen zu streichen, zu protestieren.
"Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben", sagte etwa Ralf Huber, der oberbayerische Bezirksvorsitzende des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Zum Abschluss der Kundgebung fuhr ein Korso mit 70 Traktoren durch die Erdinger Innenstadt.
Die Regierung in Berlin hat tatsächlich noch am selben Tag reagiert und ihre Pläne zum Teil revidiert. Land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge müssen nun weiterhin keine Kfz-Steuer zahlen und die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll über mehrere Jahre schrittweise abgebaut werden. Die Spitze des Deutschen Bauernverbands hat die Nachbesserung allerdings umgehend als unzureichend zurückgewiesen. Die bundesweiten Protestaktionen würden weitergeführt, bis beide Punkte vom Tisch seien.
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Laut der Zählung der Polizei waren etwa 900 Demonstrierende mit circa 750 Traktoren und Schleppern auf den Erdinger Volksfestplatz gekommen. Die meisten waren aus dem Landkreis Erding, wo etwa 2000 landwirtschaftliche Betriebe existieren, einige kamen aber auch aus Nachbarlandkreisen wie Mühldorf, Ebersberg oder Landshut angefahren. Für den Korso hatten sich die Veranstalter mit den örtlichen Behörden auf eine Anzahl von 70 Fahrzeugen geeinigt. Das waren genau so viele, wie bei einer ersten Protestaktion am 17. Dezember durch die Stadt fuhren.
Auf dem Volksfestplatz standen an diesem Donnerstag Traktoren aller Marken neben- und hintereinander aufgereiht, ein wahres Fest für Traktor-Fans. Zu sehen waren die verschiedensten Modelle von Fendt, Deutz, Claas, New Holland, John Deere, Steyr, Massey Ferguson, Case und Lamborghini sowie auch Oldtimer von Mercedes Benz und Fiat. Fast alle waren blitzblank geputzt und viele hatten sich Demo-Plakate vorn drangebunden. Dort waren handgeschriebene Demosprüche zu lesen wie "Macht ihr heut die Bauern tot, habt ihr morgen selbst kein Brot", "Wir machen euch satt, doch die Regierung macht uns pleite", "Die Ampel muss weg", "Ohne Landwirte seid ihr hungrig, nackt und nüchtern" oder "Wer Wind sät, wird Sturm ernten".
Als Rednerbühne diente ein 40 alter Kipper-Anhänger von BBV-Kreisobmann Jakob Maier. Links und rechts standen bedruckte Bauzaun-Banner mit den Forderungen des BBV: "Keine zusätzlichen Steuern für Traktoren und Mähdrescher" und "Wir wollen das Klima schützen! Deshalb Steuerbefreiung für regionale Biokraftstoffe!". Darüber wehte an einer ausgefahrenen Hebebühne die grün-weiße Verbandsfahne.
Angesichts der großen Beteiligung der Bauern eröffnete Kreisobmann Maier die Versammlung mit etwa 20 Minuten Verspätung. "Ich bin überwältigt", sagte er sichtlich begeistert, mit so vielen Teilnehmenden hatte er nicht gerechnet. Dass so viele gekommen seien, wunderte ihn anderseits nicht. Der Frust und die Wut habe einen Höhepunkt erreicht. "Es hat ja nicht erst vor zwei Jahren angefangen, dass wir drangsaliert werden", sagte Maier. Kreisbäuerin Irmgard Posch empfand die große Beteiligung an der Demo als "gigantisch" und sagte, die Sparpläne der Bundesregierung auf Kosten der Landwirtschaft "waren der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat".
BBV-Bezirkspräsident Huber sagte - wohl in der Vorahnung, dass die Bundesregierung nur teilweise Rückzieher machen werde -, "wir werden so lange keine Ruhe geben, bis das ganz weg ist". Die Proteste aus der Landwirtschaft ließen sich noch massiv steigern. "Dieses Land hat nichts so zu fürchten, wie wenn alle Bauern zusammenrücken." Am Montag wollen Tausende in München demonstrieren.
Kreisobmann Maier sagte, man habe Vertreter der drei Regierungsparteien gebeten, an der Kundgebung teilzunehmen. Ulla Dieckmann, stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende, verlas ein Statement der Bundestagsabgeordneten Claudia Tausend, die "die einseitige Belastung der Landwirtschaft" als "unverhältnismäßig und unausgewogen" bezeichnet und versprach, sich für die Bauern und Bäuerinnen einzusetzen. Von den Grünen und der FDP gab es keine Stellungnahmen bei der Kundgebung.
Die vor Kurzem von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) geäußerte Mahnung, die Bäuerinnen und Bauern sollten aufpassen, sich politisch nicht in eine falsche Ecke drängen zu lassen, wies BBV-Bezirkspräsident Huber als "Frechheit" zurück. Die Bauern und Bäuerinnen protestieren ausschließlich für ihre eigenen Interessen. In Erding hatte sich lokale AfD-Vertreter mit einem Transparent am Rand des Volksfestplatzes aufgestellt, in der Versammlung waren aber keine Symbole oder Zeichen der in Teilen rechtsextremen Partei zu sehen. Kreisobmann Maier nahm am Ende der Kundgebung Bezug auf die Äußerung des stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (FW) bei der Anti-Heizungsgesetz-Demo an gleicher Stelle im Juni 2023. Maier sagte am Donnerstag: "Das, was wir heute machen, ist Demokratie - und die brauchen wir uns nicht zurückzuholen. Ich kann heute auf die Straße gehen, gegen die Politik der Bundesregierung demonstrieren und brauche keine Angst zu haben - das ist geil."