Veranstaltung mit Tassilo-Kulturpreisträgern:Versklavt in Dorfen

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Raisa Bokowa war zwölf Jahre alt, als sie zur Zwangsarbeit nach Dorfen verschleppt wurde. (Foto: Staatsarchiv München)

Die Geschichtswerkstatt veranstaltet einen großen Themenabend zur Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus. Mindestens 700 Frauen, Kinder und Männer wurden hierher verschleppt, um die Kriegswirtschaft am Laufen zu halten.

Von Florian Tempel, Dorfen

Vor einigen Jahren begann der Erdinger Historiker Giulio Salvati intensiv über Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus im Landkreis Erding zu forschen. Zwischen Oktober 2019 und Mai 2020 hat er mit 14 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern die erste öffentliche Online-Datenbank zur NS-Zwangsarbeit in Bayern aufgebaut. Die Karteikarten-Bestände des Arbeitsamts Erding-Freising aus den Jahren 1939 bis 1945, die beim Staatsarchiv München lagern, sind dafür vollständig erfasst worden. Somit wurde etwa die Hälfte der Namen der 8000 bis 10 000 ausländischen Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen im Landkreis bekannt.

Auch Mitglieder der Geschichtswerkstatt Dorfen waren in Salvatis Team dabei - und sie haben weiter geforscht. Am Donnerstag, 5. Oktober, werden die Ergebnisse ihrer lokalgeschichtlichen Recherchen bei einem großen Themenabend im Dorfener Kulturzentrum Jakobmayer präsentiert.

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Giulio Salvati wird zur Einführung einen Überblick geben. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden zunächst noch auf Basis von Freiwilligkeit Arbeitskräfte in Polen rekrutiert. Im folgenden Jahr wurde die Situation verschärft. Die polnischen "Zivilarbeiter" waren fortan faktisch versklavt. 1941 wurden die ersten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion verschleppt. Von 1942 an machten die Deutschen vor allem in der Ukraine regelrecht Jagd auf Menschen, Alter und Geschlecht spielten kaum noch eine Rolle.

Alleine die Ziegelei Meindl beschäftigte mehr als 90 Zwangsarbeiter

Doris Minet, Bettina Kronseder und Schorsch Wiesmaier von der Geschichtswerkstatt haben ihren Fokus auf Dorfen gelegt. Hierhin wurden nach ihren Recherchen mindestens 700 Menschen gebracht, um in verschiedenen Bereichen Zwangsarbeit zu leisten. Alleine die Ziegelei Meindl beschäftigte mehr als 90 Zwangsarbeiter. Sehr viele wurden aber auch in der Landwirtschaft ausgebeutet. In jedem Fall ging es darum, die deutsche Kriegswirtschaft am Laufen zu halten. Auffällig ist, wie jung viele waren, die hier Zwangsarbeit leisten mussten.

Karl Rausch vom Moosburger Stalag-Verein wird in seinem Vortrag berichten, wie Kriegsgefangene aus dem größten deutschen Straflager auf die Umgebung verteilt wurden und so auch nach Dorfen kamen. Der Stalag-Verein Moosburg ist in diesem Jahr, ebenso wie die Geschichtswerkstatt Dorfen mit dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet worden. Giulio Salvati hat den Tassilo-Preis bereits im Jahr 2021 erhalten.

In einem weiteren hochinteressanten Vortrag wird Andreas Bialas aus Burghausen über die sogenannte Ausländerkinder-Pflegestätte Burgkirchen berichten. Dort wurden Kinder von Zwangsarbeiterinnen nicht gepflegt, sondern man ließ sie verhungern. Darunter waren auch Kinder von Dorfener Zwangsarbeiterinnen.

Mit besonderen Frauen-Schicksalen beschäftigt sich auch der Publizist und Autor Peter B. Heim aus Fraunberg. Unter dem Titel "Verbotener Umgang" zeichnet er Beziehungen von Zwangsarbeitern mit deutschen Frauen nach, die bei Bekanntwerden schlimme Konsequenzen hatten.

Zwangsarbeit in Dorfen und Umgebung, Donnerstag, 5. Oktober, 19.30 Uhr, Jakobmayer, Unterer Markt 34.

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