Dorfen, München und Weimar:Feine Verbindungen

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Die Radierung von Johann Georg von Dillis aus dem Jahr 1793 zeigt sein Elternhaus in der Nähe von Schwindkirchen. Diese und andere Grafiken hat er in den 1820er-Jahren an Goethe nach Weimar geschickt. (Foto: Staatliche Graphische Sammlung München)

Der Maler Johann Georg von Dillis hat seinem Zeitgenossen Johann Wolfgang von Goethe Radierungen geschickt und ist von ihm zu seinen Wolkenbildern inspiriert worden.

Von Florian Tempel, Dorfen

Einen irgendwie gearteten Zusammenhang mit dem großen Goethe herzustellen, war in ganz Deutschland lange Zeit geradezu eine Manie. Etwa so: Hier hat er auf der Reise nach Italien übernachtet, dort hat er auf dem Weg zurück nach Weimar sein Mittagessen eingenommen, diesem Bürger der Stadt hat er einen Brief geschrieben und jenen immerhin nebenbei erwähnt. In Dorfen hat man da bislang nicht mitgemacht. Zum 1250-Jahre-Jubiläum war es aber endlich so weit.

Was denn Goethe mit Dorfen zu tun habe, fragten sich viele, als bekannt wurde, dass sein kompletter Faust, wenn auch stark gekürzt, als Freilichttheater auf dem Dorfener Marktplatz aufgeführt wird. Dem belesenen Heiner Müller-Ermann fiel sofort auf, wo sich eine Beziehung von Goethe und Dorfen auf geradezu wundersame Weise manifestiert: Die 1250 Jahre zurückliegende, erste schriftlich fixierte Erwähnung Dorfens datiert auf den damaligen 28. August. Der 28. August ist freilich auch der Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe, der an jenem Tag im Jahr 1749 auf die Welt kam. Glauben Sie an Zufälle?

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Der Dorfener Künstler und Kunstlehrer Anton Empl, der das großartige Plakatmotiv für den Faust in Dorfen gemalt und bei der Ausstattung der Dorfener Inszenierung involviert war, hat auf eine weitere, konkretere und bemerkenswertere Verbindungslinie hingewiesen. Der 1759 in Gmain bei Schwindkirchen und somit im Gebiet der Stadt Dorfen geborene Maler Johann Georg von Dillis war nicht nur ein Zeitgenosse von Goethe. Dillis stand in zweierlei Hinsicht in Kontakt mit ihm. Er hat Goethe eigene Radierungen nach Weimar gesandt, die diesem sehr gut gefielen. Und Dillis ist, das ist zumindest anhand von zeitlichen und inhaltlichen Indizien sehr naheliegend und glaubhaft, von Goethes Texten und Poemen über Wolken zu seinen schönen Wolkenbildern inspiriert worden.

"Herrn Inspector Dillis bitte für die mitgetheilten Radierungen verpflichtet zu danken."

Die Verbindung über einige Radierungen von Dillis ist ganz eindeutig und klar belegt. Der Münchner Kunstsammler Michael Roggendorf, der für die Ausstellung "Dillis in Dorfen" 2019 im Dorfener Sparkassensaal viele Exponate zur Verfügung gestellt hatte, arbeitet aktuell an einem Buch über die Radierungen des Künstlers. Nach Roggendorfs Recherchen hat Dillis offenbar zweimal eigene Radierungen zum Dichterfürsten nach Weimar geschickt. Um das Jahr 1820 waren es mehrere kleinere Radierungen, darunter eine, die Dillis' Elternhaus zeigt. Das "Jaegerhaus zu Giebing", wie es am unteren Rand der nur 6,4 mal 10,2 Zentimeter großen Druckgrafik heißt, findet sich noch heute in der Sammlung Weimar. Goethe hatte also, das findet Anton Empl ganz wunderbar, anhand der Radierung eine konkrete Anschauung, wie es in der Nähe von Dorfen aussah.

Eines der Wolkenbilder von Johann Georg von Dillis, mit Kreide auf blauem Papier gemalt. (Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau)

1828 hat Dillis laut Roggendorf Goethe noch einmal mehrere, größere Radierungen zugesandt. In einem Brief an den bayerischen Hofmaler Josef Karl Stieler schrieb Goethe daraufhin begeistert: "Herrn Inspector Dillis bitte für die mitgetheilten Radierungen verpflichtet zu danken. Gerade solche kaum bedeutend scheinende Gegenstände, glücklich aufgefasst und mit Geschmack wiedergegeben, setzen mich in die angenehmste Empfindung."

Die feine Verbindungslinie von Dillis zu Goethe geht aber auch anders herum. 1803 veröffentlichte der englische Meteorologe Luke Howard einen Aufsatz über die verschiedenen Wolkenformationen. Howard führte damals die Begriffe der Cumulus-, Cirrus- und Stratuswolken ein. Goethe hat das stark beeindruckt. Zwischen 1817 und 1823 verfasste er mehrere naturwissenschaftliche und poetische Texte zu dem Thema.

Die Begeisterung für Wolken hat sich, wie Michael Jank im 2015 erschienen, vom Kreisverein für Heimatpflege herausgegebenen großen Dillis-Buch schreibt, weiter verbreitet. Im Kapitel "Dillis' Wolkenstudien im Kontext der Zeit" weist Jank daraufhin, dass auch Benjamin Thompson Graf Rumford, der Planer des Englischen Gartens in München und ein Förderer von Dillis, über die Licht-, Farb- und Schattenwirkungen von Wolken Vorträge gehalten hat. Eine Inspiration durch Texte von Goethe liegt gleichwohl deshalb besonders nahe, da Dillis die meisten seiner etwa 150 Wolkenstudien im Zeitraum von 1819 bis 1824 geschaffen hat. Goethe hätten diese ganz sicher sehr gut gefallen.

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