Deutsche Geschichte:Geschichte bewusst machen

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Guido Hoyers Buch "Verfemt Verfolgt Vernichtet" widmet sich den Opfern der Shoa im Landkreis Freising

Von Peter Becker, Freising

Nationalsozialisten schürten am 10. November 1938 in Freisinger Gaststätten die antijüdische Stimmung. Im Anschluss an die Hetzreden zog ein Mob von 3000 Menschen durch die Straßen der Stadt, um diese "judenfrei" zu machen. Nachzulesen ist dies im Buch "Verfemt Verfolgt Vernichtet - Die Juden im Landkreis Freising unter dem NS-Terror", das der Politikwissenschaftler Guido Hoyer geschrieben hat. Jüngst hat es der Stadt- und Kreisrat im Freisinger Rathaus vorgestellt.

Motiviert hat Hoyer der Umstand, dass bislang keine umfassende Publikation über die Opfer der Shoa im Landkreis Freising existiert habe, schreibt er im Vorwort. Die Lücke wollte er schließen. Es werde aller "Juden" und "jüdischen Mischlinge", die in den Quellen fassbar sind, und ihrer Verfolgung gedacht. Hoyer schildert die antisemitische Stimmung in Freising vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die Ausgrenzung, das Pogrom sowie die Vertreibung jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus Freising und Moosburg bis zu deren Ermordung in den Vernichtungslagern. Ausführlich geht Hoyer aber auch auf die Jahre nach 1945 ein. Er spürt der Geschichte der Überlebenden nach, ihrem Bemühen, für ihr geraubtes Eigentum und die gesundheitlichen Schäden eine "Wiedergutmachung" zu erhalten. Hoyer nennt alle Namen. "Kein Opfer soll vergessen werden", verspricht er in seinem Vorwort.

"Er leistet einen großen Beitrag", würdigte Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher das Werk von Hoyer. Es gebe immer weniger Zeitzeugen. Der direkte Bezug zu den Ereignissen aus der Zeit des Nationalsozialismus gehe verloren. Hoyer lüfte den dunklen Vorhang, der sich über die Geschehnisse gelegt habe. "Auch in Freising ist viel passiert", sagte Eschenbacher. Davon zeugen auch die Stolpersteine, die auf Initiative von Hoyer verlegt worden sind. Sie erinnern an die Menschen jüdischer Herkunft, die dort einst lebten.

Hoyer habe die Ereignisse wissenschaftlich fundiert aufgearbeitet, sagte Eschenbacher. Das Buch sei ein wichtiger Beitrag dazu, sich Geschichte bewusst zu machen. Die Menschen der Gegenwart müssten die Verantwortung dafür tragen, "damit wir solche Zeiten nicht mehr erleben müssen".

Hoyer selbst sagte, dass das Buch ohne die große Unterstützung seitens der Stadt nicht hätte erscheinen können. In den Gremien des Stadtrats, der Verwaltung und des Stadtarchivs habe er eine große Wertschätzung seiner Arbeit erfahren. "Ich bin old school", gestand Hoyer. Er habe das Buch als Erscheinungsform seiner Arbeit gewählt, weil ihm das als für ihn am besten geeignet schien. "Ich habe versucht, alles in diesem Buch zusammenzutragen", versicherte Hoyer, der auch das Interesse jüngerer Menschen an dieser Zeitgeschichte verspürt. "Die junge Generation fragt nach."

Als antifaschistischer Heimatforscher ergründet Hoyer, der für die Linke im Stadtrat und Kreistag sitzt, die Schicksale der Menschen aus dem Landkreis, die unter der Verfolgung der Nationalsozialisten litten oder Widerstand leisteten. Dazu hielt er auch Vorträge in der mittlerweile geschlossenen Gaststätte "Zur Gred". Es sei für ihn ein "Aha-Erlebnis" gewesen, so Hoyer, als er erfuhr,dass der Raum, in dem er seine Vorträge hielt, früher als Synagoge gedient habe.

Verfemt Verfolgt Vernichtet - Die Juden im Landkreis Freising unter dem NS-Terror, Volk Verlag, ISBN 978-3-86222-338-1.

© SZ vom 23.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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