Denkmalschutz:Neue Fliesen für alte Schlösser, Burgen und Klöster

Lesezeit: 4 min

Das Team der Attenberger Bodenziegel GmbH (von links) Steffi Hammer, Christine, Andreas Schönek und Eva von Tsurikor freut sich über die Auszeichnung. (Foto: Renate Schmidt)

Nur wenige Betriebe in Deutschland können heute noch historische Bodenbeläge herstellen. Andreas Schönek, Inhaber von Attenberger Bodenziegel im Landkreis Erding, versteht sich darauf. Jetzt hat der Betrieb den Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege bekommen.

Von Thomas Daller, St. Wolfgang

Prächtige Schlösser und Burgen, Klöster und Kirchen erhielten zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert Bodenbeläge aus handgeschlagenen Ziegelplatten. Ein nahezu in Vergessenheit geratenes Kunsthandwerk. Nur noch zwei bis drei Betriebe in Deutschland verstehen sich darauf.

Einer davon ist Attenberger Bodenziegel in Krähmühle im Landkreis Erding, zwischen St. Wolfgang und Armstorf. Inhaber Andreas Schönek, der die Werkstatt vor zehn Jahren übernahm, ist vor Kurzem in der Sparte Keramik mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege ausgezeichnet worden.

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Die quadratischen Platten wurden seinerzeit aus Lösslehm oder Seeton gefertigt, davon gibt es immer noch gewaltige Vorkommen in Bayern. Sie sind ein Relikt der Würmeiszeit, die nicht nur den Lehm mitgeschleppt, sondern auch Kalk, Eisen oder Dolomit untergemischt hat.

Dabei entsteht ein farbenfrohes Ausgangsmaterial aus Braun, Rostrot und Grau. Daraus wurden die Bodenplatten gebrannt, wobei man auf Gruben zurückgriff, die sich in der Nähe der jeweiligen Baustelle befanden.

Das Ausgangsmaterial: Seeton aus dem Rosenheimer Becken. Deutlich zu sehen ist die mineralische Maserung, die bei der weiteren Bearbeitung erhalten bleiben soll. (Foto: Renate Schmidt)
Jede Bodenplatte wird einzeln angefertigt (Foto: Renate Schmidt/Renate Schmidt)
Mit der sogenannten Harfe schneidet Eva von Tsurikov (links) überschüssigen Ton auf der Rückseite ab. Rechts Steffi Hammer. (Foto: Renate Schmidt)
In einer umgebauten Stahlpresse werden die Tonplatten in Form gepresst. (Foto: Renate Schmidt)

Und weil die Zusammensetzung in jeder Grube ein wenig anders ist, sind diese Platten Unikate. Erst später, mit dem Aufkommen der Eisenbahn, kamen Marmorböden in Mode, weil davor der Transport der schweren Steine zu aufwendig gewesen wäre. Doch der Marmor hat auch ein haptisches Manko: Er vermittelt kein so warmes Gefühl wie ein Ziegelboden.

Das Unternehmen "Attenberger Bodenziegel GmbH" wurde in den 1980er-Jahren von dem Keramiker Josef "Sepperl" Attenberger gegründet. Er hatte die Idee zur Herstellung nach historischen Vorbildern, ließ die Produktionsstätte dementsprechend einrichten und organisierte die passenden Rohstoffe. Es gab jedoch keine historischen Unterlagen über die damaligen Brennkurven oder den Zeiträumen von Zufuhr oder Entzug von Sauerstoff, der Oxidation. Daher bedurfte es am Anfang vieler Versuche, bis man die Kniffe der alten Handwerker mit ihren Brennmeilern auf einen modernen Gasofen übertragen konnte.

Andreas Schönek wirft einen ersten Blick auf die gebrannten Bodenziegel. (Foto: Renate Schmidt)
Je nach Herkunftsgebiet hat der Ton eine ander Färbung. (Foto: Renate Schmidt)

Andreas Schönek übernahm das Unternehmen vor mehr als zehn Jahren zunächst mit einer Beteiligung, kurz darauf ganz. Die Herstellung von Bodenziegeln erlernte er in der Attenberger-Werkstatt autodidaktisch, genauso wie seine beiden Mitarbeiterinnen Eva von Tsurikov und Steffi Hammer. 2022 wurden die hervorragenden Leistungen des Unternehmens in puncto Gestaltung und Technik auf der Internationalen Handwerksmesse mit dem "Bayerischen Staatspreis" ausgezeichnet, nun folgte der "Bundespreis für Handwerk im Denkmalschutz".

60 bis 80 Tonnen Lehm und Ton verarbeitet der Betrieb pro Jahr. (Foto: Renate Schmidt)
Abnehmer sind Schlösser und Klöster, aber auch alte Wirtshäuser, Weinkeller oder Bauernhöfe (Foto: Renate Schmidt)

Rund 30 Projekte führt die Werkstatt in guten Jahren durch, etwa 60 bis 80 Tonnen Lehm und Ton werden dabei als Bodenziegel verewigt. Die Aufträge umfassen sowohl den Austausch einzelner verschlissener Platten als auch die komplette Erneuerung nach historischem Vorbild. Dabei handelt es sich nicht allein um Schlösser und Klöster, auch alte Wirtshäuser, Weinkeller oder Bauernhöfe zählen zu den Baustellen. Sogar bei manchen Neubauten, die Elemente traditioneller Baustile aufgreifen und nach einem warmen Ambiente verlangen, finden die Bodenplatten Verwendung.

Ein Glück, dass Denkmalpfleger auf die Verwendung von heimischem Material bestehen

Platten aus Krähmühle verschönern beispielsweise die Böden des Klosters Beuerberg in Erasburg, des Schiller-Museums in Bauerbach, des Renaissance-Schlosses Mickhausen, der Landshuter Burg Trausnitz und des Klosters Benediktbeuern. Aktuell steht die Landshuter Residenz auf der Lieferliste. Schönek macht kein Geheimnis daraus, dass man sich dabei im hochpreisigen Bereich befinde: Ein Quadratmeter koste zwischen 100 und 200 Euro. "Da wird die Luft dünn." Deshalb ist er froh darüber, dass die Denkmalpfleger darauf bedacht sind, dass heimisches Material verwendet wird und keine billigeren polnischen Fabrikate. "Da könnte ich nicht mithalten."

Aber es steckt auch viel Handarbeit darin und viel Energie. Pro Jahr verbraucht der Herdwagenofen etwa 24 000 Liter Propangas, das Anfang 2022 plötzlich das Vierfache kostete. Bei bestehenden Verträgen konnte Andreas Schönek die Mehrkosten nicht nachträglich an die Kunden weitergeben. Zu Beginn der schwierigen Situation auf dem Energiemarkt mussten deshalb Rücklagen aufgewendet werden, die für den Bau einer neuen Halle gedacht waren. Die alte Halle bleibt nun im Dienst.

Schönek bezieht Lösslehm aus dem Landkreis Landshut sowie Seeton aus dem Rosenheimer Becken. Wenn das Material in Krähmühle angeliefert wird, kommt es erst einmal sortenrein in die Fahrsilos. Dort wird es gewässert, weil es noch zu trocken für die weitere Verarbeitung ist. "Mauggen" nennt man diesen Vorgang, wie den Ortsteil in der Gemeinde Bockhorn. Danach werden sie zu Blöcken geschnitten und weiter zu Scheiben und Platten. Alles in Handarbeit mit der "Harfe", einem Sägebogen, der statt eines Sägeblatts ein Stahlseil spannt. Seine beiden Mitarbeiterinnen Eva von Tsurikov und Steffi Hammer achten darauf, dass in den Platten die mineralische Maserung erhalten bleibt. Durchgeknetetes Material ergibt homogetischen Ton, der weniger Farbnuancen hat. "Der Lehm soll so wenig wie möglich bewegt werden", sagt Schönek.

Die Trockenkammer. (Foto: Renate Schmidt)

Die Platten werden mittels einer umgebauten Stahlpresse in Gipsformen gepresst und anschließend getrocknet. Die meisten Bodenfliesen sind glatt, man kann damit aber auch ornamentierte Platten herstellen. Diese sind in Bayern jedoch selten und wenn, dann zumeist in Zisterzienserklöstern zu finden. Tagelang ruhen die Platten anschließend auf Trocknungsgestellen und müssen dabei immer wieder umgedreht werden, damit sich die Ecken und Ränder nicht aufdrehen.

Immer näher werden die Trocknungsgestelle an die Trocknungskammer herangeschoben, die mit der Abwärme des Brennofens betrieben wird. Dann landen sie erst in der Kammer und dann im Ofen. Drei Tage werden sie bei bis zu 1000 Grad gebrannt, eineinhalb Tage aufheizen, eineinhalb Tage abkühlen. Der Temperaturanstieg ist dabei nicht linear, es gibt empfindlichere Temperaturbereiche, die mehr zu Rissbildung neigen, auch der Sauerstoff spielt eine Rolle.

Gefühl für das Material spielt eine Rolle. Eigentlich muss man fast durchgehend dabeibleiben, in der Werkstatt sein. "Anfangs war ich sieben Tage in der Woche hier", sagt Schönek, "jetzt sind es sechs." 56 Jahre alt ist der Kunsthandwerker. Wenn er einmal in den Ruhestand tritt, so glaubt er, wird er auch die Werkstatt aufgeben müssen: "Ich weiß nicht, ob ich selber auch einen Verrückten finde, der meine Nachfolge antritt."

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