Englschalking:Messtation im Osten der Stadt soll lokale Wetterprognosen ermöglichen

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Wenn es über der Stadt blitzt und prasselt, kann Marc Haug die Details an der Messstation in Englschalking ablesen. (Foto: Catherina Hess)

Gerade in München kann sich das Wetter in den einzelnen Stadtvierteln stark unterscheiden.

Von Ulrike Steinbacher

Regen? Sonne? Wolken? Blitz und Donner? In diesem seltsamen Sommer stellt sich jeden Tag wieder die spannende Frage, wie heute wohl das Wetter wird und in welcher Reihenfolge. Weil der Wind in München meist von Westen weht, kann es auch durchaus sein, dass aufs Pflaster am Pasinger Marienplatz schon dicke Regentropfen klatschen, während die Schwabinger Sonnenanbeter noch die Straßencafés bevölkern.

Es gibt aber Menschen, die kommen ganz ohne bangen Blick zum Himmel oder auf die Smartphone-App aus und wissen trotzdem, ob sie einen Schirm brauchen. Marc Haug zum Beispiel. Der Geschäftsführer des Ökologischen Bildungszentrums (ÖBZ) muss nur die Anzeige auf dem kleinen schwarzen Display an seinem Schreibtisch betrachten, dann weiß er, wie das Wetter wird - zumindest das Wetter rund um die Englschalkinger Straße 156. Denn das ÖBZ hat neuerdings eine eigene Messstation.

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Marc Haug sagt von sich selbst, er sei ein bisschen Wetter-verrückt. Infiziert hat er sich in seiner Zeit als Pressesprecher der Bavaria Film GmbH in Geiselgasteig. Ein Bavaria-Tochterunternehmen produziert dort im eigenen Studio Wettersendungen für die ARD.

Haug lernte Claudia Kleinert, Sven Plöger und Karsten Schwanke kennen, die "Das Wetter im Ersten" und das Wetter der Tagesthemen moderieren. "Ich hab' da Gefallen an dem Thema gefunden", erzählt er. Wetter betreffe ja jeden, sei einerseits ein lokales Phänomen und andererseits - wenn genügend lokale Daten zusammenkommen - Basis für die globale Wetterbeobachtung und -prognose.

Es wird noch dauern, bis die Daten im Internet zu finden sind

Nach dem Vorbild der Wettermessstation vor der Studiotür in Geiselgasteig organisierte Haug auch für das ÖBZ einen Messpunkt. Das unscheinbare Gerät aus schwarzen und weißen Komponenten samt Antenne wurde auf dem begrünten Flachdach installiert. Seit Februar sammelt es Daten zu Temperatur, Niederschlag, Wind, Luftdruck und Globalstrahlung.

Das ist die Summe aus direkter Sonneneinstrahlung und diffuser Streustrahlung, verursacht von Wolken, Abgasen oder Rauch. Eingespeist werden die Werte in das Messnetz von Meteo Group, nach eigenen Angaben Europas größter privater Wetterdienst mit Standorten in 14 Ländern.

Ehe die Daten aus Englschalking im Internet zu finden sind, wird es noch etwas dauern. Vorerst erhebt die Meteo Group noch die statistischen Grundlagen am ÖBZ-Standort. Berücksichtigt werden muss auch, dass die Messstation auf dem Dach steht und nicht auf dem Boden. "Das ist zwar ein begrüntes Flachdach, aber es überhitzt doch recht stark", sagt Gery Keller, der Leiter des Messnetzes der Meteo Group. Ein bis zwei Grad liege die Temperatur über dem Wert am Boden. Solche Ausreißer müsse man statistisch bereinigen.

Die Werte vom eigenen Dach kann das ÖBZ selbst schon nutzen

In etwa einem Jahr wird die Datenbasis aus Englschalking breit und zuverlässig genug sein, um die Werte vom Dach des ÖBZ ins Internet zu stellen und damit einen Wetterservice für den Münchner Osten zu bieten. Unter www.oebz.de/wetter sind zwar schon heute Temperatur, Niederschlag, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeiten und Windrichtung zu finden, die Messdaten dafür kommen vorerst aber noch von der Nachbarstation in Giesing.

Die Werte vom eigenen Dach kann das ÖBZ selbst dennoch jetzt schon nutzen: etwa für die Gartenprojekte auf den Außenflächen. So sei es "hilfreich zu wissen, wie die Niederschlagswahrscheinlichkeit aussieht", erklärt Haug.

Derzeit würden auf einer Parzelle zwölf Sojabohnen-Sorten getestet, um herauszufinden, welche sich gut für das Klima in Deutschland eignen. Die Ernte-Ergebnisse könne man dann direkt mit den Wetterdaten während der Reifezeit genau an diesem Standort abgleichen.

Je dichter ein Messnetz geknüpft ist, desto exakter fallen regionale Vorhersagen aus. Und gerade in München kann sich das Wetter in den einzelnen Stadtvierteln stark unterscheiden. In der Regel bekommen die Aubinger vor den Daglfingern Wetteränderungen zu spüren. Denn die vorherrschende Windrichtung verläuft von West nach Ost, Regenfronten erreichen den Westen zuerst. Dann muss der Wind die Wolken erst einmal über die ganze Stadt schieben, ehe auch die Leute aus Bogenhausen nass werden.

Föhn aus den Bergen wiederum macht sich am südlichen Stadtrand praktisch immer bemerkbar, am anderen Ende, in Feldmoching oder Milbertshofen, aber vielleicht nur beim Blick auf den Himmel, wenn die Wolkendecke weit im Süden in einer schnurgeraden Linie endet.

Oder das Thema Eis und Schnee: Am Flughafen im Erdinger Moos auf 447 Meter Meereshöhe mag es noch regnen, wenn in Grünwald, 588 Meter hoch gelegen, schon Schneeflocken fallen. Messstationen in unterschiedlichen Höhenlagen ermöglichen daher zum Beispiel Glatteis-Prognosen.

Wegen des Stadt-Effekts wird es im Sommer sehr warm

Die Werte des Messnetzes belegen auch den sogenannten Stadt-Effekt: Beton speichert Wärme, die Luft heizt sich auf und kühlt auch nachts nicht mehr richtig ab. Außerdem gibt es in Städten weniger Vegetation als auf dem Land, die für Verdunstungskühlung sorgen könnte.

Ergebnis: In der Stadt, vor allem in den stark zugebauten Vierteln, wird es im Sommer sehr warm. Das heißt, der Mensch greift mit seiner Lebensweise in seine Umwelt ein und bekommt die Folgen zu spüren. Dafür sucht er dann wieder Lösungen - legt also Grünzonen und Frischluftschneisen an.

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All diese Zusammenhänge werden "klarer, wenn man sich selbst mit Wetter beschäftigt", sagt Haug. Deswegen ist die Messstation auf dem ÖBZ-Dach auch kein persönliches Steckenpferd des Geschäftsführers. "Energie, Wetter und Klima gehören seit jeher zu den Schwerpunktthemen unserer Umweltbildung", erklärt Haug.

Das ÖBZ habe den Münchner Klimaherbst mitinitiiert, auf seinen Freiflächen einen Energielehrpfad angelegt und Unterrichtsprogramme zu Klima-Themen entwickelt. Die Wettermessstation passt also ins Programm: Es gehe darum, sagt Haug, "den globalen Bezug zum Klimawandel herzustellen und über unsere Lebensstile zu reflektieren".

Zuverlässige Vorhersagen für fünf bis zehn Tage

Dass nebenbei noch Daten für Wetterprognosen auf seinem Display erscheinen, freut ihn zusätzlich. Für fünf bis zehn Tage würden die Computermodelle der Meteo Group zuverlässige Vorhersagen liefern, sagt Messleiter Gery Keller.

Für ein, zwei Monate voraus könne man immerhin "Tendenzen" angeben. Dieser Sommer zum Beispiel werde sich auch im Endspurt nicht mehr stabilisieren, prophezeit Keller. "Ich würde behaupten, dass es eher wechselhaft weitergeht."

Aber auch Gery Keller und Marc Haug, beide Freunde schöner, trockener Hochdruck-Tage mit Temperaturen um 25 Grad, werden im diesjährigen Wetter-Cocktail immer mal wieder etwas Passendes finden. Für ein paar Stunden am Stück zumindest.

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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