Ende der Sommerferien:Hurra, hurra, die Schule platzt

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Nicht alle Container werden zum Schulanfang fertig, einige sind baufällig. Die Ausnahme: Das provisorische gelungene Max-Planck-Gymnasium. (Foto: Catherina Hess)
  • Viele Schulhäuser in München sind so marode, dass dort nicht unterrichtet werden kann.
  • In 27 Pavillons sollen deshalb 198 neue Klassenzimmer entstehen - doch die sind noch längst nicht alle fertig.
  • Die Probleme in den Provisorien sind vielfältig - und nicht immer kann die Stadt etwas dafür.

Von Melanie Staudinger

Würden die Mitarbeiter des städtischen Bildungsreferats ein Unwort des Jahres wählen, so fiele die Abstimmung relativ klar aus. Formaldehyd würde garantiert weit vorne liegen, eine gasförmige Verbindung, die viel Ärger ausgelöst hat. Die sogar zu Panik unter den Eltern einer Grundschule in Obermenzing führte, der Schule, die heimlich den Spitznamen "die, deren Namen man nicht nennt" bekam - in Anlehnung an die Figur des Lord Voldemort aus den Harry-Potter-Geschichten. Dort sollen Eltern die Türen versperrt haben aus Angst, der Schadstoff könnte ihre Kinder vergiften. Die Grenzwerte in den Klassenzimmern sind längst wieder eingehalten, neue Lüftungen wurden eingebaut. Die Skepsis aber bleibt.

Schulcontainer gehören in München mittlerweile zum festen Bild. Rund 80 Anlagen sind im Stadtgebiet verteilt. Sie bieten ein Ausweichquartier, wenn das Schulhaus saniert wird, oder schaffen Abhilfe, weil der Platz ausgegangen ist. Alleine im vergangenen Jahr stellte die Stadt, die für den Bau und den Unterhalt aller öffentlichen Schulen zuständig ist, 14 Schulpavillons auf, zu Beginn des neuen Schuljahres in dieser Woche sollten 27 in Betrieb gehen. Doch am Ende der Ferien steht fest: Nicht alle sind rechtzeitig fertig. Neun Container warten länger auf ihre Eröffnung.

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In vier Fällen liegt das an besagtem Formaldehyd oder besser gesagt daran, dass seine Abwesenheit gutachterlich verbrieft sein soll, bevor die Kinder ihre neuen Räume betreten. Das Rathaus will ein Durcheinander wie in Obermenzing verhindern. Deshalb prüft die Verwaltung noch genauer. "Ein einwandfreies, gesundheitsverträgliches Raumklima hat höchste Priorität", sagt eine Sprecherin des Baureferats. Wie bei anderen städtischen Neubauten überprüften speziell akkreditierte Ingenieurbüros die Raumluft. Erst wenn die Ergebnisse einwandfrei sind, geben diese das Gebäude frei. Bei Containern allerdings existieren noch mehr Untersuchungen. Da dort in großem Umfang vorgefertigte Bauteile zum Einsatz kämen, schickt das Baureferat seine Leute bereits bei der Herstellung ins Werk. Sie entnehmen Materialproben und analysieren diese.

In einigen Schulen sind die letzten Messungen noch nicht abgeschlossen. Im Pavillon der Grund- und Mittelschule an der Schrobenhausener Straße etwa musste der Boden neu verfugt und damit die Raumluft noch einmal überprüft werden. Ähnliches passierte am Krehlebogen, dort soll die Wilhelm-Busch-Realschule einziehen. Auch am Agilolfinger Platz wird es länger dauern, die Grundschule an der südlichen Auffahrtsallee hingegen kann hoffen. Hier erwartet das Baureferat eine Freigabe für diesen Montag. "Die Schulen haben uns mitgeteilt, dass sie die Lage im Griff haben und interne Lösungen suchen, bis die Pavillons zur Verfügung stehen", sagt eine Sprecherin des Bildungsreferats. Spätestens in den Herbstferien seien diese Anlagen bezugsfertig.

Bei fünf weiteren Containern hingegen hatten die Schulen weniger Glück, dort wird es länger dauern. In der Fromundstraße kam es zu einem massiven Wasserschaden und Schimmelbefall. Die Pavillons der Grundschule an der Forstenrieder Allee und an der Guardinistraße sind ebenfalls noch nicht fertig. Hier stellen die Experten des Baureferats Baumängel fest, die Firmen müssen nachbessern. Überhaupt noch nicht absehbar ist, wann die Projekte am Max-Reinhardt-Weg für das Heinrich-Heine-Gymnasium und für die Grundschule an der Torquato-Tasso-Straße eröffnen. Hier stimmt die Statik nicht. Eventuell müssen die Anlagen sogar wieder abgebaut werden. Das prüft das Baureferat gerade.

Es gibt immer wieder Probleme mit den Containern

So zahlreich die Schulcontainer mittlerweile sind: Probleme gibt es mit ihnen immer wieder. Der Pavillon an der Flurstraße wird in den Herbstferien wegen Statikproblemen wieder abgebaut. Die Eltern der Grundschule an der Fritz-Lutz-Straße protestierten ebenfalls, weil sie ein schlechtes Raumklima fürchteten. Der Container an der Fröttmaninger Straße genügten den Qualitätsansprüchen der Stadt nicht und wird von der Mietfirma ersetzt. Bei den Anlagen der Ludwig-Thoma-Realschule und des Schulzentrums Moosach traten technische Probleme auf: Dort krachten Deckenplatten herunter, weil die Aufhängungen defekt waren. Das Baureferat ließ 51 baugleiche Pavillons überprüfen und Aufhängungen in den Anlagen des Wilhelmsgymnasiums und der Grundschule an der Astrid-Lindgren-Straße nachbessern.

Dabei erfüllen die Anlagen einen wichtigen Zweck. Sie bieten den dringend benötigten Platz an den Schulen, lassen sich schneller hinstellen als ein Neubau und können, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, an einen anderen Standort umgesetzt werden. Von den Zahlen her besucht noch eine Minderheit der Münchner Schüler eine Pavillonschule. Insgesamt zählen die öffentlichen Schulen 106 230 Kinder und Jugendlichen im neuen Schuljahr. 5150 von ihnen werden Unterschlupf in einem der 27 neuen Pavillons finden, die 198 Klassenzimmer bieten. Wie viele Schüler in allen 80 Containern unterrichtet werden, weiß das Bildungsreferat nicht. Darüber gebe es keine gesicherten Zahlen, da sich die Nutzung der Anlagen durch die Schulen im Laufe der Jahre ändere.

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In nur zwei Jahren errichtet die Stadt 47 provisorische Pavillons für gut 7000 Schüler - in den bestehenden Schulgebäuden ist längst kein Platz mehr. Von außen sind die Anlagen eher trist, doch im Inneren bieten sie durchaus Vorteile.

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Die Pavillons zeigen ein lange vernachlässigtes Problem in der bayerischen Landeshauptstadt. Obwohl sie zu den reichsten Kommunen in der Bundesrepublik gehört, kümmerte sie sich jahrelang kaum um die Schulgebäude, die vor sich hin moderten. Gleichzeitig stieg die Zahl der Schüler stetig und auch der pädagogische Bedarf wuchs. Ganztagsunterricht erfordert mehr Platz als die herkömmliche Halbtagsschule. Mit einer groß angelegten Schulbauoffensive will die Stadt diese Schwierigkeiten beheben. Bis 2030 plant sie, mehr als neun Milliarden Euro zu investieren. Bis dahin sollen die Pavillons die größte Not lindern.

Einer, der eine gefühlte Ewigkeit auf ein Ausweichquartier gewartet hat, ist Walter Scharl. Der Direktor des Max-Planck-Gymnasiums musste einige seiner Klassen in jahrzehntealten Containern unterbringen. Nun besitzt er einen neuen mit 16 Klassenzimmern. "Für eine Zwischenlösung ist das sehr nett geworden", sagt Scharl. Denn eigentlich soll seine Schule ja einen Neubau bekommen. Dafür müssen die alten Pavillons aber erst mal weg.

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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