Der "Gewöhnungseffekt" aus der Psychologie kann Angst, aber auch Hoffnung machen. Da ist der Lottogewinner, der eigentlich in Glückseligkeit baden sollte - sich aber nach wenigen Monaten nicht glückseliger fühlt als sein Nachbar mit den falschen Lottozahlen. Da ist aber auch der plötzlich Querschnittsgelähmte, der erst einmal in ein Loch fällt, sich dann aber mit seiner neuen Lebenssituation arrangiert. Kurzum: Der Mensch gewöhnt sich an seine Lebensumstände - die positiven wie die negativen, und pendelt sich früher oder später wieder bei "Normalgefühl" ein, in der Literatur als set point beschrieben.
Der Zornedinger muss hier als besonders malträtierte Spezies klassifiziert werden, ist doch seine trostlose Existenz vom ewigen Warten auf Glasfasern, ein Bahnhofsklo und ein Ortszentrum bestimmt. In diese Tristesse hinein erklingt nun der nächste Paukenschlag: Die Zornedinger sollen ab sofort ihre Mülltonnen selber raus stellen! Mehrere Bürger wurden zuletzt vom Abfallunternehmen per Handzettel aufgefordert, die Tonne eigenhändig auf den Gehweg zu rollen.
Das Netz reagiert geschockt. Das werde "unser Ortsbild sicherlich unheimlich verschönern", klagt ein Betroffener ironisch auf Facebook, er sieht sich "als Verbrecher" dargestellt. Eine andere Userin schluchzt: "Sollte ich sie mal vergessen, raus zu stellen wird sie einfach nicht geleert." Was ist da los? Die Gemeinde erklärt, dass das Abfuhrunternehmen die Tonnen laut Vertrag gar nicht aus dessen Häuschen rausholen muss, es bisher aber freiwillig gemacht hat. Wegen zunehmendem Zeitdruck ist jetzt Schluss damit. Die Zornedinger Deluxe-Entsorgung ist vorbei, der letzte Lichtblick, die letzte Wohlfühlbastion des gebeutelten Zornedingers gefallen. Die Stimmung ist im Eimer. Halt, stopp: der Gewöhnungseffekt! Der gilt auch für Zorneding: Alles wird wieder gut. Versprochen.