Krieg in der Ukraine:Von Zorneding nach Halle

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Valentina Makukh, Andrii, Nadja Schwed und Vladi (vorne, von links) hatten Zuflucht bei Reinhard und Daniela Preis (hinten) gefunden. Nun ist ihre Zeit in Zorneding zu Ende gegangen. (Foto: Christian Endt)

Nadja Schwed ist Mitte März mit ihren beiden Söhnen und ihrer Mutter aus der Ukraine geflüchtet. Knapp vier Monate fanden Sie Unterschlupf bei einer Gastfamilie in Zorneding. Aber an eine eigene Wohnung war hier kaum zu denken. In Halle an der Saale sind sie nun fündig geworden.

Von Karin Kampwerth, Zorneding

Das hatten sich Nadja Schwed und ihre Familie sehr gewünscht. Sie waren Mitte März nach einer aufreibenden Flucht aus der Ukraine in Zorneding gestrandet. Dort fanden sie bei Daniela und Reinhard Preis eine Bleibe. Sohn Xaver, 10, hatte extra sein Kinderzimmer geräumt und war in den Hobbykeller gezogen. Den wollten die Preis' ihren Gästen nicht zumuten. Nicht, dass der Raum nicht schön wäre. Aber sie befürchteten, dass ein Keller besonders bei Nadja Schweds Söhnen Andrii, 6, und Vladi, 3, schlimme Erinnerungen hervorrufen könnte.

Bevor Nadja Schwed, ihre Mutter Valentina Makukh und die Jungs ihr Dorf in der Nähe von Mykolajiw verließen, hatten sie tagelang im Keller ausgeharrt, um sich vor den Angriffen der russischen Armee zu schützen. Als eine Rakete nur wenige Meter vom Wohnhaus der Schweds einschlug, packte Nadia ihre Lieben und ein paar Sachen zusammen und machte sich auf den Weg. Nur raus aus der Ukraine, die Kinder in Sicherheit bringen. Ihr Mann und der Vater mussten zurückbleiben. Ihr Bruder kämpft an der Front

Die Familie hätte so lange wie nötig bleiben dürfen.

Gute vier Monate verbrachten sie in Zorneding. Anfangs waren vor allem die Kinder immer wieder krank, vermutlich eine Folge von Kriegstrauma und Flucht. Aber nach wenigen Wochen spielten die beiden Jungs fröhlich im Garten des Zornedinger Reihenhauses, Oma Valentina bekochte mit Borschtsch und anderen ukrainischen Spezialitäten die neue Großfamilie, und Nadja Schwed führte Hund Iggy aus, besuchte einen Deutschkurs und paukte Vokabeln.

Doch auch, wenn sich beide Familien gut miteinander arrangiert hatten und Nadja Schwed sicher sein konnte, dass sie mit ihrer Mutter und den beiden Söhnen so lange wie nötig in Xavers Kinderzimmer willkommen ist, blieb die Sehnsucht nach einer Wohnung. Auch Daniela und Reinhard Preis wünschten sich das für ihre Gäste - nicht, weil sie sie loswerden wollten, sondern weil ein Kinderzimmer für vier Leute auf Dauer keine gute Lösung ist. Um so größer war die Freude, als ein Ehepaar eine Wohnung mit Garten in Berganger in Aussicht stellte. Doch dann kam auch das Angebot, zum Onkel nach Halle zu ziehen. Ein Zug war schnell gebucht, die Koffer gepackt und an einem heißen Juli-Sonntag hieß es Abschied nehmen von den Gastgebern und Zorneding.

Inzwischen haben sich die vier in Halle eingelebt und eine kleine Wohnung bezogen. In der kommenden Woche beginnt die Schule für Andrii, und von September an wird Vladi in die Kita gehen.

Andrii probiert im Flur der neuen Wohnung in Halle an der Saale den Türöffner aus. (Foto: privat)
Das Wohn- und Esszimmer. Die Wohnung ist möbliert. (Foto: privat)
Das Schlafzimmer. (Foto: privat)

Nadja Schwed selber kämpft sich über die eine oder andere bürokratische Hürde, die deutlich niedriger waren, als Familie Preis noch geholfen hat. "Es ist schwierig, wenn man die Sprache nicht beherrscht", sagt sie. Noch schwerer wiegt aber, dass vorerst nicht an eine Rückkehr nach Mykolajiw zu denken ist. Erst vor wenigen Tagen stand die Stadt wieder unter starkem Beschuss durch die russische Armee. Deshalb arbeiten sie und ihre Mutter in Halle weiter an ihren Deutschkenntnissen.

An die Zeit in Zorneding denkt Nadja Schwed gerne zurück. "Danke, dass Sie meiner Familie geholfen haben. Wir erinnern uns an Ihre Freundlichkeit. Wir lieben dich.", schreibt sie.

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Krieg in der Ukraine
:"Alles ist vermint"

Seit Mitte März lebt Nadja Schwed mit ihrer Mutter und den beiden kleinen Söhnen bei einer Gastfamilie in Zorneding. Ihre Sorgen drehen sich um die Heimat, aber auch darum, wie ihr Leben in Deutschland weitergehen kann.

Von Karin Kampwerth

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