Vaterstetten/Grasbrunn:Vergnügliches Donnerwetter

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Vivaldis "Jahreszeiten" in Neukeferloh wecken Fantasie bei Klein und Groß

Von RITA BAEDEKER, Vaterstetten

Wäre es nach den Kindern gegangen, dann hätte es Vivaldi in seinen "Jahreszeiten" ruhig noch öfter krachen lassen können. Die Nachwuchs-Paukisten, die Heinrich Klug beim Kinderkonzert der Münchner Philharmoniker im Bürgerhaus Neukeferloh im Publikum rekrutiert, erledigen ihren Job am Donnerblech mit solcher Inbrunst, dass Klug sie immer wieder bremsen muss.

Kaum ein Werk eignet sich so wunderbar für eine Freude spendende und Fantasie anregende Vermittlung von Musik wie diese Violinkonzerte. Klug und seine Philharmoniker verstehen es, Klänge und musikalische Motive in eingängige Bilder, Geschichten und Gefühle zu übersetzen. Und so ist auch diese Aufführung, ein Sonderkonzert der Vaterstettener Rathauskonzerte, ein Gewinn für Jung und Alt.

Wie klingt es, wenn das Eis schmilzt? Wie hört es sich an, wenn das Gras wächst, warum ließ der Komponist den Sommer so leise, so langsam und noch dazu in Moll beginnen? "Wegen der Schwüle", vermutet ein Kind. Hört man nicht auch an der einen oder anderen Stelle den Gesang von Kuckuck und Distelfink? Und wie erzeugt man all diese Klangbilder auf Geige und Cello? Um diese Fragen zu beantworten, geben die Musiker immer wieder Klangbeispiele zum Besten. Tonleitern, die in die Tiefe stürzen, machen den zur Erde fahrenden Blitz fast körperlich spürbar. Und erst die selig-beschwipste Melodie des Herbstes mit seinen Festen, seinem Wein; die "kurzen ekligen Noten" (Klug), mit denen der Winter Einzug hält, das Stampfen der Stiefel im Schnee. Auch erwachsene Zuhörer werden diese Bilder nun in sich tragen, so oft sie Vivaldis "Jahreszeiten" hören.

Solist Benjamin mimt den vom herbstlichen Wein Beschwipsten, die drei Ballerinen tanzen dazu in Vivaldis "Jahreszeiten" ihren Reigen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch all das ist in den Ohren der kleinen Zuhörer nichts gegen den herrlichen Krach, den vier Kinder mit dem zur Verfügung gestellten Donnerblech produzieren. Kinder lieben Lärm, und sie lieben Bewegung. Das zeigt sich auch in der Pause, als die Kleinsten im Foyer Fangen spielen, andere sich von den Musikern zeigen lassen, wie man den Bogen der Geige richtig hält und waagerecht über die Saiten streicht.

Noch beliebter als das Ausprobieren von Instrumenten, das zu jedem Kinderkonzert der Philharmoniker dazugehört, ist dieses Mal allerdings der Tanz. Die Ballett-Akademie Benedict-Manniegel hat zu Vivaldis Musik einer Riege hochbegabter Ballerinen in fantasievollen Trikots der Ickinger Malerin, Bühnen- und Kostümbildnerin Petra Jakob eine zur Stimmung der Jahreszeiten passende Choreografie auf den Leib geschrieben. Anmutig das sanfte Wiegen der "Ähren" im Wind, die sich bald dem Sturm beugen, der im weißgrauen Trikot und in großen Sprüngen herumwirbelt. Eine schöne Idee auch das Erntefest, bei dem Benjamin, einziger Mann unter den Grazien, mit einer Flasche in der Hand den Betrunkenen mimt, während ihn die Mädchen necken.

Sehr zart und ästhetisch auch der "Pas de deux" der Regentropfen. Kein Wunder also, dass es die Kinder in der Pause keine Sekunde auf ihren Plätzen hält und sie auf der Bühne nun ebenfalls einen Reigen aufführen, sich drehen und hüpfen. Die Einführung in die Grundpositionen des klassischen Balletts, die Laurel Benedict zu Beginn des zweiten Teils hält, könnte ihr vielleicht doch bald tänzerischen Nachwuchs bescheren. Wie sie berichtet, ist es aufgrund des G 8 schwer geworden, hiesige Ballett-Schülerinnen zu bekommen, weshalb sich nun lauter junge Japanerinnen bei ihr schulen lassen. "Die zehnjährige Ausbildung, die man zum professionellen Tanzen braucht, ist mit dem bayerischen Schulsystem leider unmöglich."

Die Vaterstettenerin Abellina Ellert (Mitte) spielt den Frühling. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

So faszinierend jedoch das Ganze ist: Für kleinere Kinder dauert die Vorstellung mit gut zwei Stunden zu lange. Abgesehen vom Hauptwerk, den Jahreszeiten, werden noch zwei Opernarien Vivaldis aufgeführt, mit schöner klarer Stimme gesungen von Serafina Starke, sowie das Konzert für Violine und Echo-Violine und das für vier Violinen und Streicher. Den Frühling übernimmt Abellina Ellert aus Vaterstetten, ehemals Schülerin der dortigen Musikschule, die sehr farbenreich, mit schönem Ton und souverän intoniert. Den kontrastreichen Sommer holt Michael Nodel als Solist ins winterliche Neukeferloh. Louis Vandory lockt den Herbst mit seinen Farben und seiner festlichen Stimmung auf die Bühne und Valerie Steenken verleiht schließlich dem Winter ein grandios gespieltes Entrée. Das Streicher-Ensemble wird ergänzt von Konzertmeister Alexander Möck , Mitgliedern und Akademisten der Philharmoniker sowie Preisträgern von Jugend musiziert.

Beim abschließenden Gewitter treibt das fleißige "Donner-Quartett" mit Macht den Winter aus, dann bricht der nicht weniger laute Beifallssturm im Saal los. Und draußen riecht es schon ein klein bisschen nach Frühling.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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