Umweltpolitik:Erste Gemeinden im Klimanotstand

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Poing und Zorneding verpflichten sich, künftig mehr Rücksicht auf den Umweltschutz zu nehmen - mit unterschiedlich großer Unterstützung

Von Johanna Feckl und Wieland Bögel, Poing/Zorneding

Als erste Gemeinden im Kreis Ebersberg haben Poing und Zorneding den Klimanotstand ausgerufen. Das war das Ergebnis der jüngsten Gemeinderatssitzungen in den beiden Kommunen.

In Poing stellte die SPD-Fraktion im Juni den Antrag, dem Vorbild der Stadt Konstanz zu folgen und den Klimanotstand auszurufen. Konstanz hat als erste deutsche Kommune Anfang Mai einstimmig einen Beschluss verabschiedet, laut dem bei jeder Entscheidung des Gemeinderats die Auswirkungen auf das Klima zu untersuchen und dann diejenige Alternative zu wählen ist, die Umwelt, Natur und Artenvielfalt am wenigsten beeinflusst.

In der Sitzung des Gemeinderats berichtete Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) zunächst von der Debatte aus der jüngsten Zusammenkunft des Kreis- und Strategieausschusses, wo er als Fraktionsvorsitzender der Kreis-SPD Mitglied ist. Seine Partei hatte im Kreis denselben Antrag gestellt. Bei einigen Kreisräten habe der Begriff "Notstand" für Unmut gesorgt. Man einigte sich schließlich auf "Klimaschutzregion", was aber keinen Einfluss auf die weiteren inhaltlichen Formulierung habe.

SPD-Kreisrat Peter Maier betonte, dass es seiner Fraktion um den Inhalt gehe. "Wenn der Notstandsbegriff so viele Bauchschmerzen bereitet, dann hängen wir uns daran jetzt nicht auf." Tatsächlich befand Ludwig Berger (CSU) den Ausdruck für ein "ganz schlimmes Wort". Er sprach sich trotzdem für diesen Begriff aus. Manchmal müsse man Dinge auch sehr drastisch formulieren, damit Menschen hellhörig werden, argumentierte er. Auch alle übrigen Gemeinderäte hatten gegen den "Notstand" nichts einzuwenden.

Einzig die Freien Wähler äußerten Bedenken zur Formulierung einzelner Ziele und Maßnahmen. Manfred Vodermeier hob hervor, dass es laut Beschlussvorschlag "höchste Priorität" habe, die weltweite Klimakrise und ihre Folgen einzudämmen, und dass der Gemeinderat dann die Verpflichtung habe, bevorzugt Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken. Seiner Auslegung nach hätte das zur Folge, dass das neue Schwimmbad, um das es im anschließenden nichtöffentlichen Teil gehen sollte, nicht gebaut werden dürfe. Oberste Priorität hätte dann das Klima, und nicht der Wunsch, dass die Poinger Kinder schwimmen lernen.

Bürgermeister Hingerl widersprach dieser Interpretation. "Der Antrag heißt ja nicht, dass wir zu leben aufhören."Dem schlossen sich die übrigen Fraktionen an. Reinhard Tonollo von der SPD ergänzte, dass im Falle eines Beschlusses auch jeder einzelne Bürger in Poing aufgefordert sei, sein Verhalten in Bezug auf die Umwelt zu überdenken. Schließlich stimmte der Gemeinderat mit einer Gegenstimme von Manfred Vodermeier (FWG) für das Ausrufen des Klimanotstands.

Deutlich kontroverser gestaltete sich der Weg zum Klimanotstand in Zorneding - denn eigentlich hätte über eine andere Formulierung abgestimmt werden sollen. Zweite Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder, deren SPD den Antrag eingebracht hatte, war zunächst einverstanden, den Text analog des Beschlusses in den Kreisausschüssen zu ändern. Darin sind zwar die genannten Selbstverpflichtungen aufgeführt, allerdings wird auf das Wort "Klimanotstand" verzichtet. Stattdessen will sich der Landkreis zur "Klimaschutzregion" erklären.

Dass einige Probleme mit dem Begriff hatten, wurde schnell klar. Er sehe ein, dass man etwas tun müsse, sagte etwa Peter Pernsteiner (FDP), regte aber an, dem Wortlaut aus dem Kreisausschuss zu folgen. Das befürwortete auch Bürgermeister Piet Mayr (CSU), dem Bekenntnis zur Klimaschutzregion könne er zustimmen. Immerhin tue Zorneding bereits viel für die Energiewende, etwa durch Fotovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden.

Grundsätzlicher wurde die Kritik - sowohl an der Formulierung wie am Inhalt des Antrags - indes bei einigen von Mayrs Parteifreunden. Erstens sei "Notstand, wenn ich täglich um mein Leben rennen muss", sagte Stefanie Berndlmeier, zweitens könne man sich die Ausrufung eines solchen ohnehin sparen, "solange wir jedes Paar Socken in Plastiktüten packen und aus China herfliegen lassen." Noch drastischer formulierte es Ferdinand Glasl: Angesichts des CO₂-Ausstoßes in anderen Ländern, sei doch alles, was Zorneding tue, sinnlos - und zu teuer. "Ich habe ein Problem damit, dass wir Geld in die Hand nehmen sollen, und es hilft nichts". Sylvia Boher kommentierte den Antrag nur mit einem genervten "Santa Greta". "Es kommt immer der Punkt, wo einer sagt 'da können wir eh nix machen'", konterte Martin Lenz (FW). Er sei aber dafür "im Rahmen unserer Möglichkeiten gegenzusteuern". Sein Fraktionskollege Wilhelm Ficker ergänzte: "Es ist notwendig, dass sich die Gemeinde langfristig für Klimaneutralität einsetzt. Barbara Weiß (Grüne) sagte, jedes "kleine Rädchen" beim Klimaschutz bringe etwas, und die Gemeinde könne so eine Vorbildfunktion übernehmen. Auch der Vorwurf der Geldverschwendung treffe nicht zu, Energiesparen lohne sich auch finanziell. Helmut Obermaier (Grüne) warf Mayr vor, beim Thema Klimaschutz zu zaghaft und dessen Partei, immer dagegen zu sein. "Der Bürgermeister sollte vorangehen, aber die Anträge stellen SPD, Grüne und Freie Wähler - und die CSU ist dagegen."

Poschenrieder beantragte schließlich namentliche Abstimmung zu ihrem geänderten Antrag, damit vermerkt werde, wer gegen Klimaschutz stimme. Weiter gingen Vincent Kalnin und Moritz Dietz (beide Grüne), sie beantragten, über den ursprünglichen Wortlaut inklusive "Klimanotstand" abzustimmen. Mit den Stimmen von SPD, Grünen sowie Lenz und Ficker wurde dieser Antrag angenommen.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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