Krieg in der Ukraine:Für ein gutes Ankommen

Lesezeit: 3 min

Geflüchtete Ukrainer und Helfer bestmöglich zu vernetzen ist eines der Anliegen der Gemeinde Vaterstetten. (Foto: Gemeinde Vaterstetten/oh)

Mehr als 1200 ukrainische Flüchtlinge haben bereits im Landkreis Ebersberg Zuflucht gesucht. Und dabei wird es nicht bleiben. Wie sich die Gemeinden Kirchseeon, Vaterstetten und Zorneding auf die neuen Mitbewohner einstellen.

Von Merle Hubert , Vaterstetten, Zorneding, Kirchseeon

Am 24. März war es genau einen Monat her, dass russische Truppen in die Ukraine einmarschiert sind, seitdem tobt dort ein schlimmer Krieg. Schätzungen zufolge sind bereits mehr als drei Millionen Ukrainer und Ukrainerinnen geflohen. Stand Freitag haben sich 1220 Personen über das Online-Meldeformular beim Landratsamt gemeldet, die im Landkreis Ebersberg Zuflucht suchen. Welche Herausforderungen bringt das mit sich? Und wie stellen sich die Gemeinden im Landkreis auf die Situation ein?

Die erste Herausforderung: die Vermittlung von Wohnraum. Rund zehn Prozent der Flüchtlinge sind derzeit in staatlichen Unterkünften untergebracht. Am vergangenen Dienstag kam der erste Bus mit Menschen aus der Ukraine im Landkreis an, sie sind in der Turnhalle im Gymnasium Kirchseeon untergekommen. In Zorneding gibt es eine Containerunterkunft. Von dort aus werden die Flüchtlinge weitervermittelt. Alle anderen haben eine private Unterbringung bei Freunden, Verwandten oder freiwilligen Gastgebern gefunden. Die Kommunen im Landkreis dürfen sich jedenfalls freuen über ein großes Engagement seitens der Bürgerinnen und Bürger und über eine große Anzahl an privaten Unterkünften, die zur Verfügung gestellt werden.

Die Erfahrungen aus 2015 und 2016 kommen den Organisatoren nun zugute

"Wir als Gemeinde sind für die Koordinierung vor Ort zuständig", sagt Jan Paeplow, Bürgermeister von Kirchseeon. "Wir stehen in enger Verbindung mit dem Landratsamt, das federführend bei der Vergabe von Wohnungen ist." Ein großer organisatorischer Aufwand für die Kommunen: "Eine meiner Sekretärinnen kümmert sich momentan ausschließlich um die Vermittlung von Wohnungen", sagt Leonhard Spitzauer, Rathauschef in Vaterstetten. Ein weiterer "bürokratischer Kraftakt" sei die Registrierung der ankommenden Ukrainer und die Hilfestellung bei den Anträgen für Sozialhilfe, sagt Alexandra Smirnova, die Integrationsbeauftragte in Zorneding.

Dennoch sei die Situation zumindest in Vaterstetten, Zorneding und Kirchseeon gut zu bewältigen, heißt es aus den Rathäusern: Die Erfahrungen aus 2015 und 2016 kämen den Organisatoren nun zugute, außerdem habe man viele Helfergruppen aufs Neue aktivieren können. In den drei Gemeinden herrscht also Zuversicht. "Das alles war sehr spontan und überraschend für uns", sagt Smirnova. "Aber ich denke, wenn wir die Anfangsschwierigkeiten überwunden haben, wird sich in den kommenden Wochen alles gut einspielen."

Geflüchtete, die schon länger da sind, können Neuankömmlingen helfen

Trotzdem bleibt die Situation für alle Seiten herausfordernd. Laut Smirnova macht zum Beispiel die Sprachbarriere große Schwierigkeiten: Viele der Ukrainer könnten kein Englisch, weshalb man zahlreiche Dolmetscher benötige. Bürgermeister Spitzauer wiederum glaubt, dass die Vernetzung der Flüchtlinge und der Helfer untereinander sehr wichtig ist. "Wir haben eine Telegram-Gruppe erstellt, damit Kontakte geknüpft werden können."

Mitte März gab es in Vaterstetten zum ersten Mal ein offenes Treffen mit den ukrainischen Gästen im Offenen Haus der Arbeiterwohlfahrt. Und dieses Angebot sei gut angenommen worden, so der Rathauschef. Zahlreiche Ukrainer, Wohnungsgeber und Helfer seien der Einladung gefolgt. "Die Kinder haben zusammen gespielt, und wir konnten zahlreiche Fragen der Ukrainer und von Wohnungsgebern beantworten", erzählt er. Zehn freiwillige Übersetzer halfen bei der Vermittlung. "Es gibt viele Geflüchtete, die bereits seit mehreren Wochen da sind. Sie können die Neuankömmlinge unterstützen und ihnen alles zeigen, etwa wo der nächste Supermarkt im Ort ist", erzählt Spitzauer. Darüber hinaus sei auch der Austausch zwischen den Helfern und Wohnungsgebern wichtig. "Es gibt eine große Unsicherheit. Die Leute wollen helfen, haben aber natürlich tausend Fragen", so der 36-Jährige. Zum Beispiel: "Wie lange bleiben die Flüchtlinge? Wie mache ich das mit der Arbeit?"

Die Bürgermeister stellen sich auf eine langfristige Situation ein

Ein Großteil der Geflüchteten sind Kinder und Jugendliche mit ihren Müttern. In Vaterstetten ist deswegen bereits ein Betreuungsangebot in Planung. Neun Kinder im Kindergartenalter und 20 Kinder im Grundschulalter sollen dort versorgt werden. Eine geflüchtete Ukrainerin, die selbst zwei Kinder hat und von Beruf Geschichtslehrerin ist, hat sich bereit erklärt, zu helfen. "Wir werden auf jeden Fall Dolmetscher, Kindergarten- und Schulplätze brauchen", bestätigt Bürgermeister Paeplow aus Kirchseeon. Das bedeutet: Man benötigt mehr Personal und zusätzliche Räumlichkeiten.

Generell haben die Bürgermeister Spitzauer und Paeplow durchaus Respekt vor dem, was noch bevor steht. "Da kommt eine große Herausforderung auf uns zu", sagt Paeplow. "Wir wissen alle nicht, wie es weiter geht, und wir müssen uns auf eine langfristige Situation einstellen." Das Ende des Krieges sei nicht absehbar - und selbst wenn er vorbei sei, könnten nicht alle Ukrainer sofort in ihre Heimat zurückkehren, da viele Häuser zerstört wurden.

"Die Turnhalle in Kirchseeon ist jedenfalls keine Dauerlösung", sagt Paeplow. Und auch private Unterkünfte würden die Lage nur kurzfristig entschärfen, so Spitzauer. "Viele sind bereit, geflüchtete Ukrainer für ein paar Monate aufzunehmen. Aber wenn der Krieg länger dauert, müssen die Menschen woanders untergebracht werden." Die Bürgermeister sind sich einig: Ausdauer ist entscheidend. "Wir müssen einen langen Atem haben", sagt Jan Paeplow.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: