Trudering/Vaterstetten:Schöpferwerkstatt des Gesangs

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Mit dem Programm "Insight" gibt der Vaterstettener Don-Camillo-Chor vergnügliche Einblicke in seine musikalische Arbeit

Von Rita Baedeker, Trudering/Vaterstetten

"Das is'n Chor. Da singen mehrere Leute gemeinsam." Wer meint, mit diesen, von einem der Sänger lässig hingeworfenen Worten zur Begrüßung sei alles gesagt, was es über den a-cappella-Chor Don-Camillo aus Vaterstetten zu sagen gibt, der verzichte am Sonntag auf Tatort, Herzschmerz oder was das Heimkino sonst zu bieten hat, und besuche das Konzert "Insight" im Seniorenwohnpark Vaterstetten.

Einmal mehr ist dieser Chor ausgezogen, das Staunen zu lehren. Klar, diese "Leute" haben nur ihre Stimme, sonst nichts. Keine Instrumente, nicht mal ein Klavier. Wie es trotzdem gelingt, reine Töne und reiche Klangfarben zu produzieren; wie es sein kann, dass ein a-cappella-Chor klingt wie Orchester, Jazzcombo, Dampflok oder Tonbandgerät im Rückspulmodus, das demonstrieren die Camillos bei ihrer Premiere vergangenen Donnerstag im Kulturzentrum Trudering .

Mit ihrem Projekt "Insight" gibt der Chor unter Leitung von Matthias Seitz dem überwiegend jugendlichen Publikum unterhaltsame Einblicke in die Möglichkeiten der Klanggestaltung und Dynamik, in ein breites Repertoire an musikalischen Stilformen wie Pop, Jazz, Swing, Funk und Volksmusik. Und macht vor, wie die einzelnen Stimmen sich in Melodie- und Rhythmusgruppen teilen und ergänzen, wie sie allein mit der Kraft der Kehlen den typischen Klang von Trompete, Bass, Saxofon und Schlagzeug kreieren, ohne dass eventuell anwesende Katzen schreiend davonliefen.

Mit Klick-, Pfeif- und Schnalzlauten, rhythmisch hervorgestoßenen Silben, scat genannt, mit Rap und allem, was Stimmbänder hergeben, erschafft der Chor einen Kosmos der Klänge. Wie melodisch und perkussiv etwa bairischer Dialekt bei diesem Chor klingt, das erlebt das staunende Publikum bei einer Art gesungener Rauferei, bei der einem missliebigen Zeitgenossen ein Wortschwall deftigster Beleidigungen ("du Zipfe du, du boaniger Haderlump") um die Ohren gesungen wird, Gestik inbegriffen. Der Song endet mit einer "Watschn" - allerdings wird dabei nur in die Hände geklatscht. Für Zuhörer ohne bairische Sprachkenntnisse wird das Lied "zurückgespult" und der Text ins Hochdeutsche übersetzt.

Allein diese Idee, die Symbole eines Abspielgeräts auf Schilder aus Pappkarton zu malen und damit jeweils die nächste Aktion anzukündigen, ist hinreißend. Und natürlich imitiert der Chor dann auch die beim schnellen Vor- oder Zurückspulen vernehmbaren hochfrequent jaulenden Klangfetzen oder ändert die Abspielgeschwindigkeit. Die Zuschauer krümmen sich vor Lachen. So nah waren sich die beiden Welten, Original und Wiedergabe, noch nie. Vor allem die Jugendlichen im Saal, Schüler des Gymnasiums Traunstein, sind Feuer und Flamme. Beim interaktiven Teil des Programms darf das Publikum per Handzeichen mitbestimmen, wie das Stück "Secret of Life" klingen soll. Man entscheidet sich im Saal mehrheitlich für die sanftere Variante.

Und ja. Grandios singen können die Camillos auch. Mit dem Cole-Porter-Klassiker "Night and Day" etwa, mit zärtlich artikuliertem Intro, dem "tick tick tock of the stately clock", mit fein abgestimmten Einsätzen, begeistern sie ebenso wie mit dem "Holzwurmjodler" aus dem unlängst mit einem Preis gewürdigten, selbst geschriebenem, vertonten und inszenierten Musical "Kasimirs Abenteuer".

Schließlich geht es bei dieser Lektion aus der Schöpferwerkstatt des Gesangs nicht nur um stimmliche, sondern auch um die zwischenmenschliche Chemie. "Der Zusammenklang ist besser, wenn man sich gut versteht", sagt Seitz. Der es, wie auch seine fünf "verschlissenen" Vorgänger, nicht immer leicht habe mit diesem Haufen, heißt es im nächsten Lied. In einem witzigen Arrangement des Paul-Simon-Klassikers "Fifty ways to leave your lover" werden Wege aufgezeigt, wie man sich eines Chors entledigen könne, etwa indem man falsche Töne vorgibt. Das Ganze heißt hier "fifty ways to leave your quire", ein alter englischer Begriff für Chor.

Nach drei Zugaben, darunter eine Komposition von Udo Jürgens und ein schlichtes bayerisches Volkslied mit elegischem Ende, muss man Paul Simon wohl korrigieren: Es gibt mindestens fünfzig Gründe, diesen Chor zu lieben. Am Sonntag, 8.

Oktober, 19 Uhr, ist der Don-Camillo-Chor im Festsaal des GSD-Seniorenwohnparks Vaterstetten. Tickets unter (089) 41 61 69 64.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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