Tatort-Star in Haar:Der wandlungsfähige Herr Kommissar

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Miroslav Nemec liest am 22. Oktober im Kleinen Theater aus seinem zweiten Roman "Kroatisches Roulette", einem turbulenten Krimi

Von Michaela Pelz, Haar

Werbung für Treppenlifte? Nein, da sei tatsächlich noch kein Hersteller auf ihn zugekommen, verrät Miroslav Nemec lachend am Telefon. Ganz aus der Luft gegriffen wäre das allerdings nicht - denn genau das ist eine der Lösungen für den Ich-Erzähler in "Kroatisches Roulette", als er ziemlich schnell ziemlich viel Geld braucht. Wie es dazu kommt, ist am Donnerstag, 22. Oktober, bei zwei Lesungen im Kleinen Theater in Haar zu erfahren. Da kann das Publikum in eine rasante und höchst turbulente Geschichte eintauchen, angesiedelt in und um Rijeka, in der die ausgeklügelte Inszenierung einer sexuellen Belästigung erst von einer blutüberströmten Frau und danach von einer komplett aus dem Ruder laufenden Erpressung getoppt wird. Verhaftung und Schusswunden inklusive.

Geschrieben hat der Schauspieler Nemec den 2018 erschienenen Kriminalroman selbst, es ist schon sein zweiter. Und als Protagonist fungiert in beiden Bänden - Überraschung! - kein anderer als der 66-jährige selbst, der seit 1991 mehr als 80 Mal in der Lederjacke des Münchner Tatort-Kommissars Ivo Batic zu sehen war. Fast wundert man sich, dass niemand früher auf die Idee gekommen ist, den echten Nemec und sein Ermittler-Alter-Ego zusammenzubringen, um die beiden in Personalunion fiktive Fälle lösen zu lassen.

Zu verdanken ist das Verleger Wolfgang Ferchl. "Wir kannten uns schon lange, trafen uns oft," berichtet der Autor. Dennoch erschien sein Debüt, die Autobiografie "Miroslav Jugoslav", 2012 in einem anderen Verlag. Bei einem Spaziergang im Montafon habe der Freund dann darauf gedrängt, endlich ein gemeinsames Buch zu machen. "Du kochst doch so gut und erzählst dauernd Witze - wie wäre es mit einem Kochbuch? Oder einem Witzebuch? Oder vielleicht doch einem Krimi?"

Es wurde Letzteres - wobei gerade im ersten Band ("Die Toten von der Falkneralm"), bei dem der Schauspieler-Ich-Erzähler beim "Read & Greet" in einem abgeschiedenen Berghotel zum Hobbydetektiv avanciert, köstlich selbstironische Seitenhiebe auf die eigene Situation als Prominenter und schwarzhumorige Scherze nicht zu kurz kommen.

Gleichzeitig schimmert schon da etwas durch, was in "Kroatisches Roulette" eine noch viel größere Rolle spielt: höchst persönliche, autobiografisch anmutende Einsprengsel. Erinnerungen an vom Vater vermittelte Tugenden, Erlebnisse mit Jugendfreunden, aber auch der Zwiespalt eines Mannes, seit seinem zwölften Lebensjahr in Deutschland aufgewachsen, aber mit den Wurzeln eines heißblütigen Kroaten, dem schon mal die Faust ausrutscht. Was ist hier Fakt, was Fiktion? "Es ist alles so gewesen und wahr. Ich komme ja wirklich aus einem Hinterhof in Zagreb", erzählt Nemec." Als ich dann bei meiner Großtante in Freilassing lebte, die wie eine Oma für mich war, gab es in der Tat öfter mal körperliche Auseinandersetzungen mit anderen. Später, nach der Gründung unserer Band Asphyxia, war das nicht mehr nötig, da hatte sich mein Ansehen etabliert."

Doch natürlich gibt es auch in den Jahren danach immer wieder Momente, in denen der mittlerweile höchst erfolgreiche und vielfach preisgekrönte Nemec eine innere Zerrissenheit spürt. Etwa, als es im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens zum Krieg kommt. "Ich hatte ein schlechtes Gewissen dabei, nichts tun zu können, während meine Freunde in den Krieg ziehen mussten." Dabei tut Nemec, bei dem man in jeder Zeile seiner Bücher den leidenschaftlichen Familienmenschen erkennt, nicht "nichts": Er holt seine Eltern für ein paar Monate nach München. Fährt nach ihrer Rückkehr immer wieder "nach unten". Und gründet 1993/94 den Verein "Hand-in-Hand", der sich gut 15 Jahre lang für Kriegswaisen einsetzt.

Kinder zu unterstützen, das bleibt dem dreifachen Vater wichtig, deswegen sagt er gleich zu, als das Sozialpsychiatrische Zentrum ihn im Januar 2019 bittet, eine Benefizveranstaltung für das Kinder-Kardiozentrum in Haar zu machen. Da präsentiert Nemec, der am Salzburger Mozarteum Klavier studierte und sich sowohl ausgebildeter Schauspieler als auch Fachlehrer für Musik nennen darf, mit Gitarre und Begleitung seine Autobiografie. Eigentlich sollte nun genau diese Darbietung im Rahmen der Reihe "Seelen-Art" zugunsten von Kunstprojekten für psychisch kranke Menschen wiederholt werden, was aber aktuell nicht möglich ist: Die Veranstaltung darf nicht länger dauern als eine Stunde. Deswegen gibt es nun also die Krimilesung. Und das nicht nur ein-, sondern gleich zwei Mal: um 18.30 und um 20 Uhr.

Vielleicht wird Nemec danach beim Publikumsgespräch enthüllen, was seine Frau dazu sagt, namentlich in seinen Romanen vorzukommen ("als allererste Testleserin trifft sie die Entscheidung, wie viel okay ist"), wie es mit weiteren Büchern aussieht ("Ideen sind da") oder was die Verfilmung der bisherigen Bände macht ("das leidige Geld"). Man darf jedenfalls gespannt sein.

Lesung "Kroatisches Roulette" von Miroslav Nemec am Donnerstag, 22. Oktober, im Kleinen Theater Haar. Der Veranstalter bittet um Anmeldung unter (089) 890 56 98 11.

© SZ vom 15.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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