SZ-Adventskalender:Als das Leben noch schmerzfrei war

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Ein Unfall hat alles verändert: Dana G., früher eine lebenslustige Frau, hat seit 14 Jahren Schmerzen und kann kaum noch arbeiten. Dabei bräuchte sie das Geld dringend.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Wenn Dana G. den Kinderwagen vor sich herschiebt, wird sie oft gefragt: "Ist da ein Baby drin?" G., eine kleine Frau Anfang 50, antwortet dann: "Nein, das ist ein Einkaufswagen." In Wahrheit braucht sie den Kinderwagen aber als Stütze, um richtig laufen zu können. Einen Rollator kann sie sich nicht leisten. Und weil sie immer mal wieder müde wird beim Laufen, hat sie sich eine Picknickdecke unten in den Kinderwagen gepackt, die sie dann und wann auf Bänken ausbreitet, um sich ein wenig auszuruhen.

In ihrem Leben hat Dana G. schon viel erlebt und durchgemacht, das sieht man ihr an. Beim Treffen mit der SZ hat sie im Schneidersitz und barfuß auf einer Matratze Platz genommen. Sie lebt in einer kleinen Wohnung im nördlichen Landkreis, die sie sich mit ihrer neunjährigen Tochter teilt.

Früher, erzählt G., war sie ein sehr fröhlicher Mensch, der sich schnell mit anderen angefreundet hat. Das nimmt man ihr sofort ab, sie strahlt eine warme Herzlichkeit aus und will, dass man sich wohlfühlt. Sie hat geackert für zwei, um auch ihren damaligen Mann zu finanzieren- einen Inder, der sie nur wegen der Papiere geheiratet habe, wie sie mit einem Bedauern in der Stimme erzählt. "Ich habe als Reinigungskraft gearbeitet, als Bedienung, in der Küche", sagt Dana G. Dann kam 2008 der Unfall. "Er hat mich verändert", sagt G.

Als Folge des Unfalls kann sie nicht mehr arbeiten und ist auf Schmerzmittel angewiesen

An den Unfall selbst hat sie keine Erinnerungen mehr. Es ist ein Winterabend, es schneit, die Sicht ist schlecht. Nach der Arbeit will Dana G. nach Hause gehen, die Fußgängerampel zeigt grün. Eine Autofahrerin, die ebenfalls grün hat, übersieht sie - und überfährt sie. G. wird noch am Unfallort beatmet und mit dem Rettungshubschrauber ins Klinikum Großhadern gebracht. Ihr Becken ist zersplittert, ihr Knie ist kaputt. Als Dana G. das Bewusstsein wiedererlangt, begrüßt sie ein Arzt mit den Worten: "Willkommen im Leben!"

G. bekommt eine Schraube in die Hüfte, die erst nach einem Jahr wieder entfernt wird. Seitdem hat sie chronische Schmerzen und kann nicht mehr arbeiten. "Meine Hüfte ist verheilt", sagt sie, "aber die Schmerzen werden nicht mehr weggehen." Nach mittlerweile 14 Jahren Schmerzen hat sie gelernt, damit umzugehen. Physiotherapie hat sie ausprobiert, geholfen hat es nicht. Ihr Hausarzt hat zu Schmerzmitteln geraten, allerdings mit der Warnung, nicht zu viele zu nehmen. Doch Dana G. schafft ihren Alltag nicht mehr ohne die Medikamente. Sie zeigt ein kleines blaues Körbchen, in dem Ibuprofen und Magenschutz-Tabletten sich stapeln.

Ob sie wütend ist auf die Unfall-Verursacherin? Dana G. wiegt den Kopf und sagt nachdrücklich: "Nein, es war Schicksal." Die Frau hat sich entschuldigt, ihr Mann hat noch Blumen ins Krankenhaus gebracht, nun gibt es keinen Kontakt mehr.

Wenigstens eine passende Winterjacke für die Tochter würde Dana G. gerne kaufen

Seit dem Unfall nun lebt Dana G. von staatlicher Unterstützung, und das, sagt sie, reicht hinten und vorne nicht. Um noch ein bisschen dazu zu verdienen, arbeitet G. fünfmal in der Woche für je 45 Minuten als Reinigungskraft. Diese 45 Minuten teilt sie sich selbst so ein, dass sie immer wieder Pausen macht, sich hinsetzt und erst nach anderthalb Stunden fertig ist. Insgesamt 160 Euro verdient sie auf diese Weise noch monatlich dazu - trotzdem weiß Dana G. oft nicht, wie sie und ihre Tochter über die Runden kommen sollen.

Offene Rechnungen verfolgen sie oft monatelang. Sie zeigt einen Zettel, da geht es um eine Zahnarztbehandlung ihrer Tochter, die sie anteilig zahlen muss. Nur weil die Sprechstundenhilfe nochmal ein Auge zugedrückt hat, kann sie diesen Betrag in Raten abstottern. Der Papa ihrer Tochter zahlt keinen Unterhalt. Er hat eine neue Familie, die gar nichts von der Existenz seiner Tochter weiß.

Ihren Herzenswunsch, den hat Dana G. schnell formuliert: "Ich würde meiner Tochter so gern Winterkleidung kaufen." Weil ihr die Sachen vom Vorjahr zu klein sind, würde die Neunjährige nun jeden Morgen jammern: "Mir ist so kalt!" Die Hosen seien zu eng, die Pullover an den Ärmeln zu kurz, die Schuhe zu klein. "Wenn meine Tochter erst einmal warme Kleider hat", sagt Dana G., "dann bin ich froh."

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