SZ-Adventskalender:Zu siebt auf 57 Quadratmetern

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Mangelware Wohnraum: Familie Senait und Hawi W. hätten gerne für sich und ihre fünf Kinder eine größere Wohnung, hatten aber noch kein Glück bei der Suche. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Senait und Hawi W. haben zusammen fünf Kinder - wohnen allerdings nur in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Mehr als alles andere wünscht sich die Familie deswegen mehr Platz.

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Wärme und Weihrauchgeruch umfangen einen, wenn man die Wohnung von Senait und Hawi W., die anonym bleiben möchten, betritt. Es ist sauber, aufgeräumt und hell, die wenigen Möbel und Deko sind stilvoll kombiniert: Wohlfühlatmosphäre. So freundlich wie die Wohnung wirkt auch Senait W., fast während des ganzen Gesprächs lächelt sie.

Und das, obwohl sie mehr als genug Sorgen hat. Ganz oben auf der Liste: Die eigentlich nette Wohnung ist viel zu klein. Wie so viele im Landkreis leiden die W.s unter Wohnraummangel: "Als ich 2010 hier mit meinem ersten Mann eingezogen bin, hatten wir eine Tochter", so Senait W. Mittlerweile ist die Familie - nun mit neuem Ehemann - viel größer geworden. Insgesamt fünf Kinder zählen die W.s, im Alter von einem bis 13 Jahren, auf nur 57 Quadratmetern: Küche, je ein Wohn- und Schlafzimmer, Bad, das wars.

"Meine Kinder brauchen Platz"

Senait W. kam 2003 mit einem Visum nach Deutschland, als sie ihren ersten Mann heiratete. Sie bekamen zusammen zwei Kinder. 2018 kam die Scheidung, seit 2020 wohnt sie mit ihrem zweiten Mann zusammen, die Familie wuchs um drei weitere Kinder. Jetzt platzt die Wohnung aus allen Nähten. "Meine Kinder brauchen Platz", sagt Senait W. Besonders beim Hausaufgaben machen sei es schwierig für die beiden älteren, sich zu konzentrieren.

Und auch Schlafraum ist Mangelware. Im Kinderzimmer steht ein Hochbett, die Eltern schlafen zusammen mit dem Jüngsten im Wohnzimmer. Viel Raum für Privatsphäre bleibt da nicht. "Im Winter ist es besonders hart, weil wir die Terrasse nicht benutzen können", erzählt Senait W. Sie und ihr Mann versuchen, so oft es geht, etwas mit einem Teil der Kinder zu unternehmen, damit in der Wohnung nicht alle aufeinander hocken.

Die enge Wohnung sorgt nicht nur für Stress, sondern auch für gesundheitliche Risiken. "Seit einiger Zeit schimmelt es bei uns", so Senait W. und das, obwohl sie jeden Tag mehrmals lüfte. "Jetzt habe ich Angst, dass meine Kinder dadurch krank werden". Der Vermieter bestreite aber, dass die Flecken an der Wand Schimmel seien und unternehme nichts. Also musste Senait W. einen Luftentfeuchter kaufen und entfernt regelmäßig - so gut es geht - den Befall.

Seit Jahren sucht das Ehepaar nun schon nach einer neuen Wohnung, bisher ohne Erfolg. Einige Male hatten sie bereits Wohnungsbesichtigungen für Drei- oder Vier-Zimmer-Wohnungen. Allerdings fühlten sich die Vermieter nicht wohl dabei, eine so große Familie dort unterzubringen. Bei Sozialwohnungen hingegen stießen sie auf rechtliche Hürden: "Uns wurde gesagt, dass das Gesetz für eine Familie unserer Größe eine Wohnung mit fünf Zimmern vorschreibt". Also steckt die Familie immer noch in ihrer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung fest. Auch das Wohnungsamt konnte bisher keine neue Wohnung vermitteln.

Ohne Geburtsurkunde keine Heirat, ohne Heirat höhere Steuern

Nicht nur bei der Wohnungssuche werden den W.s von der deutschen Bürokratie Steine in den Weg gelegt. Hawi W. lebt und arbeitet als Lagerist zwar seit sechs Jahren in Deutschland, allerdings konnte er noch keinen Pass beantragen. Der Grund: Es liegt keine Geburtsurkunde oder sonstiges Ausweisdokument aus seinem afrikanischen Heimatland vor. Senait W. erzählt, dass ihr Mann mit 17 Jahren geflohen sei, doch erst mit 18 hätte er einen Ausweis bekommen. Eine Geburtsurkunde gab es in dem kleinen Ort, wo er herkommt, ohnehin nicht.

Ohne Urkunde darf das Paar, das in einer Moschee bereits getraut ist, jedoch nicht amtlich heiraten, was die Steuerbelastung deutlich erhöht. Hawi W. bemüht sich zwar darum, eine Geburtsurkunde zu bekommen, das gestaltet sich aus der Distanz allerdings als schwierig. Senait W. musste außerdem eine private Krankenversicherung abschließen, die ebenfalls teuer ist.

Die W.s würden sich sehr über eine größere Wohnung freuen

Dennoch gibt sich Senait W. bescheiden: "Eigentlich haben wir alles, was wir brauchen." Ein paar Nachfragen ergeben dann aber doch die ein oder andere Notwendigkeit: ein neuer Schreibtisch, ein neues Hochbett, Geld für Ausflüge und Hobbys der Kinder.

Ihr dringendstes Anliegen sei es jedoch, das betont Senait W. immer wieder, dass jemand ihnen bei der Wohnsituation helfen könne: "Wir hatten in all den Jahren nie Probleme mit den Nachbarn oder dem Vermieter. Es wäre toll, wenn wir eine größere Wohnung - auch mit drei oder vier Zimmern - finden könnten."

Wer der Familie von Senait und Hawi W. eine größere Wohnung anbieten möchte, kann sich an Liane Spiegelberg von der Wohnungsnotfallhilfe Ebersberg wenden, unter: liane.spiegelberg@sd-obb.de oder Telefon (08092) 853 99 64.

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