Stadthalle Grafing:Echt lustig!

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In der Grafinger Stadthalle findet die erste Veranstaltung unter Corona-Bedingungen statt - mit Erfolg

Von Anja Blum, Grafing

Gemütlich ist etwas anderes. 70 Stühle stehen in der Grafinger Stadthalle, je zwei zusammen, verteilt im ganzen großen Saal. Klar, dazwischen muss ja immer genügend Abstand sein, um den aktuellen Gesundheitsvorschriften genüge zu tun. Die Pandemie und die Kultur - sie haben es schwer miteinander. Trotzdem hat Sebastian Schlagenhaufer es nun gewagt, hat als künstlerischer Leiter der Stadthalle mit dem Erfolgsformat "Mixed Show" einen Testballon steigen lassen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Der bestens besuchte Abend war ganz anders, als es das Grafinger Publikum gewöhnt ist - und trotzdem ein Gewinn. Die Menschen, das wird schnell deutlich, sind unendlich dankbar, wenn sie überhaupt einmal wieder Kultur erleben dürfen, nicht über einen Bildschirm, sondern ganz in Echt.

Die erste "Mixed Show" im Saal der Grafinger Stadthalle kommt sehr gut an. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Normalerweise findet die monatliche Mixed Show in der Turmstube der Stadthalle statt und ist immer lang im Voraus ausverkauft. Die Überraschungsabende mit jeweils vier vorab ungenannten Künstlern sind beliebt wie kaum ein anderes Format. Weil freie Platzwahl herrscht, kommen viele Stammgäste schon sehr zeitig, suchen sich einen schönen Tisch, an dem sie essen, trinken und ratschen, bis das Programm auf der Bühne startet.

Nicht so an diesem Donnerstagabend in Zeiten von Corona. Um die "Verweildauer" - wie vom Gesetzgeber gefordert - möglichst kurz zu halten, startet der Einlass erst eine halbe Stunde vor Beginn. Da stehen schon etwa 20 Gäste unter dem Vordach der Stadthalle. Beim Eintreten müssen sie nicht nur ihre Karte vorzeigen, sondern auch Kontaktdaten hinterlassen. Der Sitzplatz wird zugewiesen. Zu essen gibt es nichts, aber der Ausschank hat geöffnet. Immerhin. Außerdem ist gerade erst die durchgängige Maskenpflicht bei Kulturveranstaltungen gefallen: Wer sitzt, darf seinen Mundschutz abnehmen, was wohl alle Zuschauer als große Erleichterung empfinden.

Bei einer Veranstaltung im Zeichen der Pandemie ist vieles ungewohnt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für die Veranstalter sind die sich ständig ändernden Vorschriften freilich eine große Herausforderung. "Erst vor 14 Tagen war klar, dass überhaupt wieder etwas stattfinden kann, eine Woche später wurde die Zahl der Gäste auf 70 erhöht", erklärt der Hausherr. Insofern sei der Abend doch sehr kurzfristig zustande gekommen. "Aber die Künstler hatten glücklicherweise noch nichts anderes vor." Corona sei Dank! Außerdem lobt Schlagenhaufer seine Gäste: Nur weil so viele von ihnen ihre Tickets nicht zurückgegeben hätten, habe er Planungssicherheit gehabt - sprich die Künstler guten Gewissens buchen können.

Anstehen, einchecken, wohlfühlen? (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Anstatt wie sonst vier stehen bei dieser Corona-Show nur drei Kreative auf der Bühne, der Abend darf schließlich nicht zu lange dauern. Immer wieder blickt Moderator Schlagenhaufer auf die Uhr, aber alle Performer sind sehr diszipliniert, so dass es am Ende sogar noch ein paar Zuschläge geben darf. Schluss ist dann um 21.30 Uhr, Punktlandung. "Man wird stolz auf uns sein in München!"

In Christoph Theußl, Berni Maisberger und Cengiz Öztunc treten drei sehr unterschiedliche Temperamente an, das Grafinger Publikum mit ihrer Kunst zu erfreuen. Öztunc aus Bad Reichenhall, halb Türke, halb Österreicher und obendrein mit einem tiefboarischen Zungenschlag gesegnet, macht genau diese ethnische Mixtur zum Gegenstand seiner Erzählung. Da geht es tief hinab in die Dialekt- und Klischeekiste - ein wunderbar seichtes und kraftvolles Intermezzo. Um einiges ernster geht es bei Maisberger zu, einem Liedermacher erster Güte. Der Münchner singt vom Konsumwahn, vom Ausverkauf des Isentals und des Stadtteils Giesing - "des is amoi ma Hoimat g'wen". Außerdem covert er Songs, auf unnachahmliche Weise, weil er ihnen boarische Texte verpasst. Von Bob Dylans "All along the watchtower" bis hin zu einem Klassiker von Steve Miller: "I bin a Joker, a Rocker, a Mitternachtsdahocker", röhrt Maisberger, dass es eine Freude ist. Sein Kollege Theußl, ebenfalls mit Gitarre bewaffnet, klinkt sich sogleich ein, inklusive Spontansolo. Doch der Musikkabarettist kann nicht nur Blues, sondern ist vor allem ein Meister des Absurden. Der in München lebende Österreicher peitscht die Stimmung im Saal zum Höhepunkt, mit aberwitzigen Reimen und satirischen Liedern. "Fleisch is geil", heißt es da, oder "Was wär der Kosmos ohne mich? Ein Ort ohne Relevanz!". Aber vor allem Theußls Corona-Songs, über schwierige Zeiten für einsame Herzen (da reimt sich Erektion auf Tröpfcheninfektion) und das Los der systemunrelevanten Künstler treffen den Nerv des Publikums. Vor allem, weil der Kabarettist eben nicht jammert, sondern alles ganz entspannt ad absurdum führt.

Obwohl das Mitsingen coronabedingt leider noch verboten ist, weiß das Grafinger Publikum seine Begeisterung durchaus mitzuteilen. Es wird geklatscht, gelacht und gejubelt - so dass Schlagenhaufers Fazit am Ende eindeutig ausfällt: "Wir hatten alle Spaß, und sollten das wieder tun." Ja, ganz unbedingt!

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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