S-Bahn:Skepsis und Hoffnung

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Nicht nur München - Grafing/Ebersberg, das S-Bahn-Bündnis Ost fordert eindringlich den Ausbau zwischen München und Markt Schwaben. (Foto: Christian Endt)

Politiker aus der Region feiern den anstehenden Bau der neuen Stammstrecke als "Meilenstein". Doch manche Verkehrsfachleute fürchten, dass dadurch das Geld für Verbesserungen im Landkreis fehlen wird.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Auf den Zeitungstiteln, die viele Pendler am Mittwochmorgen studierten, stand die tolle Neuigkeit: Bald soll es nun tatsächlich mit dem Bau der zweiten Stammstrecke losgehen. Die Zugpassagiere im Landkreis Ebersberg hatten viel Zeit, die Artikel zu lesen, denn etliche von ihnen warteten entweder auf den Bahnsteigen vergeblich auf ihre S-Bahnen oder in den Bahnen darauf, dass diese endlich weiter fuhren.

Technische Störung in Eglharting, Weichenstörung in Grafing - Pendleralltag im Landkreis. Eine zweite Stammstrecke würde daran nichts ändern, Verkehrsfachleute rechnen sogar mit dem Gegenteil: "Das Geld, das in die Stammstrecke gesteckt wird, fehlt bei uns", sagt Werner Karg, Sprecher des Ebersberger Arbeitskreises Mobilität für alle. Fachleute haben daher am Mittwochabend mit Landrat Robert Niedergesäß über Wege aus diesem Dilemma diskutiert.

Niedergesäß hatte zuvor in einer gemeinsamen Presseerklärung mit Landtagsabgeordnetem Thomas Huber und Bundestagsabgeordnetem Andreas Lenz (alle CSU) die Entscheidung für die zweite Stammstrecke als "Meilenstein" bezeichnet: "Ohne eine zweite Stammstrecke wäre das in die Jahre gekommene S-Bahn-System in absehbarer Zeit an seine Grenzen gestoßen."

Skepsis, inwieweit Fahrgäste auf den Außenästen der Stammtstrecke profitieren

Die zweite Stammstrecke sei auch die Voraussetzung dafür, dass das S-Bahnnetz in Zukunft auch an den Außenästen verbessert werden könne. Konkret nennen die CSU-Politiker den Ausbau zwischen Riem und Markt Schwaben, den zusätzlichen Bahnsteig in Markt Schwaben auch den Ausbau von Grafing Richtung Ebersberg und Wasserburg.

Doch Karg ist ebenso wie Thomas Kauderer, der bei der Fahrgastvereinigung "Pro Bahn" für den Landkreis zuständig ist, höchst skeptisch, inwieweit die Fahrgäste auf den Außenästen von der zweiten Stammstrecke profitieren. Zwar könnten durch den zweiten Tunnel Störungen einfacher ausgeglichen werden, die sich auch auf Pendler aus und nach Ebersberg oder Markt Schwaben auswirken. "Aber Maßnahmen, die wichtiger und billiger wären, fallen durch dieses Großprojekt weg", vermutet Kauderer.

Gerade im Landkreis Ebersberg gäbe es laut Karg etliches, was sich tun ließe, um die S-Bahn etwas zuverlässiger zu machen. Auf der Linie S4 liegt das Problem vor allem an der Eingleisigkeit zwischen Ebersberg und Grafing-Bahnhof. Winzige Verspätungen lassen sich hier schon nicht mehr ausgleichen, weil immer nur ein Zug auf die Strecke geführt werden kann. Ein weiteres Gleis wäre wegen der angrenzenden Bebauung schwer möglich, Begegnungsgleise wären hingegen durchaus denkbar. Und sogar ein zusätzliches Blocksignal in Grafing-Stadt würde laut Karg schon erhebliche Erleichterungen bringen: "Das wäre schnell zu haben - und für relativ wenig Geld."

Verbesserungen auf der chronisch überlasteten S2 wären hingegen nach Einschätzung von Kauderer trotz zweiter Stammstrecke kaum möglich. "Man kann vielleicht einen Viertelstundentakt einführen, aber zuverlässiger wird das dann auch nicht", so seine Vermutung. Denn auf der S2 hakt es daran, dass sich die S-Bahn die Gleise mit den Regional- und Güterzügen teilen muss. Das ist auch genau der Punkt, an dem nun das S-Bahn-Bündnis Ost erneut einhakt. Der Zusammenschluss aus Politikern sowie Vertretern der Wirtschaft und der Messe München fordert jetzt erneut eindringlich einen Gleisausbau zwischen München und Markt Schwaben.

EIne Auslastung von 110 Prozent

Dieses Projekt sei untrennbar mit der Stammstrecke verbunden, so das Argument der Sprecher, zu denen auch Ebersbergs Landrat gehört: "Ohne diesen Ausbau wird ansonsten der Engpass in diesem Bereich weiter verschärft." Denn zwischen München und Markt Schwaben verlaufen derzeit nur zwei Gleise, seit Jahrzehnten wird von einem Ausbau gesprochen - passiert ist bisher nichts.

Dabei wäre das nach Überzeugung von Landkreispolitikern dringend nötig, denn der Ausbau der Bahnstrecke östlich von Markt Schwaben Richtung Mühldorf und Freilassing ist bereits geplant, nun wird durch die zweite Stammstrecke auch der Abschnitt vorher wesentlich leistungsfähiger. Es bliebe also ein enger Flaschenhals dazwischen. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass die Strecke zwischen dem Ostbahnhof und Markt Schwaben 2030 zu durchschnittlich 110 Prozent ausgelastet sein wird.

Für den Ausbau sieht das Bündnis auch den Bund in der Pflicht, schließlich sei der Abschnitt auch für den Güterverkehr der transeuropäischen Magistrale Paris - München - Wien- Budapest bedeutsam. Daher stößt das Bündnis mit der Unterstützung der Obersten Baubehörde im Innenministerium nun ein Gutachten über diesen Bahn-Engpass an.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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