Projekt der evangelischen Kirche Ebersberg:Musikalische Abendandacht

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Jeden Abend spielen Musiker in Ebersberg - jeder für sich, aber alle gemeinsam. Für viele Zuhörer ist das kurze Konzert das Tages-Highlight. Jetzt will der Posaunenchor die Musik zu einem polyfonen Stück zusammenführen und für alle hörbar machen

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Musik kennt keine Kontaktsperre - sie bahnt sich auch in diesen Zeiten ihren Weg zu den Zuhörern. Jeden Abend nach dem 19-Uhr-Läuten der Kirchenglocken trägt derzeit der Wind die Melodie zu "Der Mond ist aufgegangen" durch Ebersberg. Dann nämlich versammeln sich Bläser und andere Musiker auf Terrassen oder Balkonen, um das Volkslied anzustimmen, das bereits mehr als 240 Jahre alt ist. Spaziergänger halten an, um den Klängen zu lauschen, die Fenster werden geöffnet, hier und da wird mitgesungen. Auch der evangelische Pfarrer Edzard Everts stimmt vor der Kirche auf der Posaune mit ein und hält danach eine Andacht - ohne Gemeinde, aber doch für die Menschen hörbar.

Phillipp Hasselt, seine Ehefrau Lilli und Sohn Quirin spielen im heimischen Garten für die Nachbarn. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit Anfang April schon können sich die Ebersberger über den allabendlichen, kostenlosen Musikgenuss freuen. Initiiert wurde die Aktion, die Teil eines bundesweiten Aufrufs ist, von der Evangelischen Kirche Deutschland; aufgegriffen wurde sie vom Ebersberger Posaunenchor. Um ein Zeichen der Ökumene zu setzen, wird dabei auf den Satz eines katholischen Komponisten zurückgegriffen. Die Noten dafür als Partitur mit Text, in Violin-, Bass- und Alt-Schlüssel und für transponierende Instrumente in Bb, Es und F in verschiedenen Stimmen gibt es auf der Homepage www.ebersberg-evangelisch.de zum Download. Jeder, der mitspielen oder -singen möchte, ist herzlich dazu eingeladen, so Philipp Hasselt: "Wir versuchen, ein bisschen Lebensfreude rüberzubringen."

Der evangelische Pfarrer Edzard Everts musiziert mit fünf Mitbläsern vor der Kirche. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Gründer und Leiter des Ebersberger Posaunenchors ist hauptberuflich seit langen Jahren Bassposaunist bei den Münchner Symphonikern und stellt sich ebenfalls jeden Abend mit seiner Frau und seinem Sohn, beides Trompeten-Spieler, in den Garten und gibt "Der Mond ist aufgegangen" zum Besten. Im Anschluss gibt es noch ein kleines und privates Wunschkonzert für die Zuhörer. Wie denn die Nachbarn reagieren würden? "Die sind hellauf begeistert", berichtet der Leiter des Posaunenchors. Gegenüber dem Garten der Hasselts etwa würden jeden Abend die Bewohner des Senioren-Wohnprojekts an den Fenstern stehen und mitsingen. "Für viele ist es das Highlight des Tages", sagt Philipp Hasselt. Zum Abschied heiße es oft: "Wir freuen uns schon auf morgen!" Wünschen darf sich das Publikum via Zuruf oder E-Mail querbeet alles. Von "Über den Wolken" bis hin zu "Fly me to the moon", aber auch religiösen Liedern hätten sie alles schon gespielt, erzählt Hasselt. Einige Zuhörer stünden auch mit dem evangelischen Gesangsbuch in der Hand da und würden mitsingen. Länger als eine Viertelstunde soll das Konzert aber nicht dauern, so Hasselt, auch aus epidemiologischen Gründen.

Katrein und Bruno Chirco stimmen daheim im Garten mit ein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Musik, das weiß Hasselt als Berufsmusiker und aus eigener Erfahrung, kann einem helfen, über Verluste hinwegzukommen oder auch manches besser zu ertragen. Das Lied "Der Mond ist aufgegangen" passe auch textlich gut in die derzeitige Situation, sagt er. Für alle, die den Text nicht parat haben: "Der Wald steht schwarz und schweiget", doch es steigt auf der "weiße Nebel wunderbar". Am Ende kann man im Schlaf "des Tages Jammer...verschlafen und vergessen". Oder, wie Oberkirchenrätin Susanne Hasselhoff es zu der Aktion auf der Homepage der Evangelischen Kirche Ebersberg beschreibt: "Unser Leben ist zerbrechlich, angreifbar und endlich. Wir werden jetzt wieder daran erinnert. Und zugleich können wir uns mit diesem Lied daran erinnern lassen, dass der Tod nicht das letzte Wort über uns hat." Die fünfte und die sechste Strophe des Lieds, die sich aus der heutigen Perspektive etwas befremdlich lesen, werden bei dem Abendkonzert meistens weggelassen.

Der Ebersberger Posaunenchor hat seine Mitglieder außerdem dazu aufgerufen, das Stück einzuspielen und die Audio-Aufnahme zu schicken. Andreas Fischer aus Grafing, der ebenfalls im Posaunenchor spielt, ist Tonmeister beim Bayerischen Rundfunk und wird die verschiedenen Stimmen übereinanderlegen. Was jeder einzeln in seinem Kämmerchen produziert, wird also zum polyfonen Posaunenstück zusammengebastelt. Dieses Projekt gründet auf drei Ideen, erklärt Philipp Hasselt. Zum einen kennt er diese neue Art des Zusammenspiels von seiner Arbeit bei den Münchner Symphonikern: Um die Verbindung zu den Abonnenten aufrecht zu erhalten, würde dort derzeit oft mit Videos gearbeitet, in denen die Musiker via Splitscreen zusammengeführt werden.

Andererseits sei die vielstimmige Ausführung auch für potenzielle Choristen gedacht. "Wenn wir dazu animieren, mitzusingen, ist es schön, auch eine Begleitung zu haben", so Hasselt. Außerdem sei es auch für die Posaunisten selbst schön zu merken, trotz allem noch in einer Gemeinschaft zu musizieren. Am Ostersonntag kann das Musikstück dann auch online abgerufen werden und ist zu finden unter www.ebersberg-evangelisch.de.

© SZ vom 11.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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