Bildung im Landkreis Ebersberg:Abenteuer Ägypten

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Beim Besuch in Ägypten im Rahmen des Projekts "Kultursinn" durfte natürlich auch ein Ausflug zu den Pyramiden nicht fehlen. (Foto: privat/oh)

Für das Projekt "Kultursinn" sind 15 Jugendliche der Dominik-Brunner-Realschule von Poing nach Kairo gereist. Ziel war es, Kontakte zu Kindern aus den sogenannten "Müllstädten" zu knüpfen. Künftig soll das Projekt jedes Schuljahr für die neunten Klassen stattfinden.

Von Louisa Lettow, Poing

Eines steht an diesem Abend schnell fest: Die neuntägige Reise im Rahmen des Projekts "Kultursinn - Botschafter Poings" nach Ägypten, die 15 Schülerinnen und Schüler der Poinger Realschule im März dieses Jahres unternommen haben, werden sie nicht so schnell vergessen. Genau das war auch das Ziel des 32-jährigen Thomas Reichle, Mathe- und Sportlehrer an der Poinger Realschule: Den Schülerinnen und Schülern der neunten und zehnten Klassen sollte ein einmaliges Erlebnis geboten werden, das sie sozial prägt. Er selbst war es, der das Projekt der Schulleitung vorschlug. Und nun erzählten die Jugendlichen unterstützt von einer Dia-Show interessierten Eltern von ihren Erlebnissen - denn das Projekt soll auch im kommenden Schuljahr für die neunten Klassen fortgeführt werden.

Die Realschule Poing ist bereits in mehreren Bereichen sozial tätig, ob durch Spendenläufe oder Bäume pflanzen. Doch nun wollte die Schule noch einen Schritt weitergehen und sich international engagieren.

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Dass das gesamte Projekt überhaupt so erfolgreich auf die Beine gestellt werden konnte, sei vor allem dem guten und schnellen Austausch mit dem allgäuischen Verein "Müllstadtkinder Kairo" zu verdanken, berichtet Reichle. Zusammen mit seiner Kollegin, Deutsch- und Mathelehrerin Kristina Blaha, hat er das Projekt betreut. Nicht nur habe die Vernetzung von Beginn an gut funktioniert, besonders die Ziele des Vereins hätten sie alle sehr überzeugt: Seit 20 Jahren werden Kinder und Familien bestimmter Stadtteile Ägyptens, der sogenannten Müllstädte, unterstützt. Die Menschen dort sitzen zwischen hohen Abfallhaufen, weil der Müll aus Kairo in ihre Stadtteile gebracht wird. Sie sortieren den Abfall per Hand, trennen Papier von Plastik, Metall von Essensresten und sonstigem Unrat und verkaufen das, was widerwertet werden kann - die Kinder helfen mit. Der Erlös ist der Lebensunterhalt. Das schafft Probleme: kaum Bildungschancen, Armut, Gestank und Krankheiten durch mangelnde hygienische Verhältnisse.

Dank des Vereins gibt es nun beispielsweise seit einigen Jahren einen kostenlosen Kindergarten für betroffene Kinder sowie kostenlose Nachhilfestunden für Schulkinder von älteren Schülern. Finanziert wird das Ganze durch Vereinsmitgliedschaften, Spenden und die Übernahme von Patenschaften.

Mehrere Stadtteile der Millionenmetropole Kairo leben im und vom Müll. (Foto: privat/oh)

Um mehr über das Leben in den "Müllstädten" und die Arbeit des Vereins zu erfahren, konnten sich Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen der Poinger Realschule für die Fahrt nach Ägypten bewerben - letztlich konnten 15 von ihnen teilnehmen. Zur Verständigung war die Gruppe unter konstanter Begleitung einer Dolmetscherin und einem Busfahrer vom Verein. Insgesamt haben Flug und Unterkunft für die neun Tage 780 Euro pro Schüler gekostet.

Für die Planung haben sich die Poinger Lehrkräfte unter anderem mit dem Gymnasium Unterhaching vernetzt. Dort hat man schon öfter internationale Schülerreisen unternommen, letztens erst nach Israel. Denn Bedenken bei der Planung der Poinger Fahrt gab es schon. Wie steht es um die Sicherheit? Was sind die geltenden Corona-Maßnahmen in Ägypten? Gibt's mögliche Krankheiten vor Ort? "Aber wir haben uns selbstverständlich ausreichend informiert", sagt die 30-jährige Kristina Blaha. Die Erfahrungen des Gymnasiums Unterhaching hätten dabei geholfen. Und auch Reichle selbst bringt Erfahrung mit. So hat er bereits an drei Schulen im Ausland gearbeitet, in Peru, Uruguay und Namibia, wie er erzählt. Zusätzlich hätte er Erfahrung mit sozialer Arbeit im Ausland, als Mitglied eines Vereins in Kenia.

Der erste Punkt der gemeinsamen Reise war der Besuch einer "Müllstadt" selbst unter der Leitung des Vereins. Franka aus der zehnten und Linda aus der neunten Klasse berichten von ihrem ersten Schock. "Die Menschen leben vom Müll, sie recyclen und verkaufen diesen." Doch nicht nur die Arbeit sei im Müll, die Menschen würden dort auch leben, der Gestank sei überwältigend gewesen. Transportiert werde der Müll hauptsächlich mit Autos, aber auch Eseln. Ein zweiter Schock für die Schüler, denn Verkehrsregeln scheint es in Kairo keine zu geben. Rein durch Hupen würde die Verständigung im Verkehr stattfinden.

Mit einfachsten Mitteln wird aus dem Müll noch Brauchbares gemacht. (Foto: privat/oh)

Über Flaschenzüge werde der Müll oftmals in den ersten Stock geschafft und dann weiterverarbeitet. Beispielsweise entstehen dadurch Paketrollen, die pro Stück für umgerechnet circa sieben Euro verkauft werden könnten. Das Recyclen übernähmen hauptsächlich die Frauen, wie durch ein Wunder entstehen durch ihre Hände aus Müll Schmuck und Mosaike. "Es war überwältigend zu sehen, wie glücklich die Leute waren, obwohl sie so wenig haben," erzählt Franka.

Weiterer Bestandteil der Reise war ein Einblick in die Arbeit des Kindergartens. Dort werden die Kinder in drei Gruppen je nach Alter und Leistung eingeteilt. Für den gemeinsamen Nachmittag mit den Kindern haben sich die Poinger Schülerinnen und Schüler im Vorhinein so einiges überlegt. "Wir haben gemeinsam Mandalas gemalt, Tiernamen auf Englisch geübt und eine Mathestunde gegeben," berichten Elisa und Lara aus der neunten Klasse. In der Mittagspause wurde gemeinsam im Garten auf den Klettergerüsten gespielt, Haare geflochten und mit Reifen gespielt.

Beim Besuch in einem Kindergarten haben die Poinger Schüler mit den Kindern gemalt, aber auch Englisch und Mathe geübt. (Foto: privat/oh)

Teil der Reise war es zudem, die Familien vor Ort näher kennenzulernen. Über den Verein wurden sie bei einer Familie in Mokkatam, einem Viertel in Kairo, zum ägyptischen Essen eingeladen. Für Samuel aus der zehnten Klasse gab es an diesem Tag das absolute Highlight, als ihm ein kleiner Junge namens Christiano vor Dank über das Gastgeschenk einen Kuss auf die Wange gab - der Bub war der Sohn von Hannah, dem ersten Kind, das der Verein vor einigen Jahren unterstützt hat. "Es war großartig, dass uns durch den Verein die Möglichkeit geboten wurde, wirklich nah an die Menschen zu kommen." Patrik aus der Neunten erzählt begeistert von dem Besuch der Pyramiden, dem "National Museum of Egyptian Civilization" und dem Al-Azhar-Park. Besonders eindrucksvoll sei jedoch der Bazar gewesen: "Es war schön, bunt und extrem hektisch zugleich!"

Die Gäste aus Poing und die Jugendlichen aus Kairo verbringen gemeinsam ihre Freizeit. (Foto: privat/oh)

Das abschließende Highlight war die Freizeit mit den ägyptischen Kindern im Mangroove Camp Fayoum, eine Ortschaft in Wüstennähe. Das Ziel der Reise war es nämlich, nicht nur die ägyptische Kultur und die Arbeit des Vereins genauer kennenzulernen, sondern auch, 18 Kindern aus den "Müllstädten" die Möglichkeit zu bieten, für einen Ausflug aus Kairo herauszukommen. Dabei konnten sich die Jugendlichen näher kennenlernen, gemeinsam haben sie Origami gefaltet und Makkarena getanzt, sind mit Jeeps gefahren und haben zusammen Spike Ball gespielt. Besonders hängengeblieben sei jedoch der gemeinsame Sitzkreis, in dem jeder und jede von seinem schönsten Erlebnis erzählt hat. Jonas, neunte Klasse, erzählt: "Als Kind wollte ich immer reich werden, jetzt weiß ich, dass ich es schon bin!"

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