Musik:Zwischen Zorneding und Los Angeles

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Sein Studio in Zorneding hat sich Vincent Rost nach und nach selbst eingerichtet. Von dort aus geht seine Musik unter dem Künstlernamen VNCE um die ganze Welt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der erst 20-jährige Vincent Rost alias VNCE produziert Songs, die um die ganze Welt gehen.

Von Florian Kappelsberger, Zorneding

Ein Computer mit Mischpult, ein E-Piano, ein stehendes Mikrofon und eine rote E-Gitarre an der Wand: Mehr braucht Vincent Rost alias VNCE nicht, um in seinem Zimmer Beats zu produzieren. Von hier aus arbeitet der 20-Jährige mit Künstlern aus den USA oder Kanada zusammen, anschließend gehen die Songs um die ganze Welt.

Die Musik wurde Vincent schon in die Wiege gelegt: "Ich habe eine sehr musikalische Familie." Sobald er etwa drei Jahre alt war, begann sein Großvater, ihm das Klavierspielen beizubringen - ganz ohne Noten. So lernte er früh, Melodien von seinem Kopf auf die Tasten zu bringen und selbst Stücke zu komponieren. Im Alter von 14 Jahren nahm er dann an einem DJ-Workshop der lokalen Initiative Jüngste Kultur teil, wo sein Talent entdeckt wurde.

Vieles brachte er sich selbst bei - mit Youtube-Videos

Sein Onkel, ebenfalls DJ und Musikproduzent, zeigte ihm die Grundlagen des Handwerks, alles Übrige brachte er sich selbst mithilfe von YouTube-Videos bei. Nach und nach besorgte er sich die entsprechende Technik und baute sich so ein kleines Studio in seinem Zimmer. Zunächst arbeite er vor allem mit Freunden zusammen - etwa mit dem Rapper Alexander Ambarzumjan alias Amba, den er aus der Schule kannte. Später verkaufte er einige seiner Beats sogar an internationale Kunden.

Die Wende kam im Frühjahr 2020: Online lernte er Henry Oyekanmi kennen, ein nigerianisch-amerikanischer Sänger aus Oakland, der unter dem Künstlernamen ØHENRY auftritt. Die beiden tauschten sich aus und freundeten sich schnell an, wenige Monate später erschien ihre erste gemeinsame Single Never Let Go. Durch Henry ergaben sich viele weitere Kontakte; mittlerweile hat VNCE vier Singles mit verschiedenen Künstlern herausgebracht, die auf unterschiedlichen Plattformen insgesamt von mehr als eine Million Menschen gehört wurden.

Der 20-Jährige arbeitet dank Internet auch mit Musikerkollegen aus anderen Kontinenten zusammen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Manchmal weckt ihn mitten in der Nacht ein Videoanruf

Vincent tritt aufgeschlossen und durchaus selbstbewusst auf, zugleich wirkt er stellenweise etwas aufgeregt - es ist sein erstes Interview. Der Student ist begeistert von den weltumspannenden Verbindungen, die allein durch die Musik entstehen. Mit Echtzeitübertragung sei es heute möglich, von Zorneding aus mit Menschen aus Oakland, Los Angeles oder Ontario zusammenzuarbeiten, als säße man im selben Raum. Die Kooperation über Zeitzonen hinweg bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich. "Ich muss immer mein Handy an haben, wenn ich im Bett lieg", gesteht er lachend. Teilweise wecke ihn um vier Uhr morgens ein Videoanruf von seinem Partner auf der anderen Seite des Globus, der gerade im Studio sitzt und gemeinsam an einem Projekt feilen will.

Die Lieder glänzen mit ihrem klaren Sound und wirken hochprofessionell produziert, dabei sind sie in ihrer Stilrichtung sehr unterschiedlich. Fragt man ihn, verortet VNCE sich selbst zwischen RnB und Hip-Hop; als Musikproduzent sei er aber deutlich weniger an Genregrenzen gebunden als etwa Bands und Solo-Acts. Vielmehr würde er zuerst einen Beat gestalten und dann andere Künstler dafür auswählen. "So suche ich mir immer Leute, die zu meiner jetzigen Stimmung passen." Ist sein Debüt Never Let Go etwa von einem gefühlvollen RnB-Rhythmus getragen, spiegelt sein neuestes Lied Young Star das Aufbruchsgefühl nach dem bestandenen Abitur.

Nur eins haben alle seine Songs gemeinsam: Wie viele Produzenten spielt Vincent zu Beginn jedes Mal eine bestimmte Tonspur ein, die gewissermaßen als Stempel oder Unterschrift dient. Auf der Suche nach dem passenden tag habe er bemerkt, dass andere dabei oft mit Kinderstimmen arbeiten. "Da habe ich einfach meine kleine Cousine gefragt", erinnert er sich schmunzelnd. Nach rund einem Dutzend Sprachnachrichten der Vierjährigen und ein wenig Bearbeitung im Studio war so der Sound-Schnipsel fertig, der bis heute jedes seiner Lieder einleitet: "VNCE is on the track."

Das aufstrebende Talent ist insbesondere lokalen Initiativen wie Jüngste Kultur sehr dankbar, die ihn von Beginn an gefördert und unterstützt haben: "Wäre das nicht passiert, wäre ich gar nicht dazu gekommen, Musik zu produzieren." Schon als Teenager konnte er etwa für das Electro Open-Festival in Zorneding auflegen und so erste Erfahrungen als DJ sammeln.

Nun hat er erst einmal ein Studium angefangen

Langfristig sieht er seine Zukunft dagegen in den USA. Die amerikanischen Künstler, mit denen er zusammenarbeitet, seien sehr herzlich und wüssten die deutsche Zuverlässigkeit zu schätzen. Einzig wegen seines Englisch-Niveaus werde er spaßeshalber aufgezogen, lässt Vincent wissen. So habe er manchmal Schwierigkeiten, die starken Dialekte und umgangssprachlichen Wendungen seiner Gesprächspartner zu entschlüsseln.

Vorerst bleibt VNCE dem Landkreis allerdings erhalten: Der 20-Jährige studiert Volkswirtschaftslehre in München. Er habe lange damit gehadert, ob er ein Studium beginnen oder sich stattdessen voll und ganz auf seinen Traum konzentrieren soll. Schließlich habe er doch entschieden, sich einzuschreiben - nicht zuletzt aufgrund der Überzeugungsarbeit seiner Eltern. Daneben verbringt Vincent nach wie vor jede freie Sekunde damit, an Beats zu arbeiten: "Zurzeit gibt es eigentlich nur noch Studium und Musik in meinem Leben."

Für die kommenden Monate hat der junge Produzent große Pläne. Im Dezember erscheint ein neuer Song mit ØHENRY, im Frühling folgen mehrere House-Lieder für Tanznächte im Club. Vincent gewährt sogar eine kleine Hörprobe: pulsierende Beats und rhythmische Bässe, sehr anders als seine bisherigen Songs. Dennoch tragen auch die neuen Elektro-Lieder unverkennbar seine künstlerische Handschrift.

Zum Sommeranfang soll dann das Debütalbum erscheinen, eine Auswahl von rund fünfzehn Titeln mit internationalen Künstlern - darunter auch der Rapper 24kGoldn, der in den USA bereits mehrmals Platin erreicht hat.

Als Vorbild nennt Vincent die Berühmtheit DJ Khaled. Nicht selten stünden Produzenten im Schatten der Stars, mit denen sie zusammenarbeiten, obwohl die Initiative und der Großteil der Arbeit bei ihnen liege. Der amerikanische DJ habe es dagegen geschafft, sich als erfolgreiche Marke zu etablieren. Dieses Ziel steckt sich auch der ehrgeizige Durchstarter aus Zorneding: "Ich will als Musikproduzent immer meinen Namen an erster Stelle haben."

Im Moment stehe er allerdings am Scheideweg: Er habe bereits erste Angebote von Musiklabels erhalten, die ihn unter Vertrag nehmen wollen. Als unabhängiger Produzent müsse er bisher alles selbst stemmen - der Kontakt zu anderen Künstlern, die Verträge, das Marketing. Die Unterschrift bei einem großen Label, wo all das von einem professionellen Team übernommen wird, sei deshalb sicherlich eine Chance und könnte als Sprungbrett dienen. Andererseits bedeute dies auch eine langfristige Bindung und einen gewissen Verlust der künstlerischen Freiheit. Die Entscheidung bleibe also offen, so VNCE.

Vorerst will er sich auf sein Studium fokussieren und daneben versuchen, als Produzent einen Namen zu gewinnen. Er wirkt sehr stolz darauf, was er bisher erreicht hat, setzt sich aber ebenso ambitionierte Ziele für die Zukunft. "Es ist noch ein weiter Weg", betont Vincent lächelnd.

© SZ vom 29.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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