Ausstellung in Grafing:Malen - und überleben

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Das Museum der Stadt Grafing widmet sich den Werken und Schicksalen dreier kriegsgebeutelter Künstler: August Berger, Nikolaus Davis sowie Ernst von Maydell.

Von Anja Blum

Mehrfach hatte ich Gelegenheit, Ihr menschliches Einfühlen in bedrängte Verhältnisse kennen zu lernen, deshalb glaube ich auch, dass Sie meine Bitte nicht verübeln werden." So flehentlich schrieb der Kunstmaler August Berger im Jahre 1939 an Hans Zitzelsberger, damals Bürgermeister von Grafing. Der Hilferuf ging also an einen "überzeugten Nazi", wie Historiker Bernhard Schäfer sagt. Trotzdem half der Grafinger Rathauschef weiter, vermittelte Berger eine Anstellung in der Verwaltung und sogar eine Bleibe in der Kapellenstraße.

Es sind vor allem drei bewegte und höchst unterschiedliche Schicksale, die die neue Ausstellung im Museum der Stadt Grafing so sehenswert machen. Unter dem Titel "Kunst in Umbruchzeiten" stellt Hausherr Schäfer diesmal drei Kunstmaler vor, die alle in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts geboren wurden und ihr Lebensende in Grafing verbracht haben: eben jener August Berger, außerdem Nikolaus Davis sowie Ernst von Maydell. Das Handwerk der Malerei beherrschten alle drei hervorragend - doch das Leben spielte mit jedem von ihnen ein jeweils anderes Spiel: Der eine wurde protegiert, ein anderer evakuiert und der dritte denunziert.

Noch am besten erwischte es Ernst Freiherr von Maydell, 1888 auf einem Gut in Estland geboren. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er in Reval, Riga und München. Zudem studierte er in Leipzig Landwirtschaft, seine Abschlussarbeit widmete er dem Kartoffelanbau. Dann aber wurde es turbulent, wie Schäfer berichtet: "Im Gefolge der revolutionären Umbrüche in Russland wurde Maydell 1919 Freiwilliger der Baltischen Landeswehr." 1920 ging er nach Berlin, kurz darauf nach Berchtesgaden, nach Italien, dann ließ er sich in Cap d'Antibes nieder. Hier heiratete er 1935 eine aus Bayern stammende Volkswirtin. Trotzdem sei ihm Maydells Umzug von der französischen Riviera nach Grafing 1938 noch ein großes Rätsel, sagt Schäfer, der die Lebenswege recherchiert hat. Hier wurde der Maler mit seiner Frau jedenfalls in der Gartenstraße sesshaft. 1960 starb Ernst von Maydell in der Ebersberger Klinik und wurde in Egglburg bestattet.

Für den örtlichen Fasching gestaltet Ernst von Maydell das Motiv einer Einladungskarte. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Maydell hatte das Glück, immer als freischaffende Künstler arbeiten zu können", erzählt der Museumsleiter. Das habe zum einen an einer Patronage seitens der deutschen Ex-Kaiserin Hermine gelegen, und zum anderen an zwei 1929 unterzeichneten Exklusivverträgen mit zwei Kunsthändlern aus New York. Diese verpflichteten den Maler zwar dazu, Einzelausstellungen 30 Jahre lang nur im Ausland zu zeigen, doch das hinderte Maydell nicht daran, ab 1940 einzelne Werke in der Großen Deutschen Kunstausstellung in München zu präsentieren. Auch war Maydell Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste, doch laut Schäfer nur zum Zwecke der Malerei. "Er war nicht in der NSDAP und die Spruchkammer hat einen entsprechenden Verdacht als völlig unbegründet zurückgewiesen." Außerdem lasse sein Werk keinerlei nationalsozialistisches Gedankengut erkennen.

Ganz im Gegenteil: Es ist komplett ideologiefrei. Maydells Pinselzeichnungen, Aquarellen und Farbradierungen zeigen präzise wiedergegebene Gräser, Blüten, Insekten, Blätter, Früchte und Wurzelgebilde. Höchstens einen leichten Hang zur Karikatur könnte man dem Maler unterstellen, wenn er einen dicken Vogel und einen ebensolchen Frosch auf einem zarten Tränenden Herz platziert. Mit seinem hübschen Oeuvre vermochte er jedenfalls das Publikum in Reval, Odense, Washington und vielen anderen US-Städten zu begeistern. 1958 erhielt der Maler für seine Verdienste um die Wiederanerkennung Deutschlands im Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg das Bundesverdienstkreuz.

Um einiges schwerer hatte es Nikolaus Davis, geboren 1883 in Athen. Er studierte Malerei an der Akademie ebendort und in München, wo er anschließend ein Atelier eröffnete. "In der Zeit des Nationalsozialismus aber litten Davis und seine Frau zusehends unter Anfeindungen, sei es wegen ihrer griechischen Staatsangehörigkeit, sei es wegen ihrer das NS-Regime ablehnenden Haltung", erklärt Schäfer. 1943 kamen die beiden, nach Luftangriffen auf München ausgebombt, als Evakuierte nach Unterelkofen, bald zogen sie nach Grafing in die Rotter Straße. Hier habe Davis rasch wieder rege künstlerisch gearbeitet, nicht zuletzt, um in den schweren Nachkriegsjahren den Lebensunterhalt zu sichern. "Ganz nach dem Motto: Kunst gegen Brot." Insofern vermutet der Museumsleiter, dass sich noch heute in einigen Grafinger Häusern Bilder von Davis befinden. Nach langen Jahren gesellschaftlicher Zurückgezogenheit starb der Maler 1967, beigesetzt wurde er auf dem Ostfriedhof in München.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ernst von Maydell ...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

... widmete sich gerne Flora und Fauna.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

August Berger ...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

... liebte vor allem Burgen wie jene in Elkofen.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Von Nikolaus David gibt es in der Ausstellung leider keine Fotografie. Von ihm stammt das neckische Porträt einer Grafingerin.

Davis' künstlerisches Schaffen begann mit Stillleben von Blumen und Wild, die laut Schäfer als Reproduktionen auf Postkarten alsbald weite Verbreitung fanden. 1914 stellte Davis erstmals im Münchner Glaspalast aus, und zwar das Gemälde "Knabenakt". Nach dem Ersten Weltkrieg war er dort noch mehrmals mit Werken vertreten. In seinem rasch wachsenden, vielseitigen und zumeist in Öl ausgeführten Oeuvre zeigt er sich als Genre- und Landschaftsmaler, als Vertreter der Münchner Schule. Seine Motive fand Davis einerseits in seiner oberbayerischen Wahlheimat - man sieht Berge, Seen, Wälder - aber auch in der Erinnerung an seine griechische Heimat, die sich in maritimen Panoramen widerspiegelt. Doch auch eine Hinwendung zu freieren Gestaltung zeigt die Grafinger Ausstellung: Kleine, vermutlich spät entstandene Gemälde von expressiver Farbgebung, höchst pastosem Auftrag und fast impressionistischer Anmutung: eine am Wasser sitzende Frau, deren rotes Schirmchen nur so herausleuchtet, flammende Segel, ein düsterer Hafen.

Am schwersten getroffen aber hat es August Berger, geboren 1886 in Ingolstadt. Er studierte ebenfalls an der Akademie in München, konnte sich seinen Traum vom Künstlerdasein jedoch nicht lange erfüllen: Bereits 1915 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Lungenkrank und psychisch angeschlagen kehrte er heim nach Deisenhofen. Da er keine Möglichkeit sah, sich als Kunstmaler zu verdingen, übernahm er in Oberhaching den Posten des Gemeindeschreibers. "Das Malen und Zeichnen wurde zu einer Beschäftigung in der Freizeit, in der er auch gerne mit Jugendlichen Theaterstücke einstudierte und an Klavier sowie Zither in Erscheinung trat", erzählt Schäfer. 1933 sei Berger in die NSDAP eingetreten und habe, auf Drängen aus der Einwohnerschaft, das Amt des Bürgermeisters übernommen. "Da ihm aber schon bald der scharfe Kurs der Nationalsozialisten missfiel und er diesem in seinem Wirkungskreis gegensteuerte, geriet er unweigerlich in Konflikt mit den Scharfmachern vor Ort." 1938 zeigten Bergers Gegner ihn wegen seiner Homosexualität bei Gauleitung und Gestapo an. Er wurde aus der Partei ausgeschlossen, verlor seinen Bürgermeisterposten, musste für acht Monate ins Gefängnis und anschließend in psychiatrische Behandlung.

Nach all diesen Ereignissen schrieb Berger jenen Bittbrief an seinen früheren Amtskollegen in Grafing und fand dort eine neue Heimat. 1943 schied er wegen Tuberkulose aus dem Dienst in der Gemeindeverwaltung aus. Die ihm verbleibende Lebenszeit nutze er, um verstärkt seiner großen Leidenschaft, dem Malen und Zeichnen vornehmlich markanter Gebäude und eindrucksvoller Landschaften nachzugehen, sei es in Aquarell, Bleistift oder Öl. August Berger starb 1949 und ruht auf dem Waldfriedhof in Grafing.

Die Ausstellung zeigt von Berger frühe Arbeiten, vornehmlich Porträts, aber auch Skizzenbücher, in denen er unter anderem das deutsch-französische Kampfgebiet dokumentiert hat, sowie beeindruckende Landschaften aus seiner Heimat. Vor allem alten Burgen wie jener in Elkofen galt seine Leidenschaft.

"Kunst in Umbruchzeiten": Ausstellung im Museum der Stadt Grafing, Eröffnung am Samstag, 23. Oktober, um 14 Uhr (im Hof).

© SZ vom 22.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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