Kultur in Moosach:Der Geist der Freiheit

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Zwei Butho-Tänzer, Anna Orkolainen aus Finnland und Shusaku Takeuchi aus Japan, improvisieren im Meta Theater zu Musik und Text. Mal bewegen sie sich anmutig-zart, mal wälzen sie sich am Boden. (Foto: Christian Endt)

Die Band "Embryo", zwei Butoh-Tänzer und der Wortkünstler Daniel Graziadei begeistern bei einer ersten Begegnung im Meta Theater. Am Samstag sind sie dort wieder zu Gast

Von Peter Kees

Wer Freiheit erspüren möchte, der sollte am Samstag, 8. Februar, ins Meta Theater gehen. Dort zu erleben sind zwei Tänzer - Stipendiaten der Villa Waldberta -, die Band Embryo und der Wortkünstler Daniel Graziadei mit "Embryo, Poesie & Butoh Dance." Erst kürzlich haben die Fünf bei einem "Come Together" in Moosach erste Kostproben ihres Programms geboten. Um es vorweg zunehmen: Es war ein grandioser Abend. Marja Burchard, die Tochter des vor zwei Jahren verstorbenen Embryo-Bandgründers Christian Burchard, setzte sich an den Flügel. Neben ihr baute Maasl Maier seinen E-Bass und diverse andere Instrumente wie Posaune oder Glocken auf. An einem Tisch nahm der Wortkünstler Daniel Graziadei vor einem Laptop Platz. Der japanische Choreograf und Butoh-Meister Shusaku Takeuchi sowie die finnische Tänzerin Anna Orkolainen betraten die Bühne. Was dann geschah, ließ den Atem stocken: Drei verschiedene Kunstformen - Musik, Tanz und Dichtung - verwoben sich miteinander und ließen ein Gesamtkunstwerk entstehen, wie es großartiger nicht sein kann.

Die zarten und einfühlsamen Klänge der Musiker mischten sich kongenial mit den spontanen Wortergüssen des Dichters und den hochästhetischen und ausnehmend konzentrierten Bewegungen der Tänzer. Alle fünft improvisierten - das darf man nicht vergessen. Sie gingen dabei jedoch derart sensibel aufeinander ein, dass man meinte, sie hätten Wochen, wenn nicht Monate an diesem Auftritt gearbeitet. Mitnichten. Zwar standen Embryo und Graziadei schon mal miteinander auf der Bühne, doch gemeinsam mit den beiden Tänzern hat man noch nie gearbeitet. Im Meta Theater entstand ein Zauber, der nicht nur von einem Musenkuss herrühren kann. Gebannt hörte und schaute man. Es war, als ob sich das Tor zu einer anderen Welt öffnete und dabei zugleich einen Blick in eine Zeit freigab, die Begrenzung nicht kannte, zumindest in bestimmten Kreisen. Ja, es war die Luft der Freiheit, die man hier atmen durfte.

Kommen wir zur Kritik. Und schon bleibt das Blatt leer. Einzig, was man erwähnen könnte, ist, dass der Abend viel zu kurz war. Man wäre gerne deutlich länger in dem Zustand dieser Zügellosigkeit verblieben. Doch, der Abend war ja nur ein Vorgeschmack auf das, was bald kommen wird.

Der Dichter übrigens - nebenbei bemerkt, der Mann verdient seinen Lebensunterhalt als Dozent für lateinamerikanische Literatur am Institut für Romanistik an der LMU in München - brachte seinen Spracherguss gleich zweimal dar: einmal sprach er in ein Mikrofon, zum anderen schrieb er parallel dazu auf seinem Laptop Texte, die mit einem Beamer auf die Bühnenrückwand projiziert wurden. Lautmalerei war da zu hören und zu sehen, Satzfragmente, malerische Bilder.

Die beiden Tänzer standen nach einer Weile an einem Fenster und blickten in die schwarze Nacht. Graziadei erzählte später, das habe ihn inspiriert. Als ob der Butoh-Meister gleich an der Scheibe kratzen könnte, war sein Gedanke, den er prompt aufgriff und in seiner Sprachkunst verarbeitete. Die Musiker stiegen darauf ein und so fing Marja Burchard an, mit dem Klavierhocker Geräusche auf dem Bühnenboden zu erzeugen, Kratzgeräusche. Das mag im Nacherzählen beinahe abgedroschen klingen. Doch das war es nicht. Improvisation ist nicht gleich Improvisation. Im Jazz beispielsweise gibt es in der Regel eine Art Gerüst, auf dem das Stegreifspiel aufbaut. Hier waren wirklich alle vollkommen frei - und regten sich doch gegenseitig aufs Vortrefflichste an. Von einer transmedialen Interaktion zu sprechen, wie es Graziadei vermittelte, trifft es wohl ganz gut.

Die Musik: Schwer sie in Kategorien zu fassen, so wie es eben um die Freiheit auch bestellt ist. Sicher klangen da jazzige Momente an, doch das ist schon zu viel gesagt. Freie Improvisation war's. So auch bei den Tänzern, die sich mal auf dem Boden wälzten, mal mit großer Zartheit Bewegungsabläufe entwickelten, die Kraft wie Anmut in sich trugen. Axel Tangerding ist es mal wieder gelungen, einen ganz besonderen Leckerbissen nach Moosach zu holen. Die Performance am kommenden Samstag sollte man sich jedenfalls nicht entgehen lassen.

"Embryo, Poesie & Butoh Dance" im Meta Theater Moosach, am Samstag, 8. Februar, um 20 Uhr.

© SZ vom 06.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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