Mitten in Ebersberg:Schrille Glocken

Warum erfindet eigentlich niemand eine freundliche Fahrradklingel? "Jingle Bells" wär doch auch ein tolles Warnsignal

Glosse von Korbinian Eisenberger

Süßer die Glocken nie klingen als in der...". Schön wär's. Der friedliche Spaziergang vom Amtsgericht zum Marienplatz wird unterbrochen von einer Fahrradglocke mit hohem Aggressionspotenzial. Die Frau auf dem Radl kann wahrscheinlich nicht viel dafür, doch der Ton ihrer Klingel lässt einen vor Schreck nur so zusammenzucken. Zusammengefahren werden ist aber sicherlich die noch schlechtere Variante. Die Frage ist nur, warum es so eine rabiate Tonart für die Sicherung des gesunden Fußgangs braucht. Oder, anders gefragt: Warum erfindet eigentlich niemand eine freundliche Fahrradklingel?

Welch brillante Idee für ein Weihnachtsgeschenk. Die Recherche führt zu einem Multifunktionsgerät: Ein Fahrradfrontlicht für den Lenker, das gleichermaßen leuchtet, Smartphones als Navi einklemmt und ein Warnsignal senden kann. Das Gerät ist mittlerweile getestet und für gut befunden. Mit einer Ausnahme: Das Warnsignal klingt noch viel aggressiver als sämtliche Fahrradklingeln zusammen. Man muss sich den Sound vorstellen wie die Mischung aus Polizeisirene und Schiffshorn. Die Recherche ist also auf dem völlig falschen Dampfer angelangt.

Und so wird es zwischen Ebersberg und München auch weiterhin zu Tausenden von Zusammenzuckern kommen, wenn ein Radler von hinten vor sich selbst warnt. Ein Klingeln wie eine Schimpftirade, das Fußgänger zur Seite springen lässt, als weichten sie einem Blitzeinschlag aus. Vielleicht wird es die freundliche Fahrradklingel genau deswegen nie geben. Die wenigsten würden sich schließlich in höchster Not wähnen und in Sicherheit bringen, wenn von hinten Weihnachts-Glocken bimmeln. Außer vielleicht bei der Melodie von "Jingle Bells".

© SZ vom 14.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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