Geben ist seliger denn nehmen - so steht es schon in der Bibel, und so singt es auch der deutsche Chansonnier Reinhard Mey. Recht unterhaltsam beschreibt er in seinem Lied "Es ist Weihnachtstag", wie dies in die Praxis umgesetzt aussehen kann: Gerade als er denkt, den Weihnachtsstress hinter sich gebracht haben, fällt ihm ein, dass er den Müller-Wattenscheidts ja noch eine kleine Aufmerksamkeit bringen könnte.
Auf dem Weg zu ihnen fällt ihm ein, dass auch noch andere Bekannte auf ein Weihnachtsgeschenk warten. Also klingelt er dort, gibt die Kekse her, bekommt ein grauenhaftes Präsent, das er gleich weitergibt an die Müller-Wattenscheidts. Um es kurz zu machen: Am Schluss des Liedes wird der Erzähler um eine Erfahrung reicher sein - und um eine Keksdose, seine eigene nämlich. Die ihm über drei Ecken wieder zurückgeschenkt wird.
Nun, Weihnachten ist fürs Erste vorbei, und auch die Ostergeschenke sind längst verteilt. Wie in jeder Familie gibt es im Keller jedoch eine Rumpelecke, in der ausgemusterte Spielsachen darauf warten, im Internet oder auf Flohmärkten zum Verkauf angeboten zu werden. Darin finden sich etwa eine scheußliche Plastikschildkröte, deren Rücken leuchtet, eine Holzwerkbank, in die man die Nägel nicht richtig reinhämmern kann, und ein Liederbuch, das bei Knopfdruck Kinderlieder in einer grauenhaften Synthesizer-Version runterdudelt.
Vor wenigen Wochen nun entdeckt der Fünfjährige die Rumpelecke. Mit einem Aufschrei des Entsetzens stürzt er sich auf die Spielsachen, an denen plötzlich sein ganzes Glück hängt. Einiges davon schleppt er hinauf in sein Zimmer. Es wird ein paar Tage dauern, bis man zumindest die Plastikschildkröte wieder aus dem Kinderzimmer befreien kann. Ein paar neue Batterien kommen rein, und schwups bekommt die Cousine das Ding geschenkt. Sie freut sich, wenngleich ihre Eltern weniger begeistert sind.
Die Cousine wiederum darf jetzt ein paar Tage Urlaub bei Oma und Opa machen. Die Plastikschildkröte kommt mit. Sie leuchtet mal blau, mal grün, mal gelb - die neue Aufmerksamkeit scheint ihr zu gefallen. Als die Cousine nun wieder nach Hause fährt, vergisst sie die Schildkröte. Und Oma und Opa fällt ein: Gehört die nicht sowieso...?
Tja, nun sitzt es wieder in seiner Rumpelecke, das Plastikdingens, und leuchtet vor sich hin. Bestimmt dauert es nur ein paar Wochen, dann beginnt die nächste Rundreise.