Ausgezeichnete Unterhaltung:Rösslsprung mitten ins Herz

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Reichlich Schmalz und Schmäh bieten die Weiherspiele mit "Im Weißen Rössl - Singen verboten!". (Foto: Christian Endt)

Bei den "Weiherspielen" in Markt Schwaben feiert ein Klassiker frisch-fröhliche Wiederkehr. Besonders erfreulich: eine deutliche musikalische Note und sorgsam gesetzte Überraschungseffekte.

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

"Ich bin Dir gut." Man muss schon länger deutsche Sprachgeschichte inhaliert haben, um die Tiefe dieses Satzes auf Anhieb wahrzunehmen. Als Vorstufe zu "Ich liebe dich" war er für Generationen frisch Verliebter das Äquivalent zum Mixed-Tape und zum Herzchen-Doppelselfie. Für das Singspiel "Im Weißen Rössl", fast hundert Jahre alt und durchsetzt mit liebenswert antiquarischen Sprachbildern, ist er die Kernbotschaft. Nicht nur beim ewigen Hin-und-her zwischen Wirtin Josepha und Oberkellner Leopold, sondern für allerlei weitere Beziehungsgeflechte, gemeinhin "zwischenmenschlich" genannt. Wer mit wem und wer gegen wen? Das füllt zwei heitere und flotte Stunden, die gerade bei den "Weiherspielen" in Markt Schwaben über die Seebühne gehen, zauberhafte Lichterspiele, Dampferfahrt, Standup-Paddling und Flamingo-Insel inklusive.

Wasserfahrzeuge haben eine lange Tradition am Markt Schwabener Kirchweiher. Aber ob man dort je schon mal ein solches Boot gesehen hat? (Foto: Christian Endt)

Intensiver als in den vergangenen Jahren widmen sich Regie und Ensemble dem traditionsreichen Erbe der Weiherspiele, der Musik (Arrangements: Christian Jäger und Ferdinand Maurer). Neben der Titelmelodie gehören Ohrwürmer wie "Es muss was Wunderbares sein", "Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein" oder "Was kann der Sigismund dafür?" zu jenen Bühnenmusiken, von denen man überzeugt sein darf: Wenn bei denen der Funke nicht überspringt - wann dann? Zumal es ordentlich swingt am Weiher.

Es braucht aber auch die passenden Stimmen dazu - und die überzeugen in Markt Schwaben gesanglich genauso wie schauspielerisch. Sabine Bogenrieder, die Wirtin, jauchzt in einem farbenfrohen Sopran, Ferdinand Maurer als Leopold und Christian Jäger als Sigismund tragen so viel Herz und Humor in der Kehle, dass sie den Vergleich mit großen Vorbildern nicht zu scheuen brauchen. Wobei sie, Chapeau, bei ihren Liedern wie bei den Arrangements es verstehen, mit Mut und Geschick eigene Akzente zu setzen. In der neuen Ära der Weiherspiele ist die musikalische Note dieser Aufführung das neue Highlight.

Wo es um komplizierte Beziehungsgeflechte geht, dürfen Szenen an Balkon und Fenster nicht fehlen, oder? (Foto: Christian Endt)

Und schauspielerisch? Weiterhin agieren die Markt Schwabener in der Spitzengruppe dessen, woran man Laienbühnen messen darf. Textsicher, mit viel Verständnis für dramaturgische Wechselspiele, souverän im Umgang mit Emotionen entwickelt sich ein abwechslungsreiches Spiel, bei dem der Spannungsbogen untereinander genauso sicher trägt wie der zum Publikum. Schon bei der Generalprobe war erkennbar: Die wollen nur spielen - und das gelingt ihnen mitreißend. So verfliegt die Zeit bei großem Vergnügen und ausgezeichneter Unterhaltung, allein erkennbar an der zunehmenden Dunkelheit und dem immer stärker strahlenden Leuchten der Lichter auf dem Wasser.

Bunte, sich im Wasser spiegelnde Lichter sind so etwas wie das Markenzeichen der Weiherspiele. (Foto: Christian Endt)

Die Mischung der Charaktere passt bei den Hauptrollen genauso perfekt wie bei den Nebenrollen, so dass der Unterschied sich weitgehend auflöst: Christa Hermannsgabner liefert eine matronenhafte Frau Hinzelmann ab, kompromisslos, scharfzüngig, aber letztlich vergebens über ihre kokett-naive Tochter Klärchen (Julia Geitner) wachend. Michael Siegert verkörpert entspannt den nur scheinbar knochentrockenen, unzugänglich wirkenden Anwalt und Stammgast Siedler.

Franz Stetter gibt dem Fabrikanten Gieseke das grummelig-sture Gepräge, das wie Gewitterwolken hinter der Fröhlichkeit seiner Tochter Ottilie (klare Ansage beim Managen der väterlichen wie anwaltlichen Zuneigung: Sabrina McAboy) liegt. Seine berlinerisch-bajuwarisch gefärbten Blitze zucken im Chor mit dem Gegrantel des Hausdieners Loisl (Christian Beslmüller) und der gnädigen Altersweisheit von Kaiser Franz Joseph I. in Personalunion mit seinem Darsteller Franz Hermannsgabner. Der eigentliche Star des Abends aber ist das Fohlen im Rössl-Stall: Dominik Wegler gibt den piccolösesten Piccolo, den je ein Bühnenhotel gesehen hat, und spielt sich mit seiner Unbekümmertheit direkt in die Herzen des Publikums.

Alle Achtung: Franz Stetter fängt gekonnt den Hut! (Foto: Christian Endt)

Was auch daran liegt, dass die verschiedenen Elemente gut ausbalanciert sind. Zweieinhalb Bühnen - vor dem Hotel, im Gebirge und die Zufahrt - bieten Spielraum für mehr Bewegung, als man beim ersten Blick vermuten möchte. Außer dem roten Faden immer wieder neuer, per Schiff herbeigeführter Gäste, sind weitere Überraschungseffekte so gesetzt, dass sie sich fließend ins Spiel einfügen und so gegenseitig auf- statt entwerten. Gekonnt und wohl auch viel geübt, wie Michael Siegert als Stammgast Siedler drei Mal hintereinander seinen Hut auf den Balkon im dritten Stock wirft - verdienter Szenenapplaus. Sehenswert auch die diversen, präzise durchchoreografierten, eleganten Ballett- und Tanzeinlagen, allen voran der Stubenmadln und Kellner - ein absoluter Ankommer auf den Rängen. Verlässlich qualitätvoll die von den 1950er Jahren inspirierte Kostümierung: mit sicherem Gespür für Stil statt Klamotte.

Im "Weißen Rössl" wird nicht nur viel gesungen, sondern auch gerne getanzt. (Foto: Christian Endt)

Die Wirkung, die das Rössl am Weiher ausstrahlt, erzeugt kleine und große Gefühle. Die Leichtigkeit und Heiterkeit ist ein willkommener Kontrast zu den vielfältigen Stresserzeugern des Alltags und ein legitimes Angebot zum entspannten Genießen. Nicht zu unterschätzen ist dabei vor allem ein eher zufälliger Effekt, den das Stück beim Publikum auslöst: Den Älteren, einst noch selbst im Petticoat auf dem Parkett unterwegs und mit Fred Rauchs "Wunschkonzert" auf Bayern 1 musikalisch sozialisiert, geht bei den altbekannten Melodien das Herz auf. Gesten der Rührung und gelegentliches Mitsingen auf den Rängen zeugen davon. Für die Jüngeren hingegen, sagen wir mal "U35", sind es zwar unbekannte, aber verlockende Töne, die auch für "Tanzvergnügen" der Gegenwart nicht minder anregend wirken als die Klänge von Helene und Co. Da haben die Programmverantwortlichen am Weiher eine ebenso geschickte wie lebensnahe Stück-Auswahl getroffen.

Auch wenn es die Premiere verregnet hat: In den kommenden Wochen bestehen noch zahlreiche Gelegenheiten für einen Besuch "Im Weißen Rössl". Wer sich überlegt, ob es eine gute Idee ist, jemanden mitzunehmen, dem man ein paar sorgenfreie, heitere Stunden gönnt: Das ist es auf jeden Fall.

" Im Weißen Rössl ": Freilicht-Theater auf der Seebühne in Markt Schwaben, noch bis 29. Juli, donnerstags bis samstags um 20.30 Uhr. Karten gibt es online, im Büro des Theatervereins oder an der Abendkasse.

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