Markt Schwaben/München:Lückenhafte Ermittlung führt zu Freispruch

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Landgericht sieht nicht genug Beweise dafür, dass ein 30-Jähriger in Markt Schwaben Brandstiftung begangen hat

Von Barbara Mooser, Markt Schwaben/München

Es war eine verbale Ohrfeige, die Richterin Michaela Weinhofer-Zeitler austeilte: "Vieles ist aus ermittlungstechnischer Sicht sehr, sehr schlecht gelaufen", merkte sie am Montag im Münchner Landgericht an, wo ein Fall von Brandstiftung verhandelt wurde. Indes nicht aufgeklärt, was an der schlampigen Ermittlungsarbeit lag: Weder war nach Fußspuren gesucht worden, noch nach Spuren von Brandbeschleuniger. Von einer Plastikwaffe, die in der Nähe des Tatortes im Gras lag, wurden keine Fingerabdrücke genommen. Obwohl sofort ein Verdächtiger ins Blickfeld der Polizei geriet, wurde dessen Kleidung nicht auf Hinweise untersucht, ob er in der Nähe des Feuers gewesen war, das er gelegt haben soll. Über die suboptimale Polizeiarbeit kann sich der Angeklagte nun freuen: Der 30-Jährige, der im Mai wegen versuchter schwerer Brandstiftung vom Ebersberger Amtsgericht noch zu einer Haftstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden war, durfte nach der Berufungsverhandlung als freier Mann das Gericht verlassen.

Unstrittig ist nur, dass Ende September 2013 ein Sperrholzschränkchen auf der Terrasse der Ex-Freundin des Angeklagten in Markt Schwaben brannte. Es passierte zwar nicht viel, lediglich eine Wand und der darüber liegende Holzbalkon wurden verrußt. Doch es hätte viel passieren können, wie ein Fachmann vom Landeskriminalamt vor Gericht erläuterte: So hätte der Balkon Feuer fangen können, oder auch die Jalousie der daneben gelegenen Balkontür. Auch die Fensterscheiben hätten durch die Hitze zerspringen können, das Feuer auf das ganze Haus übergreifen. "Summa summarum: Die Sache war nicht harmlos, es hätte durchaus schiefgehen können." 20 Menschen lebten zu dem Zeitpunkt in dem Mehrfamilienhaus, sie alle hätten zu Schaden kommen können.

Diejenige, auf die die Brandstiftung wohl abzielte - die Ex-Freundin des Angeklagten - und ihr gemeinsamer Sohn waren zum Zeitpunkt der Tat gar nicht im Haus. Doch die junge Frau hatte sofort ihren früheren Lebensgefährten in Verdacht, der sich auch in der Vergangenheit ihr gegenüber so aggressiv verhalten hatte, dass sie einen Gewaltschutzbeschluss gegen ihn erwirkt hatte. Bis einen Tag vor der Tat durfte er seiner früheren Freundin nicht näher als 20 Meter kommen. Gleich nach Auslaufen dieses Beschlusses kündigte er aber der Frau sein Kommen an.

Ob er sich aber tatsächlich am Tag der Tat in der Nähe des Hauses herumgetrieben hatte, konnte nicht mehr nachgewiesen werden. Der Angeklagte selbst äußerte sich - wie schon bei der Verhandlung in Ebersberg - nicht. Eine Zeugin, die bisher angegeben hatte, sie habe den Mann in der Nähe des Hauses gesehen und dabei beobachtet, wie er Post aus dem Briefkasten der Frau gerissen habe, war sich vor dem Landgericht nicht mehr sicher. Es sei ein Mann gewesen, der ihr bekannt vorgekommen sei. Auf die Schlussfolgerung, dass es sich um den früheren Freund ihrer Nachbarin gehandelt haben könnte, sei sie aber erst nach Gesprächen mit anderen gekommen.

Eine Beamtin der Polizeiinspektion Poing sagte vor Gericht, es habe keine Hinweise auf einen anderen Täter gegeben. Dass es eine Beziehungstat gewesen sein könnte, habe die Polizei auch daraus geschlossen, dass rund um die Terrasse zudem Bäume und Sträucher ausgerissen worden seien. "So eine Wut-Tat deutet auf eine nähere Beziehung hin", sagte sie. Warum man weder die unmittelbaren Nachbarn befragt, noch einen Brandsachverständigen hinzugezogen hatte, wusste die Polizistin nicht zu beantworten - allerdings hatte sie den Fall auch erst ein paar Monate später von einer Kollegin übernommen.

Insgesamt jedenfalls, das räumte auch der Staatsanwalt ein, konnte nicht gesichert festgestellt werden, dass der Angeklagte überhaupt zur fraglichen Zeit am Tatort war. Es gebe zwar etliche Anhaltspunkte, die dies möglich erscheinen ließen, "aber das reicht nicht". Er schloss sich in seinem Plädoyer der Forderung der Verteidiger nach einem Freispruch an.

Entsprechend fiel dann auch das Urteil aus: "Unsere Beweisaufnahme hat keinen für die Verurteilung ausreichenden Tatnachweis ergeben", sagte die Richterin. Das bedeute aber nicht, dass der Angeklagte unschuldig sei - er allein wisse, was wirklich passiert sei. Von Anfang an sei von der Polizei versäumt worden, "Ermittlungen, die sich aufdrängen würden, durchzuführen", sagte Weinhofer-Zeitler: "Jetzt ist es, wie es ist."

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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