Win-win" nennt man bekanntlich eine Situation, bei der zwei Beteiligte gleichermaßen von einem Geschehen profitieren. Analog dazu müsste man in Markt Schwaben im Zusammenhang mit dem "Kunstpfad"-Projekt von "win-win-win-win-win" sprechen - zumindest stellt es sich in den Gesprächen mit Gemeinde, Projektleitung, Kunstschaffenden und Ladenbesitzern so dar. Und auch die Begeisterung der Bevölkerung wird mehrfach erwähnt. Etwa von Bürgermeister Michael Stolze, der das Projekt als "Supererfolg für alle" bezeichnet, hätten doch die Markt Schwabener mitnichten das Angebot in den Schaufenstern nur am Anfang ein paar Tage lang angenommen, sondern seien bis heute rege am Kunstpfad entlangflaniert. Das bestätigt auch Anja Birnkraut, die das Projekt angestoßen hat - "als kleine Idee im Januar, von der ich nie für möglich gehalten hätte, dass sich das so lange hält". Sie werde, wie sie lachend berichtet, nun sogar von Leuten auf der Straße deswegen "erkannt".
Der Frau, von einigen "ihrer" Künstler schon mal als "Hebamme" bezeichnet, oder als die, die sie "aus dem Corona-Dornröschenschlaf wachgeküsst hat", hört man die große Freude darüber an, dass das große Abschlussevent am Sonntag, 25. Juli, von 11 Uhr an vor der Trödlerei als Veranstaltung mit Publikum über die Bühne gehen soll. 14 der 40 am Kunstpfad beteiligten Ausstellenden werden dabei ihre Werke zum Verkauf anbieten - von Büchern über Skulpturen und Fotografie bis hin zu Malerei und Handarbeiten. Als "lebende" Kunstwerke werden die Drags Mareijke van der hur und Claire Morningwood dabei sein - letztere hat in einer Fotoserie die Stadien ihrer höchst eindrucksvollen Verwandlung vom Mann zum Dragkünstler festgehalten und im Rahmen des Kunstpfads ausgestellt. Und eine musikalische Untermalung wird es ebenfalls geben: In den ersten beiden Stunden von der Musikschule Markt Schwaben, später hört man dann, überwiegend mit Eigenkompositionen, Nicolas Zanner am Cajon und der fast mystisch klingenden Handpan sowie Singer-Songwriter Siggi.
Mit Spannung erwartet wird außerdem von 13 Uhr an die "Auktions-Show" mit den Gebrüdern von Groeningen (einer von ihnen: Stefan Pillokat), bei der unter anderem ein Quilt unter den Hammer kommt. "Der macht sich auf dem Sofa genauso gut wie an der Wand", erklärt Gabriela Clipper von den Fleckerlhexn aus Poing, die das Werk in der Corona-Zeit gemeinsam produziert haben. Erlös für das aus zwölf "Squares" bestehende textile Kunstwerk geht an ein Frauenhaus. Auch die Einnahmen aus den anderen Versteigerungen (unter anderem Werke von Paula Buchberger und Bruno Kukla) sollen zur Finanzierung gemeinnütziger Projekte beitragen oder sind für einen neuen "Aktivkreis Kunst und Kultur" gedacht, von dem gleich noch die Rede sein wird.
Zuerst aber muss man unbedingt noch auf die Enthüllung der Gemeinschaftsskulptur "Upcycl(d)ing Kunister" mit und durch Bruno Kukla um 14 Uhr verweisen. Dieses Werk besteht aus genau so vielen Fünf-Liter-Plastikkanistern, wie es am Kunstpfad beteiligte Akteure gibt: Jede und jeder sollte einen solchen Kanister individuell gestalten. Kukla fertigte dann ein Gestell, in dem die Plastikbehälter pyramidenförmig angeordnet werden konnten. Diese Skulptur soll zunächst in der Trödlerei bleiben, später aber auch anderswo ausgestellt werden können. Es wird also viel geboten sein auf dem Gelände, offen für 200 Personen, die sich via Luca-App oder Anmeldebogen am Eingang registrieren müssen. Neben dem Bestaunen und möglichen Erwerb von Kunstobjekten sollen die Markt Schwabener beim Besuch aber auch gerne mit den Kunstschaffenden ins Gespräch kommen.
Deren erstem persönlichen Treffen sieht auch Malerin Rebecca Winhart erwartungsvoll entgegen. Sie hat den Kunstpfad um Street-Art-Motive aus dem Märchen "Der goldene Vogel" am Zaun der Schulbaustelle gegenüber der Realschule bereichert. Dass dieser "Hingucker" laut Bürgermeister nach dem Ende der Baumaßnahmen im Herbst 2022 als Großkunstwerk hinter Glas konserviert werden soll, freut die 30-Jährige ebenso wie der Erfolg der bisherigen Aktion: Durch den "rundum gelungenen Kunstpfad" hätten die Kreativen trotz Corona zeigen können, was sie hervorbringen - "und das auch noch ausgerechnet im ländlichen Raum, wo es oft schwierig ist, damit in die Öffentlichkeit zu gehen". Fast mehr noch begeistert Winhart aber, dass die Schaufenster-Ausstellung viele Menschen motiviert habe, selbst künstlerisch tätig zu werden.
Ausdrücklich zollt Winhart - wie vor ihr schon Birnkraut und die von der Aktion höchst angetanen Ladeninhaber, etwa Sylvia Götze ("Wäsche am Marktplatz") oder Gabriele Herzog ("Autohaus Bäuerle") - der Gemeinde großes Lob. Speziell das Engagement des Bürgermeisters wird immer wieder hervorgehoben. Wie sehr Stolze das Ganze am Herzen liegt, merkt man, wenn er über den am 27. Juli erstmals offiziell tagenden Aktivkreis Kunst und Kultur spricht, der gegründet wurde, "damit das Thema nicht versandet, sondern in die nächste Stufe gehoben werden kann". Bereits mehr als 20 Personen hätten sich angemeldet, weitere seien willkommen, um sich mit Ideen einzubringen - denkbar seien, neben Kunst, auch die Themen Straßenmusik oder Kulinarik. Die Finanzierung künftiger Projekte soll über Sponsoren erfolgen oder über Veranstaltungen.
Gut möglich, dass einige davon in der "Galerie Färbergasse" stattfinden werden, über der Trödlerei gelegen, jenem "nachhaltigen Ort für Schatzsucher", wo sich jetzt schon Ateliers von sechs Kunstschaffenden befinden, die sich nicht nur am Sonntag über Besuch freuen. Seit kurzem kann man den großen Raum für Workshops, Lesungen oder Konzerte sowie - alles oder auch nur einzelne Wände - für Ausstellungen mieten. Auf diese Weise soll in dem Gebäude mit der besonderen Atmosphäre ein Begegnungsort für Maler, Musiker, Schriftsteller und alle Markt Schwabener entstehen. So dass auch in Zukunft die Chance besteht für ganz viele "Win-win-win-win ..."-Situationen.
Infos zum Programm gibt's unter www.markt-schwaben.de/de/kulturell-aktiv/Veranstaltungen/Kunstpfad-Markt-Schwaben; Infos zum Veranstaltungsort: https://www.altes-getreidelager.de/