Projekt "Jugend Entscheidet":Grillen und chillen

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Wie kann man Markt Schwaben für junge Menschen besser machen? Bei den Thementagen herrscht reger Andrang und Austausch. (Foto: Christian Endt)

Wie interessiert man Jugendliche für Politik? In Markt Schwaben wird etwas Naheliegendes ausprobiert: Man beteiligt sie. 2022 nehmen Dutzende an dem Projekt "Jugend entscheidet" teil - und das hat sich jetzt schon gelohnt.

Von Merlin Wassermann, Markt Schwaben

Derart gut besucht wie jene am 17. November waren vermutlich nur wenige Gemeinderatssitzungen in Markt Schwaben. Mehrere Stuhlreihen wurden aufgestellt, um alle Besucher empfangen zu können. Dennoch ist es mucksmäuschenstill, als Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) fragt, wer aus dem Gremium die Beschlussvorlage befürworte. Erst als es heißt: "einstimmig beschlossen", brandet Applaus auf.

Das Besondere an dieser Sitzung: Die meisten der Zuschauerinnen und Zuschauer sind Jugendliche - ebenso wie diejenigen, die die beiden Projekte, über die abgestimmt wird, erarbeitet und eingebracht haben. Die Gemeinde Markt Schwaben hat 2022 am Projekt "Jugend entscheidet" teilgenommen. Dieses wird von der Hertie-Stiftung für Demokratie und Neurowissenschaft ausgelobt, Gemeinden können sich darauf bewerben. "Es hat aber nicht auf Anhieb geklappt", erzählt Stolze zu Beginn der Sitzung. Bereits 2021 habe man es versucht, sei aber abgelehnt worden.

Mehr als hundert Jugendliche beteiligen sich an den Thementagen

Beim nächsten Versuch klappt es aber, die Bewerbung im Februar 2022 wird angenommen. Mittels Post- und Pausenhofaktionen geht die Gemeinde auf Jugendliche zu, um sie für das Projekt zu gewinnen. Es folgen Thementage, die mit Unterstützung einer Betreuerin der Stiftung organisiert und vom Verein "Politik zum Anfassen" moderiert werden.

"Jugend entscheidet" soll vor allem dazu dienen, jungen Menschen zu zeigen, "dass sie politisch wirksam sein können, wenn sie sich aktiv beteiligen", wie es auf der Website des Programms heißt. Um dies auch in die Tat umzusetzen, erarbeiteten in Markt Schwaben mehr als hundert Jugendliche an zwei Tagen im Juli zwölf Projekte, wie man die Gemeinde für die Jugend attraktiver gestalten könnte.

Jan Ostmann, Leiter des Jugendzentrums Blues in Markt Schwaben, betreute die Jugendlichen während des Projekts und auch bei den Thementagen. "Sie haben dort 'Parteien' gegründet, zufällig zusammengewürfelt, und sich überlegt, wie man die Gemeinde verbessern könnte", erinnert sich Ostmann. Die Jugendlichen hätten sich großartig angestellt, "sie waren sehr offen und respektvoll."

Jan Ostmann, Leiter des Jugendzentrums Blues in Markt Schwaben begleitete die Jugendlichen durch das Projekt. "Sie haben das toll gemacht", sagt er. (Foto: Christian Endt)

Zwölf Themen seien zunächst erarbeitet worden, manche davon eher ausgefallen, etwa eine Seilbahn quer durch Markt Schwaben. "Die meisten Ideen waren aber gut", sagt Bürgermeister Stolze. Allerdings musste eine Auswahl getroffen werden: In einer Art spielerischer Gemeinderatssitzung und bei weiteren Treffen wurden per Abstimmung zwei Ideen für eine Präsentation im echten Gemeinderat auserkoren.

Fehmije Zeka und Blerta Kabashi haben eines der Projekte erarbeitet

Eine der Ideen - ein Grill- und Chillplatz mit Feuerstelle und Pavillon in der Nähe des Sportparks, Kostenpunkt circa 5000 bis 6000 Euro - hatten Fehmije Zeka und Blerta Kabashi erarbeitet. Die beiden Freundinnen, 16 und 18 Jahre alt, besuchen die zehnte Klasse der Mittelschule Markt Schwaben und wurden auf das Projekt aufmerksam, als es der Bürgermeister in ihrer Schule vorstellte. Am Anfang, so erzählen sie rückblickend, hätten sie sich noch gedacht: "Was können wir schon entscheiden?" Aber die beiden jungen Frauen ließen sich auf das Experiment ein - und fanden zusehends Gefallen daran.

"Die Thementage haben viel Spaß gemacht, vor allem, dass man viele neue Leute kennengelernt hat fand ich schön", erzählt Fehmije. Die beiden Mädchen brachten dann schnell die Idee eines Grillplatzes ein, an dem die Jugendlichen chillen könnten. "Im Augenblick hängen wir öfter mal auf Spielplätzen rum", berichten die beiden. Zum Grillen aber müssten die Jugendlichen stets in den nächsten Ort fahren. Die beiden Freundinnen fragten sich also: Warum gibt es so etwas nicht auch hier?

Waren mit ihrer Initiative für einen Grillplatz erfolgreich: Blerta Kabashi und Fehmije Zeka. (Foto: Christian Endt)

Während der Thementage und danach warben Fehmije Zeka und Blerta Kabashi beharrlich für ihre Idee - und konnten letztlich genug Unterstützung sammeln. Für die Marktgemeinderatssitzung bereiteten sie eine Präsentation vor, "dabei wurden wir super unterstützt": Die Verwaltung der Kommune, Eltern, Sozialpädagogen und ihre Klassenlehrerin halfen den beiden, sich vorzubereiten.

Den Großteil der Arbeit aber hätten sie selbst bewältigt, sagen die beiden - wobei sie über die Anforderungen weit hinausschossen: Die beiden Freundinnen kümmerten sich eigenständig darum, eine extra Finanzierung für den Grillplatz vom Kreisjugendring zu erhalten, und am Abend vor ihrem großen Auftritt arbeiteten sie noch bis elf Uhr an der Präsentation. "Ich nehme es halt immer sehr genau", erklärt Blerta Kabashi.

Ein Steg, neue Umkleidekabinen und eine Dusche sollen den Badeweiher attraktiver machen

Das andere Projekt, vorgestellt von einer zusammengewürfelten Gruppe Jugendlicher, zielt auf ein angenehmeres Badeerlebnis am Weiher. Dazu soll ein Steg samt Leiter gebaut werden, über den man leichter ins Wasser kommt, mit einem Luftraum darunter, "damit man nicht ertrinkt oder so". Der Vorschlag sieht vor, den Steg in der Nähe des italienischen Restaurants zu platzieren, allerdings ist die finale Position noch nicht abschließend geklärt.

Zusätzlich zum Steg sollen neue Umkleidekabinen sowie Duschen mit Sichtschutz aufgestellt werden. Bis jetzt gibt es nur eine schneckenhausförmige Kabine ohne Tür, weswegen manchmal Kleinkinder dort hineinlaufen. Einen Haken, um etwas aufzuhängen, gibt es auch nicht. "Legt man das Handtuch dann über die Wand, wird es oft geklaut", erläutert die Gruppe das Problem daran.

Die neuen Kabinen sollen für mehr Sicherheitsgefühl sorgen, außerdem können sich so mehrere Personen gleichzeitig umziehen. Die neuen Duschen sollen helfen, den Weihergeruch zeitig loszuwerden. Die Gruppe punktet bei diesem Vorschlag auch gleich mit Fachwissen: "Man braucht weder für die Dusche noch für die Kabinen eine Baugenehmigung, da sie nicht überdacht und kleiner als 75 Quadratmeter sind." Kostenvoranschlag für alles zusammen: circa 12 000 Euro.

Im Gemeinderat müssen sich die Jugendlichen kritischen Fragen stellen

Einfach durchgewunken wurden die Projekte im Gemeinderat allerdings nicht. Fehmije Zeka und Blerta Kabashi erzählen, dass sie vor der Sitzung sehr nervös gewesen seien, da sie gewusst hätten, dass auch kritische Fragen kommen würden. "Mir haben noch nie so die Beine gezittert", so Zeka.

Und die kritischen Nachfragen kamen dann auch, wie angekündigt: Wieso wurde gerade dieser Ort für den Chillplatz ausgewählt? Gibt es nicht einen besseren Standort für den Steg als direkt neben dem Restaurant? Wie soll der Grill sauber gehalten werden? Wenn Sie sich zwischen Steg und Umkleidekabinen entscheiden müssten, was würden sie wählen?

Markt Schwabens Bürgermeister Michael Stolze warnt vor einer Pauschalisierung, was Jugendliche betrifft. (Foto: Christian Endt)

Doch die Jugendlichen waren gut vorbereitet, hatten meistens eine Antwort parat oder konnten versichern, dass etwaige Probleme in der Umsetzungsphase ausgeräumt würden. Nicht zuletzt werden die Verwaltung und der Bauhof Markt Schwaben helfen, beide Projekte zu realisieren. Letztlich stand dem einstimmigen Beschluss durch den Gemeinderat nichts mehr im Weg - und nicht nur, weil es eine Voraussetzung des Programms ist, dass mindestens einer der von den Jugendlichen erarbeiteten Vorschläge angenommen wird. Steg, Umkleiden, Dusche und Grillplatz sollen bereits im kommenden Sommer fertig sein. Die Projekte werden aus dem Gemeindehaushalt finanziert. Die Hertie-Stiftung überwies Markt Schwaben zwar eine Prämie von 5.000 Euro, diese wird jedoch größtenteils für ein Jugend-Gemeindefest im kommenden Sommer aufgewendet werden.

Langfristig soll ein dauerhaftes Jugendgremium eingerichtet werden

Ein voller Erfolg also? Die Langzeitwirkung des Projekts wird sich noch zeigen. Dass sich das Demokratieverständnis der Jugendlichen bereits durch "Jugend entscheidet" geändert hat, glaubt Jan Ostmann jedenfalls nicht. "Das ist ein Prozess." Der Blick hinter die Kulissen sei jedoch ein guter Anfang gewesen.

Weitergehen soll es ohnehin. "Das ist nicht das Ende einer Reise, nur eine Zwischenstation", sagt Michael Stolze. Im Anschluss an das Projekt möchte er "die Jugendbeteiligung nachhaltig verankern". Deswegen bittet er am Ende der Sitzung die Schülerinnen und Schüler, weiterzumachen, damit sie auch in Zukunft gehört werden. Wie genau diese "nachhaltige Jugendbeteiligung" aussehen wird, steht allerdings noch nicht fest.

Derzeit trifft sich Stolze einmal im Monat mit den Jugendlichen beider Gruppen, um die Umsetzung der Projekte zu besprechen. Langfristig soll ein formales Jugendgremium eingerichtet werden. Der Bürgermeister ist überzeugt davon, dass ein solches helfen kann, den Jugendlichen langfristig Politik näherzubringen und soziale Spannungen zu entschärfen. Und auch Ostmann ist froh darüber, dass es nun einen erneuten Anlauf in dieser Sache gibt: "Wir hatten ja schon einmal einen Jugendbeirat, aber damals war die Politik noch nicht so weit, das ernst zu nehmen."

Und was halten die Jugendlichen jetzt von dieser Form der gelebten Demokratie? "Also ich bin kein riesen Politik-Mensch", gibt Fehmije Zeka zu. "Aber wenn es wieder so eine Aktion gibt, würde ich mitmachen." Ihre Freundin nickt zustimmend. Auch am Jugendbeirat teilzunehmen, können sich die beiden Freundinnen vorstellen. "Wenn man etwas will, muss man eben was dafür machen", resümiert Blerta Kabashi.

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