Geflüchtete im Landkreis:Gemeinderäte befürchten "Ghettobildung"

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In dem heute leerstehenden, ehemaligen Atron-Firmengebäude soll die Unterkunft entstehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In Markt Schwaben wird über die geplante Asylunterkunft am Ort diskutiert. Lokalpolitiker fordern mehr Transparenz und warnen vor Angstmacherei.

Von Merlin Wassermann, Markt Schwaben

Erwartbar viele interessierte Bürgerinnen und Bürger haben sich an diesem Donnerstagabend im Sitzungssaal des Rathauses Markt Schwaben zur Gemeinderatssitzung eingefunden. Es werden Hände geschüttelt, "ah, du bist doch der und der, wir haben telefoniert". Schon jetzt bringt die geplante Flüchtlingsunterkunft offenbar Menschen zusammen, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären. Denn die Zuhörerinnen und Zuhörer sind nicht gekommen, um der Beratung zur Satzungsänderung des Seniorenbeirats zu lauschen. Sie wollen etwas erfahren über das ehemalige Atron-Firmengebäude in der Straße "Am Ziegelstadel" in der Nähe der Wohnsiedlung "Am Burgerfeld". Dort sollen zum zweiten Quartal nächsten Jahres nämlich circa 120 Geflüchtete unterkommen.

Eigentlich stand das Thema nicht auf der Tagesordnung, doch die Fraktion "Zukunft Markt Schwaben" (ZMS) hatte Anfang der Woche einen Antrag eingereicht, einen Sachstandsbericht zur Unterkunft einzuplanen. "Transparenz und Offenheit sind extrem wichtig, auch für eine gelungene Integration", begründet Vorsitzender Wolfgang Korda in der Sitzung diesen Schritt.

Die Mehrzahl der Gemeinderatsmitglieder sieht das ähnlich, der Antrag wird mit zwölf zu sechs Stimmen angenommen. So weit, so geplant. Nicht geplant war hingegen, dass Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) an der Sitzung nicht teilnehmen kann. "Er hat sich vor drei Stunden positiv auf Corona getestet", erklärt seine Stellvertreterin Walentina Dahms (CSU). In seiner Abwesenheit übernehme sie die Verantwortung.

So mancher Gemeinderat fühlt sich von den Plänen "überrumpelt"

Das nimmt der erwarteten Diskussion etwas den Wind aus den Segeln, hindert Wolfgang Korda jedoch nicht daran, seinem Unmut Luft zu machen: Der Gemeinderat sei wie die Öffentlichkeit "überrumpelt" geworden. Das beträfe nicht nur den Informationsfluss, sondern den gesamten Entscheidungsfindungsprozess. "Ich verstehe nicht, wie man über gewählte Souveräne so hinweggehen kann", sagt er mit Blick auf die Tatsache, dass der Gemeinderat in die Verhandlungen über den Mietvertrag nicht involviert gewesen war. Zudem spricht er sich gegen den Standort aus, da eine "Ghettobildung" zu befürchten sowie der Zugang von Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr kaum zu gewährleisten sei.

Mehrere Fragen würden sich nun stellen: Seit wann läuft der Prozess im Landratsamt? Welche Gremien waren involviert? Was ist die Dauer des Vertrags? Hat schon eine Umwidmung des Gebäudes von einem kommerziellen zu einem sozialen Nutzen stattgefunden? Wurden die Verträge juristisch geprüft?

Mit einem Bettlaken gegenüber dem Gelände der geplanten Flüchtlingsunterkunft machen Anwohner ihre Haltung klar. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zumindest auf ein paar dieser Fragen kann der Leiter des Sachgebiets Planen und Bauen, Walter Rohwer, Auskunft geben. "Das Landratsamt ist sowohl Vorhabens- als auch Bauaufsichtsträger", erklärt er. Das heißt, dass es ein zweistufiges Verfahren gibt.

Erst würde geprüft werden: Hier ist ein Standort, der in Betracht kommt, wäre eine Bauplanung überhaupt denkbar? An diesem Punkt sei man gerade, das ehemalige Firmengebäude könnte zulässig sein. "Noch nicht entschieden ist über die Genehmigung auf Nutzungsänderung", so Rohwer weiter. Es müsse nun geprüft werden, ob eine Umwidmung dem Bebauungsplan entspräche und wie Brandschutz, Rettungswege und dergleichen mehr ausgestaltet werden müssten. Der Antrag auf Nutzungsänderung würde dann dem Bauausschuss vorgelegt. Zum genauen Vertragsstand will sich der Sachgebietsleiter indes nicht äußern.

Ebersberg hat bisher verhältnismäßig wenig Geflüchtete aufgenommen

Zumindest Wolfgang Korda zeigt sich geduldig und hofft auf die Infoveranstaltung am nächsten Dienstag, 19. Dezember, von 17 bis 19 Uhr in der Theaterhalle am Burgerfeld. Dennoch pocht er darauf, dass "nichts schlimmer wäre, als wenn die Anwohner das vor Gericht bringen würden". Man müsse die Bürger von Markt Schwaben abholen.

Zustimmung, aber auch mahnende Worte erntet Korda von Heinrich Schmitt (CSU): Auch er finde, dass der Standort ungünstig sei, warne jedoch davor, "Unfrieden" in die Gemeinde zu bringen. Es sei eine rechtliche Frage, ob man von dem Standort noch "wegkommen" könne, er bezweifle es aber. "Wenn wir ihn nicht verhindern können, müssen wir mit dem Status quo zurechtkommen", so Schmitt. Er verweist außerdem darauf, dass das Landratsamt letztlich nur die Direktiven aus Berlin durchsetze, eine bestimmte Menge an Geflüchteten unterzubringen.

Eine Änderung des Standorts erscheint wenig wahrscheinlich

Dass der Landkreis Ebersberg bisher verhältnismäßig wenig Geflüchtete aufgenommen hat, das betont Walentina Dahms. "Wir sind im Ranking auf Platz 20 von 23 Landkreisen und kreisfreien Städten im Regierungsbezirk Oberbayern", sagt sie. Darauf sei sie neulich auch von dessen Regierungspräsident Konrad Schober hingewiesen worden. Dahms hatte ihn auf den Fall angesprochen und gefragt, ob eine Änderung des Standorts möglich sei. "Er hat mir nicht viel Hoffnung gemacht."

Manfred Kabisch (SPD) wiederum befürchtet, dass Angst geschürt wird. 2015 hätten 300 Geflüchtete in der Dreifachturnhalle im Wittelsbacherweg Unterschlupf gefunden. "In der Zeit habe ich so gut wie keine Auswirkungen dadurch verspürt", sagt er. Kabisch fände es ebenfalls wichtig, die von Korda vorgestellten Fragen zu beantworten, bittet jedoch darum, gemeinsam Informationen zu sammeln und zu vervollständigen.

Alle Redner aus dem Gremium sind sich schließlich einig, dass man den Menschen, die als Geflüchtete im Landkreis und in Markt Schwaben ankommen, helfen muss. Wie diese Hilfe genau aussehen soll, wird die nächsten Wochen und Monate diskutiert und entschieden werden müssen.

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