Die meiste Zeit starren die Gäste im Sitzungssaal im Ebersberger Landratsamt auf ihr eigenes Handy. Denn die großen Leinwände zeigen fast ohne Unterbrechung nichts als Fehlermeldungen an. Der für einen Wahlabend doch erheblich nervende Fehler liegt beim Datendienstleister, der es auch unmöglich macht, Ergebnisse auf der Homepage des Landratsamts abzurufen. Doch die Tendenz wird - wenn es zwischendurch doch immer wieder mal klappt mit den Zahlen - schnell klar: Amtsinhaber Robert Niedergesäß (CSU) muss nicht ansatzweise fürchten, in eine Stichwahl gehen zu müssen. Am Ende kommt er auf 61,2 der Stimmen, eine zweite Amtszeit ist ihm sicher "Das ist mehr als erfreulich, damit hätte ich nicht gerechnet", sagt er. Die Anspannung, die am Ende dieses Wahlabends noch deutlich erkennbar war, ist zu diesem Zeitpunkt schon der Entspannung gewichen.
Doch auch Waltraud Gruber von den Grünen, die ebenfalls in den Sitzungssaal zum Wahl-Watching gekommen ist, wirkt nicht unglücklich - warum auch: Sie ist klar Zweite im Wettbewerb und hat 24,1 Prozent der Stimmen auf sich vereint: "Das ist sehr zufriedenstellend für mich und freut mich total", sagt sie. Die Wähler hätten signalisiert, dass sie den Grünen mehr Verantwortung übertragen wollten. Themen wie der Erhalt der Lebensgrundlagen und der Klimaschutz müssten deshalb auch im Kreistag künftig eine wichtige Rolle spielen.
Weit abgeschlagen hinter ihnen landen Omid Atai von der SPD mit 7,5 Prozent der Stimmen, Robert Böhnlein von der Bayernpartei mit 5,4 und Vincent Kalnin von der Linken mit 1,9 Prozent. Einerseits, sagt Atai, sei er schon etwas enttäuscht. Andererseits könne er stolz sein auf den tollen und innovativen Wahlkampf, den die SPD geführt habe, und auch auf das tolle Team, das ihn unterstützt habe: "Da bauen wir jetzt darauf auf." Man werde den alten und neuen Landrat als Opposition "kritisch begleiten", kündigte der Poinger Atai an.
Er sehe das Ergebnis als Bestätigung seiner bisher siebenjährigen Arbeit und dem mit Leidenschaft geführten Wahlkampf, sagt Niedergesäß am Wahlabend. 2013 war der heute 49-Jährige ins Landratsamt eingezogen, nachdem Amtsinhaber Gottlieb Fauth aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Damals setzte sich Niedergesäß, bis dahin Bürgermeister in Vaterstetten, in der Stichwahl knapp gegen seinen Mitbewerber Ernst Böhm von der SPD durch. Diesmal ist sein Wahlsieg doch ein gutes Stück deutlicher ausgefallen.
Im Landratsamt nimmt er Glückwünsche von Weggefährten und seinen Mitarbeitern im Landratsamt entgegen. Etwas weniger Menschen als sonst waren zum gemeinsamen Wahlabend in der Behörde zusammengekommen - aufgrund der beunruhigenden Entwicklungen bei der Corona-Pandemie hatte das Landratsamt darauf verzichtet, das Ereignis größer zu bewerben. Die angeratenen Sicherheitsmaßnahmen jedenfalls werden brav eingehalten: Neuankömmlinge verzichten auf den Handschlag und winken ihren Parteifreunden lieber freundlich zu oder stupsen sie mit dem Ellbogen an. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz spendiert großzügig von seinem Hand-Desinfektionsgel. Und sein Landtagskollege Thomas Huber frotzelt, wenn das Ergebnis für Niedergesäß über 60 Prozent liege, müsse es eine Runde Corona-Bier geben.
Doch der Ernst der Lage wird schnell wieder deutlich. Brigitte Keller, die Leiterin des Abteilung für Zentrales und Bildung, sagt, die Wahl lenke sie nur vorübergehend von der schwierigen Lage, in der sich der Landkreis wie der Rest Europas befindet, ab. Und auch der Landrat weiß, dass er nicht allzu exzessiv feiern darf: Schon am nächsten Morgen um halb neun geht es zur nächsten Sitzung des Corona-Krisenstabs im Landratsamt, am Nachmittag treffen sich dann die oberbayerischen Landräte.