Landkreis:Schwein gehabt?

Lesezeit: 3 min

Auch das Glückssymbol kann Glück haben - beispielsweise, wenn es im Dreck wühlen und ins Freie darf. (Foto: Christian Endt)

Die Zahl der Mastbetriebe im Landkreis sinkt. Und die, die übrig bleiben, werden immer größer. Im Kampf um die Billigpreise ist wenig Spielraum für das Wohl der Tiere, doch es gibt Alternativen

Von Anselm Schindler, Landkreis

Das Schwein ist ein Symbol für Wohlstand und Glück - zumindest in westlichen Kulturkreisen. Vor allem in Süddeutschland hat sich der Brauch erhalten, zu Silvester deftige Schweinegerichte zu servieren, in Franken ist es traditionell der gekochte Schweinerüssel, in Oberbayern sind es eher andere Teile des Schweins, die zum neuen Jahr gerne verspeist werden. Der wilde Eber war schon bei den alten Germanen ein heiliges Tier, daher stammen wohl die schweinischen Bräuche. Wild sind heute, wirft man einen Blick in den Landkreis, nur noch die Eber und Säue im Forst. Auch in den Schweineställen im Landkreis dominieren Spaltenböden, Enge und Sojaschrot die Zucht der Tiere.

Bio-Schweine sind drei Mal so teuer, wie konventionelle Schweine

Das ist beim Rothbauernhof nordöstlich vom Egglburger See bei Ebersberg anders: "Die haben noch ein langes Schwanzerl", sagt Alois Daberger lächelnd und deutet auf die 14 Schweine, die hinter einem niedrigen Gitter im Stroh herumwuseln. Konventionell gehaltenen Ferkeln wird der Schwanz schon kurz nach der Geburt abgetrennt, die Schweine auf dem Rothbauernhof sind noch ganz, denn Alois Daberger achtet beim Ankauf der Ferkel auf das Bio-Zertifikat. Das allerdings hat seinen Preis: Ein konventionell gezüchtetes Ferkel kostet zwischen 40 und 50 Euro, "wir zahlen 130", sagt Daberger. Vor zehn Jahren hat er den Hof von seinem Onkel übernommen, es ist kein Schweinemastbetrieb, die Säue sind nur Nebenerwerb, eigentlich konzentriert man sich auf dem Rothbauernhof auf Kartoffeln und Lammfleisch. Was auch den Grund hat, dass man mit Schweinefleisch kaum noch rentabel wirtschaften könne, wie Daberger erklärt.

Das macht sich auch in der landwirtschaftlichen Struktur im Raum Ebersberg bemerkbar: Während um die Jahrtausendwende im Landkreis noch 84 Landwirte Schweine hielten, sind es heute nur noch knapp 50. Im selben Zuge steigt die Anzahl der Tiere pro Mastbetrieb. Waren es im Jahr 2000 noch knapp 100, so kamen im auslaufenden Jahr 2015 auf einen Schweinehalter im Landkreis rund 130 Tiere. Was aber im Rückschluss nicht immer bedeutet, dass auch die Ställe größer werden, mit dem Fall der Fleischpreise steigt der Druck auf die Bauern, es wird eng im Stall.

Landwirtschaftsexperten sehen einen Existenzkampf der Züchter

Josef Haider vom Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) spricht im Bezug auf die Schweinehaltung von einem "Existenzkampf". Haider ist Fachmann im Bereich Schweinezucht und -haltung. "Inzwischen sind es oft 500 Tiere pro Betrieb", erklärt Haider. Mit einer geringeren Anzahl könnten Betriebe inzwischen auch gar nicht mehr überleben, zumindest in der konventionellen Schweinehaltung, so Haider.

Einen Ausweg böten da alternative Haltungsformen. So, wie sie mit Weideschweinen auf dem Gut Herrmannsdorf bei Glonn betrieben wird, wo ein Teil der Schweine das ganze Jahr über auf dem freien Feld wühlen kann. Auch Alois Daberger betreibt eine alternative Haltungsform. Die Schweine haben immerhin einige Quadratmeter Auslauf unter freiem Himmel. Daberger deutet auf die Wiese, die sich neben dem Stall erstreckt, "da könnten sie herumlaufen" sagt er, "aber das würde von der Haltung her wahrscheinlich noch mal das Doppelte kosten". Sein Sohn Hans klopft an den Futtertrog, die Schweine grunzen erfreut und kommen angetrabt. Die Futtermittel stammen vom Hof, hauptsächlich gibt es Kartoffeln und Getreide.

Die Discounter diktieren die Fleischpreise

Die Preise für Schweinefleisch fallen seit Jahren. Was auch an der "Konzentration auf der Abnehmerseite liegt", wie es Alois Daberger formuliert. Mit "Konzentration" meint er die großen Discounter, die inzwischen die Preise diktierten. "In Deutschland ist das Schweinefleisch am gefragtesten, wirft aber am wenigsten Gewinn ab", ärgert sich der Landwirt. Um die Billigpreise zu umgehen, setzt Daberger auf den Verkauf auf dem eigenen Hof. Einen anderen Ausweg bieten freiwillige Erzeugerzusammenschlüsse wie "Unser Land". Auch der Stress eines Tiertransportes bleibt den Schweinen am Rothbauernhof erspart. Nach rund acht Monaten, wenn die Tiere rund 130 Kilogramm auf die Waage bringen, werden sie geschlachtet. Das Leben eines konventionell gemästeten Schweins ist nur rund halb so lang. Und auch die Arbeitsbedingungen derer, die sich um die Tiere kümmern, unterschieden sich stark. "Die arbeiten sich halb tot", sagt Alois Daberg mit Blick auf Arbeitskräfte aus Osteuropa, die in deutschen Schlachthäusern für Niedriglöhne arbeiten.

Von solchen Zuständen ist man auf kleinen bäuerlichen Betrieben wie dem Rothbauernhof noch meilenweit entfernt, auch wenn der Druck steigt. Der Blick fällt auf die sanften Hügel hinab zum Egglburger See. Einige Spaziergänger schlendern über einen Kiesweg am Hof vorbei, sie kommen hierher, weil hier noch etwas von der urtümlichen bäuerlichen Landschaft übrig ist. In den Augen der Landwirte sind auch sie Verbraucher. Und von denen hänge es ab, betont Alois Daberger: "Letztlich bestimmten die Kunden, welche Haltungsformen möglich sind".

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: