Weltfrauentag in der Grafinger Bücherei:Lebendige Bücher, spannende Frauen

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Die meisten Bücher nimmt man aus dem Regal und blättert in ihnen. Zum Weltfrauentag werden die Bücher für einen Abend lebendig. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Am Vorabend des Weltfrauentags am 8. März lädt ein breites Kooperationsbündnis zur "Lebendigen Bibliothek" in die Grafinger Bücherei - und entführt Besucher in die Tiefen der Sowjetunion, die Tücken von Tech-Unternehmen und in eine Geschichte von Liebe und Gewalt.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Jedes Buch verspricht eine Reise in eine andere Welt, eröffnet neue Perspektiven, zeigt andere Weisen und Weisheiten des Lebens. Die Idee, die Bücher gleich ganz lebendig werden zu lassen, hatten einige Netzwerkpartner im Landkreis Ebersberg: Zum Auftakt des Weltfrauentags am 8. März laden der Frauennotruf, der Kreisjugendring, das Kreisbildungswerk, die Stadt Ebersberg und die Aktion Jugendzentrum Ebersberg am Donnerstagabend, 7. März, zu der Veranstaltung "Frauengeschichte(n) - eine lebendige Bibliothek".

Als lebendige Bücher erzählen drei Frauen aus dem Landkreis in der Stadtbücherei Grafing von ihren Leben, jede mit einem anderen Fokus, jede mit ihrer eigenen, spannenden Geschichte. Vorweg schicken die Veranstalter die Bitte, die Regeln einer klassischen Bücherei einzuhalten: Das "Buch" dürfe nicht mit Fragen beschädigt oder seine Würde in irgendeiner Form verletzt werden. Außerdem dürfe das "Buch" das Gespräch jederzeit abbrechen, wenn Kapitel aus der Lebensgeschichte (noch) nicht veröffentlicht sind. Für jedes Buch sind am Donnerstagabend 15 Minuten reserviert.

Die Glonnerin und Tausendsassa-Frau Britta Muzyk-Tikovsky zitiert gern Mark Twain: "Aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man auch etwas Schönes bauen." (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf der Bühne Platz nimmt etwa Britta Muzyk-Tikovsky, Wirtschaftsingenieurin, Autorin und Verlegerin aus Glonn. In ihrem Buch "Richtungswechsel", das sie unter einem Pseudonym veröffentlicht hat, fließen Erfahrungen ein, die sie als Frau in Tech-Unternehmen gemacht hat. Kern der Geschichte ist es, was passieren kann, wenn man in einem Team arbeitet und dabei die einzige ihrer Art ist. Nicht nur Frauen seien damit gemeint, so die Glonnerin, auch andere Randgruppen. "Mein Hauptanliegen ist, Technologiethemen dem Publikum näherzubringen", sagt sie. "Technologie kann Spaß machen!" Als lebendiges Buch erzählt sie unter anderem von ihrer Kindheit, und was sie dazu gebracht hat, Ingenieurin zu werden. "Was ich sagen will", so Muzyk-Tikovsky, "dass man sich selber treu bleiben soll. Wenn einem Dinge passieren, die einen erschüttern, kann man auch etwas Positives daraus ziehen."

Eine berührende Geschichte von Liebe, Gewalt und Hoffnung erzählt eine ehemalige Bewohnerin vom Frauenhaus Erding, die anonym bleiben möchte. Vorwort und Randbemerkungen zu ihren Erzählungen liefert Angela Rupp vom Frauennotruf Ebersberg, die unterstützend mit auf die Bühne kommt. "Gewalt beschäftigt mich mein ganzes Leben. Im Hintergrund läuft sie immer mit" - unter dieser Überschrift wollen die beiden von ihren Erfahrungen erzählen. Gewalt, so Rupp, könne man nie ganz ablegen, sie sei immer wieder da: "Wir wollen vor allem die Bedeutung hervorheben: Was hat denn geholfen?" Die ehemalige Bewohnerin sagt heute, das Frauenhaus sei das Beste, was ihr passieren konnte. Wie ihre große Liebe schnell zu einer Beziehung wurde, vor der andere sie gewarnt haben, wie sie es geschafft hat, einen Schlussstrich zu ziehen, und warum es wichtig war, auch später Anlaufstellen zu haben, das berichten Angela Rupp und die anonyme Erzählerin als lebendige Bücher.

Da feierte sich die Sowjetunion noch als große Einheit: Im Juli 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau. Als das System neun Jahre später zusammen bricht, ist die Ukrainerin Olga Siegel gerade 16 Jahre alt. (Foto: -/dpa)

In die Tiefen der Sowjetunion entführt die Geschichte von Olga Siegel, die vor 23 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland kam und seit 2007 in Ebersberg wohnt. Als sie 16 ist, bricht das System zusammen, und mit ihr viele Ukrainer, die nicht wissen, wie es weitergehen soll. "Wie die Schule lief, kann man nicht in Worte fassen", so Olga Siegel. 50 Jahre lang war Kommunismus gepredigt worden, plötzlich stimmte diese Wahrheit nicht mehr. "Das Fach Geschichte gab es bei uns nicht", erzählt Siegel weiter. Stattdessen habe die Lehrerin ihrer Mädchenklasse ein Buch zum Lesen gegeben, das ihnen vielleicht im Leben helfen würde: "Wie heirate ich einen Millionär?" Was es heißt, in einem solchen Chaos aufzuwachsen, und wieso ein vierwöchiges Stipendium in Mannheim ihr ganzes Leben für immer verändern sollte, das kann das Publikum am Donnerstagabend in Grafing erfahren.

Die "Lebendige Bücherei" findet statt am Donnerstag, 7. März, in der Stadtbücherei Grafing, Grenzstraße 5. Beginn ist um 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei.

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