Bildung im Landkreis:Auslaufmodell auf zwei Brettern?

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Teuer und ökologisch fragwürdig: Viele Schulen im Landkreis Ebersberg schaffen das Skilager ab. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Die Sinnhaftigkeit des Skilagers wird kontrovers diskutiert. Während einige Schulen im Landkreis Ebersberg weiterhin daran festhalten, setzen andere bereits auf eine Sommersportwoche.

Von Greta Wach, Ebersberg

"Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt", sagt Markus Schmidl, Schulleiter der Dr.-Wintrich-Realschule in Ebersberg. "Für uns als Klimaschule ist das nicht mehr länger vertretbar", erklärt er. 2024 wird es das Skilager daher zum letzten Mal geben. "Skifahren kann man gerne im Privaten, aber als Schule haben wir einfach Werte vorzuleben", fährt Schmidl fort.

Seit nun schon geraumer Zeit wird das Skifahren vor allem unter Aspekten der Nachhaltigkeit gesellschaftlich kontrovers diskutiert. Auch Schulen im Landkreis Ebersberg sehen sich mit der Frage konfrontiert, ob das Skilager in Zeiten von Klimawandel noch zeitgemäß ist - und kommen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen.

Laut Lehrplan sollen sich die Kinder "auf Schnee und Eis bewegen"

Tatsächlich ist Wintersport unter dem Überbegriff "Sich auf Schnee und Eis bewegen" im Lehrplan Sport für die siebte Jahrgangsstufe verankert. Neben besonderen Bewegungsabläufen steht dabei auch umweltbewusstes Verhalten auf dem Programm . Welche Sportart aber gelehrt werden soll, ist nicht vorgeschrieben. Trotzdem gehört das Skilager nach wie vor an vielen Schulen im Landkreis zum festen Bestandteil des Fahrtenprogramms.

So geht es am Humboldt-Gymnasium Vaterstetten für die erste Gruppe Siebtklässler bereits kommende Woche zum Skifahren nach Saalbach-Hinterglemm, und auch die Sechstklässler des Gymnasium Kirchseeon fahren in diesem Jahr wieder zur Wintersportwoche nach Radstadt bei Salzburg. "Wir nehmen die Signale wahr, aber aktuell hat sich die Schulfamilie in der Mehrheit dafür entschieden, dass die Vorteile überwiegen", erzählt der stellvertretende Direktor des Kirchseeoner Gymnasiums, Stefan Mühlfenzl. Die Jugendlichen befänden sich in diesem Alter in der "goldenen Lernphase", erklärt er: Selbst Kinder, die noch nie auf Ski standen, beherrschten die als eher komplex geltende Sportart dank moderner Ski nach nur weniger Tagen.

Gemeinschaftserlebnisse und schnelle Erfolge böten auch andere Sportarten, sagt eine Mutter

Das sei ein großes Erfolgserlebnis und steigere das Selbstwertgefühl der Schüler, sagt auch der stellvertretende Schulleiter des Grafinger Max-Mannheimer-Gymnasiums, Matthias Flurl. Auch dort hat sich das Schulforum - bestehend aus Schulleiterin, gewählten Lehrkräften, Vertretern des Elternbeirates, der Schüler sowie des Sachaufwandsträgers - mehrheitlich für das Skilager ausgesprochen. Das Skilager sei immer eine sehr schöne Fahrt mit vielen positiven Erfahrungen für die Jugendlichen, die man einfach nicht missen möchte, so Flurl. "Ob die Kinder den Sport dann weiter führen oder nicht, ist natürlich ihnen überlassen."

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Nur: Welchen Sinn hat es, bei den Kindern die Freude am Skifahren zu wecken, wenn sie das neu erlernte Hobby womöglich mangels Schnee schon bald nicht mehr ausüben können? Das fragen sich auch so manche Eltern. Wie eine Mutter berichtet, ist im vergangenen Jahr unter Schülereltern des Gymnasiums Kirchseeon eine größere Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Skilagers ausgebrochen. Gemeinschaftsbildung, schnelle Erfolgserlebnisse und ein gesteigertes Selbstvertrauen der Schüler sind für die Mutter, die das Skifahren aus ökologische Gründen schon vor Jahren aufgegeben hat, keine ausreichenden Argumente. All das sei auch mit anderen Sportarten möglich.

Pisten ohne künstliche Beschneiung sind inzwischen schwer zu finden

Zudem hinterlässt der Klimawandel bereits seine Spuren. "Es wird immer schwieriger, einen Ort zu finden, wo man noch ohne künstliche Beschneiung Skifahren kann", erklärt Stefan Gasior, der die Realschule Vaterstetten leitet. Anders als an den Gymnasien gibt es an dieser Realschule deshalb schon seit einigen Jahren kein Skilager im klassischen Sinne mehr. An den sogenannten Wintersporttagen können Schüler der siebten Jahrgangsstufe ganz verschiedene Sportarten ausführen. Neben Schneewandern, Eislaufen und Rodeln können die Jugendlichen aber weiterhin auch Ski und Snowboard fahren.

Nicht nur die zunehmend schlechten Schneeverhältnisse stellen die Schulen vor eine Herausforderung. Viele Klassenleiter verfügten nicht über die nötigen Qualifikationen, um die eigene Klasse in das Skilager zu begleiten, berichtet Gasior. Für die Klassengemeinschaft sei das jedoch essenziell, sagt er.

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Auch die mit der Fahrt verbundenen Kosten stellen ein Problem dar: Der Preis für den Skipass und die Unterkunft belaufen sich gut und gerne mal auf 400 bis 500 Euro. Hinzu kommt für viele Familien noch die Ausrüstung, die danach oft nicht mehr benötigt wird. Manche Schulen organisieren dafür einen Basar, um eine Möglichkeit zu schaffen, gebrauchte Skibekleidung zu kaufen. Darüber hinaus gibt es für einkommensschwache Haushalte Unterstützungsprogramme durch den Staat.

Die Realschule Ebersberg hat sich für das kommende Schuljahr bereits eine Alternative überlegt. Damit die Kinder nicht komplett auf die Klassenfahrt und die besonderen Momente mit ihren Mitschülern verzichten müssen, wird es künftig eine Sommersportwoche im oberbayerischen Inzell geben. Hier können die Jugendlichen unterschiedliche Sportarten wie Wandern, Klettern und Bogenschießen ausprobieren. Bei Schulfahrten stünde grundsätzlich der Gemeinschaftscharakter im Vordergrund, doch der, so Schmidl, müsse nicht zwingend beim Skifahren erlebt werden. Auch an der Realschule Vaterstetten hat sich zusätzlich zu den Wintersporttagen die Sommersportwoche etabliert, und auch das Gymnasium Kirchseeon bietet neben dem Skilager eine Gemeinschaftserlebniswoche in den wärmeren Monaten an.

Eine einheitliche Regelung für den gesamten Landkreis Ebersberg gibt es nicht. Die Diskussion um das Skilager wird also bleiben. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass sich die Frage in den nächsten Jahren ohnehin erübrigen wird.

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