Verwaltungsgericht im Landkreis Ebersberg ::Alles auf Anfang

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In diesem kleinen Rückgebäude sind zwei Wohnungen zu viel gebaut worden. Das Verwaltungsgericht musste nun entscheiden, wie es mit ihnen weitergehen soll. (Foto: Wieland Bögel)

In einem Haus in Poing sind mehr Wohnungen entstanden, als vom Landratsamt genehmigt - doch auch die Behörde hat Fehler gemacht. Jetzt soll das Verfahren von vorne beginnen.

Von Wieland Bögel, Poing

Der Wohnungsmangel in der Region ist ein drängendes Thema - doch nicht alle Mittel, dem Problem beizukommen, sind im Sinne des Gesetzes. So hatte in Poing ein Bauunternehmen aus dem Landkreis Erding ein Wohn- und Geschäftshaus an der Neufarner Straße errichtet. Doch anstatt der vier genehmigten Wohnungen entstanden deren sechs. Das Landratsamt Ebersberg als zuständige Bauaufsichtsbehörde hatte daraufhin eine Beseitigungsanordnung erlassen, zwei der Wohnungen sollten wieder weg. Dagegen wiederum hat die Baugesellschaft geklagt, nun befasste sich das Münchner Verwaltungsgericht mit der Angelegenheit.

Die, das zeigte sich schnell, eine einigermaßen diffizile ist. Denn zwar sind in dem Rückgebäude lediglich vier Wohnungen genehmigt, aber eben auch das Erdgeschoss in seiner aktuellen Größe. Und das, so stellte es die Kammer unter Vorsitz von Richter Korbinian Heinzeller klar, mache die vom Landratsamt verfügte Beseitigung unwirksam - obwohl der Bauherr im Erdgeschoss zwei zusätzliche, nicht genehmigte Wohnungen eingebaut hatte.

Das Gericht macht schnell klar, dass die Beseitigungsanordnung ungültig ist

Denn die Behörde in Ebersberg hatte die Ablehnung der Wohnungen und die Forderung nach deren Beseitigung mit einer Überschreitung der Geschossflächenzahl begründet. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, der Bauherr nehme durch die Erdgeschossnutzung mehr Flächen auf dem Grundstück in Anspruch, als er laut Genehmigung dürfte. Doch dies sei nicht der Fall, so das Gericht. Denn tatsächlich hatte das Bauamt das Erdgeschoss in seiner jetzigen Größe genehmigt - nur eben nicht zu Wohnzwecken, sondern für Gewerbe, etwa kleine Läden. Das sei aber unerheblich für die Ungültigkeit des Ablehnungsbescheides, da dieser dem Bauherrn etwas untersagen will, was grundsätzlich genehmigt ist: eben ein Erdgeschoss in der vorhandenen Größe.

Nun gebe es zwar die Möglichkeit, die Baugenehmigung nachträglich teilweise rückgängig zu machen, so der Vorsitzende. Was sich in der Praxis aber als schwierig erweisen dürfte - stünde der unstrittige obere Teil des Hauses doch damit quasi buchstäblich in der Luft.

Im Landratsamt hat man die Sorge vor einer Änderung des Gebietscharakters

Nach kurzer Unterbrechung erklärten die Vertreter des Landratsamtes, man habe weniger Probleme mit der Größe des Erdgeschosses - als mit dessen Nutzung. Laut Albin Schenk, Leiter des Kreisbauamtes, sehe man nicht, dass man diese genehmigen könne, da dies Auswirkungen auf die gesamte Umgebung hätte. Diese ist derzeit als Mischgebiet festgesetzt, das heißt, dort ist sowohl Wohnen wie auch Gewerbe zulässig. Allerdings habe sich in den vergangenen Jahren das Gewicht sehr in Richtung Wohnen verschoben und das habe Folgen: Würden noch weitere Wohnungen dazukommen - und seien es nur die beiden im Haus des Klägers -, könnte das ganze Gebiet seinen Charakter verlieren, es wäre dann ein allgemeines Wohngebiet mit den entsprechenden Einschränkungen für andere Nutzungen. Dies sei städtebaulich aber unerwünscht.

Die Vertreter der Klägerseite bezweifelten diese Argumentation. Nach ihrer Einschätzung habe sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Gewerbeflächen in dem Gebiet ebenfalls vergrößert, eine Änderung zu einem Wohngebiet stehe daher nicht zu befürchten. Zudem, wie der Klägeranwalt ausführte, gebe es ohnehin keine festen Werte, ab welchem Verhältnis ein Misch- zu einem Wohngebiet werde, dies sei immer Auslegungssache. Nicht zuletzt habe die Behörde ein ebenfalls von der Erdinger Baugesellschaft betriebenes Boarding-Haus dem Bereich Wohnen zugerechnet - obwohl dieses, wie etwa ein Hotel, ein Gewerbebetrieb sei. Auch entsprächen die beiden zusätzlichen Wohnungen dem städtebaulichen Konzept des Gebietes, wonach entlang der Neufarner Straße Gewerbenutzungen, und in den weniger lärmgeplagten Rückbauten Wohnungen entstehen sollen.

In Richtung der vielbefahrenen Neufarner Straße wird das Haus ausschließlich gewerblich gennutzt. (Foto: Wieland Bögel)

Das Verwaltungsgericht regte schlussendlich an, beide Seiten sollten mit ihren Verhandlungen um die Wohnungen noch einmal ganz von vorne beginnen. Das bedeutet, das Landratsamt nimmt nicht nur die Beseitigungsanordung und das Zwangsgeld zurück - was die Behörde laut Gericht ohnehin tun muss, da die Voraussetzungen nicht zuträfen - , sondern auch die Ablehnung des Antrags auf die Umnutzung des Erdgeschosses. Damit wären die beiden Wohnungen zwar nicht genehmigt - aber eben auch nicht offiziell abgelehnt. Weswegen das Bauamt bis zur endgültigen Entscheidung auch keine weiteren Schritte gegen die Wohnnutzung unternehmen werde.

Nach kurzer Beratung erklärten sich die Klägervertreter zu diesem Vorgehen bereit, auch das Landratsamt stimmte zu.

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